Ein Fan wird zum Staatsfeind

– 50 Jahre Mauerbau: Ein Hertha-Fan aus Ost-Berlin reiste seinem Team im Ostblock hinterher

Berlin (dapd). Zum Glück herrscht Westwind an diesem späten Augusttag im Jahr 1961. Haushoch überragen die steilen Tribünen der „Plumpe“ die S-Bahn-Gleise. Der Wind trägt die Geräusche des Fußballs herüber vom alten Hertha-Stadion am Gesundbrunnen in Wedding zur nahen Norwegerstraße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Dort steht Helmut Klopfleisch, 13 Jahre alt, und lauscht. Er hört das Raunen und Klatschen der Menschen, die sich auf dem Zauberberg türmen und auf dem Uhrenberg, jenen berühmten Steilrängen unter den riesigen Reklametafeln, die stets voll sind, wenn Hertha BSC spielt.

Beim letzten Mal war Helmut Klopfleisch da noch mitten drin. Nun aber steht er jenseits der Gleise und starrt traurig über den frisch abgerollten Stacheldraht. Hertha spielt jetzt in einer unerreichbaren Welt.

„Motor, Aktivist – schon die Namen waren albern“

Das DDR-Regime mauert den Westteil der Stadt ein, und einem 13-jährigen Hertha-Fan aus Pankow bleibt nur noch der Radiobericht des Westberliner Senders RIAS 1. Helmut Klopfleisch presst sich den kleinen Mikki-Empfänger dichter ans Ohr und lauscht seinem Lieblingsreporter Udo Hartwig.

Der Blick des Hertha-Fans aus dem Osten bleibt westwärts gerichtet. Klopfleisch will sich seine Liebe nicht verbieten lassen. Über die DDR-Betriebssportgruppen kann er nur lachen. „Motor, Aktivist – alleine die Namen waren ja albern“, sagt er heute. Mit dem System DDR wird er nicht warm. „Ich merkte schon in der Schule, wie wir angelogen wurden, was uns da für ein Quatsch erzählt wurde“, sagt Klopfleisch.

Doch die allabendlichen Sportnachrichten im Westradio reichen ihm bald nicht mehr. Er will dabei sein. Helmut Klopfleisch beginnt, zu Spielen von Hertha BSC im Ostblock zu reisen, zu Europacupspielen und auch zu belanglosen Freundschafts-Kicks. Aus einem blauen FDJ-Hemd und einem weißen Bettlaken näht ihm seine Mutter eine Fahne. Rings um die Spiele kommt er mit Fans, Spielern und Trainern ins Gespräch.

Wodka aus Zahnputzbechern

Auch das westdeutsche Nationalteam hat es ihm angetan. 1971 fährt er zum EM-Qualifikationsspiel nach Warschau und überreicht dem aus Dresden stammenden Bundestrainer Helmut Schön einen Berliner Bären, als Glücksbringer und Zeichen für die Einheit der Stadt. Zusammen mit Schön, dessen Assistenten Jupp Derwall und Masseur Erich Deuser stößt er im Hotelzimmer mit polnischem Wodka aus Zahnputzbechern auf die deutsch-deutsche Freundschaft an.

Bald ist Klopfleisch im BRD-Fußball bekannt wie ein bunter Hund – und er hat beste Beziehungen. Eines Tages steht Bayern-Präsident Fritz Scherer in der Wohnung der Klopfleischs in Berlin-Weißensee – unter dem Rolli ein signiertes Originaltrikot von Karl-Heinz Rummenigge, dem Idol von Klopfleischs Sohn. „Er hat sich gleich im Flur entblättert“, erinnert sich der Vater lachend. Klopfleischs rege Westkontakte bleiben auch der Stasi nicht verborgen. Bei der Ausreise wird sein Wagen bis auf die Karosserie zerlegt, seine Fahne schmuggelt er mit verölten Ersatzteilen über die Staatsgrenze.

In den 80er-Jahren wird die Lage ernst. Der Fußballfan wird zum Staatsfeind. Er verliert seinen Job als Elektriker. Vor Spielen von Westmannschaften im Ostblock wird er vorsorglich verhaftet und verhört, er erhält einen sogenannten „PM-12“-Ausweis, „wie Sexualstraftäter und andere Schwerverbrecher“, sagt er. Helmut Klopfleisch ist offiziell geächtet, weil er Fußballfan ist.

„Ich wollte einfach meine Freiheit“

Als auch seine Familie von den Behörden offensichtlich benachteiligt wird, stellt er 1986 einen Ausreiseantrag. „Solange es nur um mich ging, konnte ich es aushalten“, sagt er. Seinen 15-jährigen Sohn hat bereits die Stasi umgarnt und versucht, zum Bespitzeln des eigenen Vaters anzustiften. „Es ging mir nicht um Apfelsinen oder Bananen“, sagt Klopfleisch, „ich wollte einfach meine Freiheit.“

Sein Ausreiseantrag wird bewilligt – Ende Juni 1989. Noch am gleichen Abend müssen die Klopfleischs die DDR verlassen. Nicht einmal zur Beerdigung seiner Mutter, die wenige Tage später stirbt, darf er zurück in das Land, das sich eingemauert hat.

Nach der Wende erfüllt sich Helmut Klopfleisch den Traum von der Freiheit. 1990 Italien, 1994 USA, 1996 England – zusammen mit der Nationalmannschaft bereist er die westliche Welt. Fotos zeigen ihn mit Berti Vogts, Boris Becker und beim Golfen mit Franz Beckenbauer.

In der Plumpe aber war er nie wieder. Herthas altes Stadion ist längst abgerissen. 50 Jahre nachdem der kleine Helmut traurig hinüber in den Westen blickte, ragen dort keine Zauberberge mehr auf. Der Fußball ist verzogen. Die neuen Mieter sind hinter der glatten Fassade eines Neubaukomplexes verborgen. Nur die alten Pappeln sind noch da und wiegen sich langsam im Westwind.

Keeper in der Krise: Der Fall des Tobias Sippel

– Flüchten oder Kämpfen? Kaiserslauterns Torwart steht am Scheideweg

Berlin/Kaiserslautern (dapd). Tobias Sippel ist ganz schön gealtert seit März, rein äußerlich jedenfalls. Er hat sich die ehemals strähnigen Haare raspelkurz abgeschnitten und sich einen Stoppelbart wachsen lassen. Nun sieht Sippel, 23 Jahre alt, eher nach Ende als nach Anfang zwanzig aus. Vom offiziellen Spielerfoto der Saison 2011/12 blickt der Torwart des 1. FC Kaiserslautern einen unter grimmigen Brauen an, den Mund missmutig nach unten verzogen.

Tobias Sippel ist nicht glücklich derzeit. Dem jungen Mann droht schon jetzt eine Midlife-Crisis als Profi.

Rückblende: Anfang März war der langhaarige und glattrasierte Sippel noch Kaiserslauterns strahlender erster Torwart. Im Derby bei Eintracht Frankfurt bestritt er sein 98. Ligaspiel als Profi für den Verein, zu dem er damals als Zehnjähriger gekommen war. Dann bekam Sippel die Grippe, er verpasste zwei wichtige Spiele, die sein Klub beide gewann. Und fortan war Tobias Sippel ein Banktorwart.

Nicht mal mehr zweiter Keeper

Seit Anfang Juli ist Sippel zusätzlich ein Banktorwart, der es mit einer Alkohol-Fahrt auf die Seite eins der „Bild“ geschafft hat. Das hat ihm neun Monate Taxifahren und 36.000 Euro Geldstrafe durch die Staatsanwaltschaft eingebracht, sowie eine nicht näher bestimmte vereinsinterne Strafe.

Am vergangenen Wochenende wurde Sippel dann aus dem Kader der Pfälzer für das Pokalspiel in Berlin gestrichen, „aus disziplinarischen Gründen und für dieses eine Spiel“, wie Trainer Marco Kurz mitteilte. Tobias Sippel, im Mai 2010 im Kader der Nationalmannschaft, war plötzlich nicht mal mehr zweiter Keeper in Lautern.

Im Fußballdorf Kaiserslautern, wo jede Wand vier Ohren und acht Augen hat, wird seitdem eifrig über Sippels Nachtleben debattiert. Jeder will ihn woanders gesehen haben, meist natürlich ziemlich betrunken. Nur Gerüchte, heiße Luft, die in anonymen Internetforen verblasen wird. Dennoch war der Wind, der Sippel um die Nase weht, schon mal schwächer.

„Nicht unbedingt motivationsfördernd“

„Natürlich ist das nicht unbedingt motivationsfördernd“, sagt Sippels Berater Michael Becker zur Degradierung seines Schützlings für ein Spiel. „Aber ein Profi muss eben auch manchmal Sachen, die er nicht versteht, respektieren.“ Becker sagt, er wisse ebenfalls nicht, wofür Sippel genau bestraft worden sei: „Vielleicht wollte man ihm Zeit zum Nachdenken geben.“

Nachgedacht haben könnte Sippel unter anderem über die sich bietenden Alternativen: Lässt er sich als Nummer zwei hinter Kevin Trapp hängen? Dann droht im schlimmsten Fall der komplette Karriereknick. Oder hängt er sich rein, auch auf die Gefahr, dass er an Trapp nicht vorbeikommt und ein Jahr oder länger Frust schiebt?

Ein Wechsel oder eine Ausleihe zu einem anderen Klub, bis Ende August wäre dieser noch möglich, steht offenbar nicht zur Debatte. Er wisse von keinem Angebot, sagt Berater Becker: „Der Markt ist jetzt zu.“ Die Torwartpositionen in der Bundesliga sind verteilt.

Beckers Traumszenario hat sich zerschlagen

Becker ist dieser Tage nicht der glücklichste aller Berater. Nicht genug, dass alle wieder einmal auf seinem Kronjuwel Michael Ballack herumhacken, auch die Situation in Kaiserslautern ist für ihn aus Beratersicht ungünstig. Denn Kevin Trapp steht ebenfalls bei dem Rechtsanwalt mit Sitz in Luxemburg unter Vertrag. Einer seiner talentierten Tormänner wird also in jedem Fall auf der Bank sitzen und an Marktwert verlieren. Beide Keeper haben noch einen Vertrag bis 2013.

Beckers Traumszenario hat sich im Frühsommer zerschlagen. Trapp hätte für eine hübsche Millionensumme als Neuer-Nachfolger zu Schalke 04 wechseln sollen, Sippel wäre kampflos zur Nummer eins in Lautern aufgestiegen. Doch daraus wurde nichts. „Ich muss nicht jede Entscheidung von Stefan Kuntz verstehen“, sagt Becker knapp.

Nur ändern lässt sich erst einmal nichts, weder für Becker noch für Sippel. Seinem unglücklichen Torwart rät der Berater daher, ruhig zu bleiben: „Er soll die Situation akzeptieren, so was kommt vor.“

Eine Grippe, die alles verändern kann, hat man sich schließlich schnell mal eingefangen.

Wenn das Kartenhaus zerfällt

– Oberligist BFC Dynamo steht nach der Fan-Gewalt unter „Schockstarre“ – Polizei bemängelt Absprachen

Berlin (dapd). Am Tag danach lag eine unwirkliche Friedlichkeit über dem Verein. Ein knuffiger Plüsch-Teddybär im Vereinsshirt wurde auf der Webseite des BFC Dynamo zum Verkauf angeboten, die vier Flutlichtgiraffen des Jahnsportparks trotzten still und eisern dem Berliner Nieselregen. „Das größte Gut des Vereins sind seine Fans“, hat ein BFC-Fan über seine Webseite geschrieben. Am Samstagabend hat sich dieses Gut in die größte Last verwandelt.

Um die 100 Randalierer hatten nach dem Pokalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern den Gästeblock gestürmt und wahllos um sich geschlagen. Verletzte gab es nicht nur unter den Lauterer Fans. „Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die in letzter Zeit an der Vereinsarbeit beteiligt waren“, sagte der Fanbeauftragte Rainer Lüdtke der dapd am Sonntag. „Man merkt bei allen eine Schockstarre. Ich persönlich dachte, wir sind viel weiter.“

„Gesichter, die ich nie zuvor gesehen habe“

Lüdtke, ser seit 14 Jahren ehrenamtlicher Fanbeauftragter von Dynamo ist, sucht nach der Katastrophe nach Gründen. Es bleiben vor allem viele Fragezeichen stehen. „Das waren Gesichter, die ich nie zuvor gesehen habe. Leute in BFC-Klamotten, die ich gar nicht kenne“, sagt Lüdtke über die Gewalttäter. „Ich habe auf einem Foto gesehen, dass mehrere auf einen einschlugen. Das sind Sachen, die ich seit zehn Jahren nicht bei uns gesehen habe.“ Lüdtke wähnte den BFC Dynamo auf dem Weg in eine bessere Zukunft.

Trügerische Hoffnung: Schon sehr lange hatte es kein Spiel mehr gegeben mit so vielen Gästefans. Rund 2.000 sollen es gewesen sein. Die insgesamt über 10.100 Besucher waren eine neue Rekordkulisse für Dynamo bei einem Heimspiel nach der Wende. Das Gastspiel des Bundesligisten war offenbar eine attraktive Plattform, um auch Leute anzulocken, „sogenannte BFC-ler“, wie Lüdtke sie nennt, die mehr auf Krawall als auf Fußball aus waren.

„Es waren zwischen 250 und 300 Personen, die Krach gesucht haben“, teilte die Berliner Polizei auf dapd-Anfrage am Sonntag mit. Wie ein Teil von ihnen praktisch ungestört von der Gegengeraden durch leere Blöcke hinüber zum Gästebereich gelangen konnte, dahinter steht ein weiteres Fragezeichen. Laut Lüdtke ist ein ungefähr ein Meter hohes Rolltor am Ende der Gegengeraden nach Schlusspfiff nicht ausreichend mit Ordnern besetzt gewesen. „Wenn die ersten auf dem Weg sind, ist es wie ein Kartenhaus, das zusammenfällt. Es gibt dann die Mitläufer“, sagt Lüdtke.

Polizei: „Wir standen vor verschlossenen Toren“

Die Polizei bestätigte, dass der Durchbruch des Fans auf ein Verschulden der Ordner zurückzuführen war. Eine Auswertung habe ergeben, „dass Maßnahmen des Ordnerdienstes, teilweise entgegen vorheriger Absprachen mit der Polizei, zu den Problemen geführt bzw. den Verlauf begünstigt haben“, hieß es in einer Mitteilung. Dies habe der für die Ordner Verantwortliche eingeräumt.

Warum aber bei einer als „Risikospiel“ eingestuften Partie nicht von vornherein Beamte zwischen den Gästen aus Kaiserslautern und den berüchtigten BFC-Fans platziert waren, ist zumindest verwunderlich. Generell sei zunächst der vereinseigene Ordnungsdienst für die Lage im Stadion verantwortlich, sagte die Polizei. „Erst wenn es zu Straftaten kommt, schreiten wir ein.“ In diesem Fall zu spät. Im Lauterer Block war bereits Panik ausgebrochen.

Die Schadensfälle konnte die Polizei am Sonntag genau beziffern: 18 verletzte Polizisten, zwei im Krankenhaus Behandelte, Strafverfahren gegen 50 Personen. Der Schaden am ohnehin ramponierten Image des Vereins lässt sich schwerer bemessen. Rainer Lüdtke überlegt, sein Amt aufzugeben: „Irgendwann fehlt die Kraft.“

Am frühen Sonntagnachmittag war dann auf der offiziellen Internetpräsenz des BFC Dynamo nichts weiter als ein ausführlicher Entschuldigungsbrief an den Bundesligisten zu lesen. Wo morgens noch der Teddy lächelte, stand nun: „Leider, leider endete ein schönes Spiel mit einer zu 99 Prozent friedlichen Kulisse in einem Albtraum.“ An ruhigen Schlaf ist in nächster Zeit wohl weder für die Vereinsverantwortlichen noch für die Opfer zu denken.

Union Berlin: Wir gegen alle

– Der Köpenicker Klub antwortet auf die Vorwürfe gegen Präsident Zingler mit einem Gegenangriff

Berlin (dapd). Ihren Trotz haben sie sich kultiviert in Berlin-Köpenick. „Scheißegal, scheißegal“, sangen die Fans des 1. FC Union voller Inbrunst nach der herben 0:4-Niederlage am zweiten Spieltag der 2. Liga gegen Greuther Fürth. Union und seine Fans, das ist eine ganz besonders verschworene Gemeinschaft.

Wir gegen alle anderen: Seit den Zeiten, als die Unioner sich über die Ablehnung gegen den „Stasi-Klub“ BFC Dynamo definierten, sehen sie sich jenem „ungleichen Kampf“ verschrieben, der im pathetischen Intro zu Nina Hagens Vereinshymne thematisiert wird.

Seit nun die „Berliner Zeitung“ am vergangenen Dienstag veröffentlicht hat, dass Union-Präsident Dirk Zingler bei einem dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellten Wachregiment seinen Wehrdienst abgeleistet hat, zieht sich der Verein in die Verteidigungsstellung zurück – und hat in Person von Pressesprecher Christian Arbeit vor dem Heimspiel am Samstag den verantwortlichen Journalisten auch persönlich kritisiert.

Die Union-Familie ist ganz bei sich

Arbeit, Presse- und Stadionsprecher in Personalunion, lief mit dem Mikrofon über den Rasen und holte vor 15.000 Anwesenden gegen den in der Bundesrepublik geborenen Autor des Enthüllungsartikels aus: „Ich glaube, dass wir uns die Dinge nicht erklären lassen müssen von Leuten, die damals gar nicht hier waren und dann irgendwann nach Berlin gekommen sind.“

Ein begeistertes, dreifaches „Eisern Union!“ schloss sich an – die Union-Familie war wieder ganz bei sich, vereint in der Skepsis gegenüber all jenen, die ohnehin die Seele dieses gallischen Dorfes unter den deutschen Profiklubs nie begreifen würden.

Arbeit hat damit das Thema erneut aufgegriffen und die Frontstellung zementiert: Hier Union. Da die Journalisten. Wir gegen euch. „Wir können ja nicht so tun, als wäre nichts passiert, wenn die ganze Woche über jede Zeitung in Berlin praktisch täglich über das Thema berichtet hat“, sagt Arbeit auf dapd-Nachfrage.

Ihn störe die „Interpretation“ von Zinglers Armeezeit. Genauer: „Dass die Wehrdienstableistung von Dirk Zingler im Wachregiment Feliks Dzierzynski quasi als Stasi-Tätigkeit bezeichnet wird, obwohl zum Beispiel die ‚Berliner Zeitung‘ bei einem eigenen Mitarbeiter mit juristischen Mitteln gegen genau diese Gleichsetzung vorgegangen ist.“ Dass der angesprochene Zusammenhang in dem Artikel gar nicht explizit hergestellt wird, ändert für ihn nichts: „Je weiter sie aus Berlin weggehen, in München oder anderswo, bleibt als Zitat in den Zeitungen dann nur noch ‚Zingler war Stasi-Mann‘ übrig“, sagt Arbeit.

Auch über die „Art und Weise des Umgangs“ empört sich Arbeit: „Der Autor des ersten Artikels zu diesem Thema wusste genau, dass Dirk Zingler gerade im Urlaub war, als der Beitrag veröffentlicht wurde.“

Zingler weilt noch im Urlaub

Der offizielle Standpunkt des 1. FC Union ist, dass Zingler bei seiner Wahl zum Präsidenten im Jahre 2004 den Aufsichtsrat über seinen Wehrdienst in Kenntnis gesetzt hat – und das Gremium diesen nicht als ehrenrührig empfunden hat. Zingler weilt noch im Urlaub und hat sich noch nicht erklärt.

Vielleicht haben sich bis zu seiner Rückkehr die Wogen etwas geglättet. Festzuhalten bleibt: Dass Union beim Schlagwort „Stasi“ empfindlich reagiert, mag in der Klubgeschichte begründet liegen. Dass aber der Pressesprecher eines Vereins im vollen Stadion einen kritischen Journalisten attackiert, ist eine zumindest ungewöhnliche Praxis. Die Spieler jedenfalls wollen sich nur aufs Sportliche konzentrieren. Auf die Frage, ob die Debatte die Leistung auf dem Feld beeinträchtige, sagte Patrick Kohlmann: „Ich hoffe nicht.“

Bis einer heult

– Wladimir Klitschko ist auch von David Haye nicht zu stoppen. Der Brite mimt den schlechten Verlierer, die Klitschko-Brüder halten nun alle vier wichtigen WM-Titel.

Hamburg (Tagesspiegel) – Es war schon nach zwei Uhr am Sonntagmorgen, aber David Haye hatte die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt. Der ehemalige WBA-Weltmeister im Schwergewicht trat vor der anwesenden Presse seine Krankengeschichte breit. „Vor drei Wochen im Training habe ich mir einen Zeh gebrochen. Ich konnte nicht aus meinem rechten Fuß explodieren wie gewöhnlich“, sagte der 30-jährige Brite und wollte dies als „Hauptgrund“ dafür verstanden wissen, dass er seinem Gegner Wladimir Klitschko, der nach seinem einstimmigen Punktsieg die Gürtel der Verbände WBA, WBO und IBF trägt, in der Hamburger Arena nicht gleichwertig hatte begegnen können. „David, so etwas solltest du nie sagen“, versuchte Klitschko die unwürdigen Ausführungen zu beenden, „denn das nennt man einen schlechten Verlierer“.

Haye aber war nicht zu stoppen und verspielte nach dem Titel auch noch einiges an persönlichem Kredit. Am Ende stieg er gar auf den Tisch, um seinen lädierten Zeh zu präsentieren, und stand da oben knapp unter der Decke wie ein Gockel auf dem Heuhaufen. Haye gab nach all dem „trash talk“, den provozierenden Gesten und Worten in den Wochen vor dem Kampf, das Bild eines weinerlichen Sprücheklopfers ab, er wirkte wie ein Clown, dem das Make-up zerlief. Während Haye die Spuren der Nacht hinter einer überdimensionierten Brille zu verbergen suchte, trug Klitschko seine Wunden stolz zur Schau. Das rechte Auge umspielte eine rötliche Schwellung, am Nasenflügel und auf der linken Wange hatten Hayes Fäuste Risse hinterlassen. „Oft komme ich nicht mit Beulen zur Pressekonferenz“, sagte der Ukrainer, und das war als Kompliment gemeint. „Wenn zwei Champions im Ring stehen, wird es nicht schmerzfrei abgehen“, sagte Haye.

Die 36 verregneten Minuten von Hamburg zehrten dennoch am meisten von der Erwartung dessen, was nie kam. Von den Momenten, in denen sich Weltmeister und Weltmeister schnaufend gegenüber standen, ihren Atem gut sichtbar in die kalte Nachtluft stoßend, um dann die Ahnung einer Schlagfolge ins grelle Bühnenlicht zu zucken. Von der gelegentlichen wuchtigen Rechten Hayes, der selten ein zweiter Schlag folgte. Und von den etwas häufigeren Kombinationen, die Klitschko ins Gesicht des Briten hämmerte, um dann wieder in Lauerstellung zu gehen vor dem Image, das Haye über drei Jahre sorgsam aufgebaut hatte. Die 40 000 Zuschauer, davon eine stimmgewaltige Minderheit Engländer, schrien dann freudig auf, nun würde der wilde Schlagabtausch endlich losgehen – eitle Hoffnung. „Beide Kämpfer waren vor der Schlagkraft des anderen auf der Hut“, sagte Hayes Trainer Adam Booth. „Die härteren Treffer hat der Kleinere gelandet“, resümierte Ehrengast George Foreman, „aber Klitschko hat den Kampf mit seinem Jab entschieden.“ Der linken Führhand, dem klassischen Vorbereitungsschlag, nach dem laut Lehrbuch eigentlich weitere folgen. Klitschko bot am Samstagabend also Unvollendetes in Perfektion.

Und auch wenn vieles nur angedeutet blieb, standen am Ende einige Erkenntnisse: Zum einen kann Wladimir Klitschko mittlerweile schwere Schläge einstecken. Nach dem Kampf wandte sich der 35-Jährige in ungewohnt scharfem Ton an all jene, die ihm hartnäckig ein Glaskinn unterstellt hatten: „An alle Kritiker: Schluckt eure Worte! 2004 war ich nach zwei Niederlagen ein gebrochener Mann, aber ich habe immer an mich geglaubt. Und ihr habt mir nur noch mehr Motivation gegeben.“ Nach den schlimmen K.o.-Niederlagen gegen Corrie Sanders und Lamon Brewster zeigte Klitschkos Karrierekurve damals nach unten. Die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer Emanuel Steward und eine sorgfältige mentale Erholung haben ihn als Boxer reifen lassen. Klitschko ist ein kluger Kämpfer geworden.

Am Samstag ließ er sich zu nichts Unbedachtem verleiten. Er nahm Hayes krachende Rechte, besonders in der dritten und vierten Runde, hielt kurz inne und machte sich dann wieder auf die besonnene Verfolgung seines Gegners. Jab, Jab, Jab. „Der Kampf ist genauso verlaufen, wie wir ihn geplant hatten“, sagte Steward, „außer dass wir dachten, dass Haye aggressiver sein würde“. Dass Klitschko nicht mit aller Macht auf den angekündigten 50. Knockout seiner Karriere drängte, nahm Haye die Möglichkeit zu kontern. „David war wachsam, von der ersten Sekunde des Kampfes bis zum Schlussgong“, sagte Klitschko. Während Haye in der Defensive mit flinken Pendelbewegungen größeren Schaden vermied, verlegte er sich bei eigenen Angriffen zunehmend verzweifelt auf den Schlag, der in seinem Kampfnamen „Hayemaker“ verewigt ist: auf den Heumacher.

Doch mit seinen wilden Schwingern traf er nie mehr als die Hamburger Luft. Immer wieder stürzte der 1,91 Meter kleine Brite Kopf voran in den acht Zentimeter größeren Klitschko, der ihn wohl ein halbes Dutzend Mal zu Boden drückte. Was Haye zu lautstarken Beschwerden veranlasste, Klitschko in der siebten Runde einen Punktabzug einbrachte – und Haye einen offiziellen Niederschlag in der elften. Das einmütige Urteil der Punktrichter (117:109, 118:108 und 116:110 für Klitschko) war über jeden Zweifel erhaben.

Haye war, wie er sagte, ausgezogen, das Schwergewicht zu retten. Am Ende stand auch die Erkenntnis, dass es vor den Klitschkos, die jetzt alle vier wichtigen Weltmeistertitel halten, wohl nicht zu retten ist. David Haye ist jetzt nur noch ein Ex-Weltmeister mit gebrochenem kleinen Zeh und ramponiertem Ego. „Ich glaube trotzdem, dass ich einige Leute heute eines Besseren belehrt habe“, behauptete Haye trotzig. Da hatte er ausnahmsweise Recht. Nur meinte er den Satz wohl anders, als er bei den meisten ankam.

Der entscheidende Heimsieg

– Bamberg verteidigt das Double und lobt den Gegner aus Berlin – 27 Heimsiege für Brose Baskets – Große Party in „Freak City“

Berlin/Bamberg (dapd). Am Ende toste und donnerte es in der „Frankenhölle“, dass man es regelrecht mit der Angst bekommen konnte. Im infernalischen Lärm wummernder Techno-Beats, umhüllt vom Platzregen der Konfettischnipsel, präsentierten die Spieler der Brose Baskets Bamberg den mehr als 6.000 euphorisierten Basketball-Verrückten den Meisterpokal, der für ein weiteres Jahr in Oberfranken verbleibt.

Mit 72:65 (29:30) hatten die Bamberger auch ihr 27. und letztes Heimspiel der Saison gegen einen deutschen Gegner gewonnen. Der entscheidende Sieg in der eigenen Arena war dem Titelverteidiger schwerer gefallen, als vorher allgemein vermutet. „Ich möchte Alba und den Berliner Fans gratulieren“, sagte der Bamberger Coach Chris Fleming. „Sie haben die Saison gedreht und sehr viel Herz gezeigt.“

Jacobsen: „Ich liebe Freak City!“

Dass die Berliner, in Spiel eins und drei der Serie in der Stechert-Arena klar unterlegen, im Dezember gar historisch gedemütigt, den Bambergern im Entscheidungsspiel einen großen Kampf bis zur letzten Sekunde geliefert hatten, wertete die Party für die Oberfranken nur auf. Casey Jacobsen freute sich sichtlich auf die Feierlichkeiten: „Es wird eine bessere Party als in Dallas, ich liebe Freak City!“

Bamberg machte mit dem Sieg im fünften Spiel der Finalserie die Verteidigung des Doubles aus Pokal und Meisterschaft perfekt – als erste deutsche Mannschaft überhaupt. Im entscheidenden Moment, als in der Saison 2010/11 nur noch wenige Sekunden verblieben, setzte sich mit den erfolgreichen Dreiern von John Goldsberry und Brian Roberts die Qualität des Teams durch, das vor den Playoffs überhaupt nur zwei Spiele verloren hatte.

„Es war ein extrem enges Spiel, bei dem winzige Kleinigkeiten den Ausschlag gegeben haben“, sagte Albas Geschäftsführer Marco Baldi. „Der Heimvorteil ist extrem wichtig. Man muss es sich über eine Saison verdienen, dass man das letzte Spiel zu Hause hat.“ Bambergs Casey Jacobsen sah das ähnlich: „Die Fans haben einen sehr großen Anteil. Wir hatten den Heimvorteil, den haben wir auch gegen ein sehr starkes Alba-Team gebraucht.“

Nur einmal wurde es still in der Arena

Nur einmal, nach Bryce Taylors wuchtigem Dunking im dritten Viertel, verstummte der Lärm der Bamberger Fans kurzzeitig. Taylor war es auch, der Alba 1:43 Minute vor dem Ende mit einem Dreier mit 64:62 in Führung warf. Doch Bamberg ließ sich von den unerwartet starken Berlinern nicht aus der Ruhe bringen und hatte nach zwei Dreiern 37 Sekunden vor dem Ende den Meistertitel praktisch gesichert. „Bamberg hat am Ende einfach Würfe getroffen, und die Zuschauer sind ins Spiel gekommen“, resümierte der Berliner Spielmacher Heiko Schaffartzik. „Immer wenn wir geschlagen wurden, sind wir zurückgekommen, das zeigt unseren Charakter“, sagte Casey Jacobsen.

Brian Roberts, der den vorentscheidenden Korb von außen versenkte, schwenkte anschließend im grellroten Meister-T-Shirt die Trophäe im Takt der Musik. „Freak City“, die Stadt der Basketball-Verrückten, beheimatet für ein weiteres Jahr das beste deutsche Team. Bambergs Center Kyle Hines, der zum Sieg am Samstag zwölf Punkte beisteuerte, wurde zum wertvollsten Spieler der Finalserie gekürt.

Auch Nowitzkis Unterstützung half nicht

Den Berlinern half am Ende auch die moralische Unterstützung des besten deutschen Basketballers nichts, die NBA-Meister Dirk Nowitzki Alba-Teammanager Mithat Demirel, seinem Spezi aus gemeinsamen Nationalmannschaftstagen, vor dem fünften Spiel per SMS zugesichert hatte.

Auch die Berliner feierten noch ein kleines bisschen. Bis nach Mitternacht ließen die rund 700 mitgereisten Fans zusammen mit der Mannschaft bei Freibier und Würstchen die Saison ausklingen, draußen, auf dem Parkplatz vor der Arena, auf dem längst nur noch die Busse mit Berliner Kennzeichen standen. Die Bamberger Party-Karawane war da schon weitergezogen. Hinein ins jubelnde Herz von Freak City.

Teamgeist schlägt Egotrip

– Die Dallas Mavericks haben die selbstgewissen Heat-Stars mit einer tollen Mannschaftsleistung besiegt

Berlin/Miami (dapd). Wie sie da so durcheinander lärmten auf der eilends aufgebauten Bühne mitten im Basketball-Herzen von Miami, wirkten die Spieler der Dallas Mavericks wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen, in allen erdenklichen Größen und Kragenweiten. Einige hatten sich schon eines der blütenweißen Sieger-Shirts übergeworfen, „Dallas 2011 NBA Finals Champions“ stand auf der Brust, auf dem Kopf trugen sie passende Schirmmützen. Die Mavericks hatten ihr Tagwerk verrichtet. Der Schweiß der Arbeit glänzte im Scheinwerferlicht auf ihrer Haut.

In den Sekunden bevor sie die wuchtige Goldtrophäe in Empfang nahmen, die die NBA jedes Jahr bei Tiffany’s bestellt, hätten sie auch als Feierabend-Gesellschaft einer x-beliebigen US-amerikanischen Fabrik durchgehen können. Blauer Kragen, Dosenbier, vielleicht später noch ein Streetball-Match.

Die Mavericks sind Gegenentwurf zu Miamis Glitzer-Duo

In den vergangenen Tagen sind die Basketball-Malocher um Vorarbeiter Nowitzki zu einem populären Gegenentwurf des Glitzer-Duos Dwyane Wade und LeBron James geworden, die ihrerseits stets mit zu großen Brillen, viel zu großen Kopfhörern und zu engen Designer-Hemden herumstromern – und sich eher schlecht als recht benehmen. Weil Wade und James mehr für sich selbst statt miteinander spielten, hat Dallas das vierte, fünfte und sechste Spiel der Finalserie gewonnen. Für jeden einzelnen Spieler ist es der erste Siegerring. Für das 1980 gegründete Franchise ebenso.

„Nichts im Leben wird dir geschenkt, man muss für alles hart arbeiten“, sagte Dirk Nowitzki im Interview nach dem Spiel, den Pokal lässig im Arm, und es klang wie ein Seitenhieb gegen James und Wade, die schon während des zweiten Spiels aufreizend vor der Bank der Mavericks gejubelt hatten. Viel zu früh, wie man heute weiß.

Selbst Haudrauf Cardinal traf einen Dreier

In der Serie zwischen Dallas und Miami, die nach drei Spielen bereits zu Gunsten der Heat entschieden schien, hat am Ende der Teamgeist über den Egotrip der Einzelkönner triumphiert. Nowitzki mag die Serie fast im Alleingang ausgeglichen haben, in den letzten beiden Spielen waren es andere, die die entscheidenden Körbe warfen. Jason Kidd zum Beispiel, dieser knorrige 38-Jährige, den man vor Sonntagabend kaum je einmal lächeln sah, versenkte zwei eminent wichtige Dreier.

Man kann die Reihe durchgehen: Jason Terry (27 Punkte), Jay-Jay Barea (15 Punkte und unzählige Powerdribblings), Shawn Marion (12 Punkte, 8 Rebounds), ja selbst der ungestüme Defensiv-Haudrauf Brian Cardinal versenkte an diesem Abend einen Dreipunktversuch. Die Mavericks spielten sich miteinander in einen Rausch und zogen schließlich auch den ausgepowerten Nowitzki mit, der nach drei Punkten zur Halbzeit das Spiel mit 21 Zählern beendete.

Was er mitnehme aus diesen Endspielen, wurde Teambesitzer Mark Cuban gefragt. „Dass die Chemie wichtig ist. Dass es ein Mannschaftssport ist“, sagte er. „Dass man Spieler braucht, die sich vertrauen und dem Coach vertrauen. Das ist ein Prozess, das passiert nicht über Nacht.“ Nach und nach hätten seine Spieler das Konzept von Trainer Rick Carlisle akzeptiert, das die Gemeinschaft über den Einzelnen stellt. „Sie haben gelernt, dass, wenn sie dem System vertrauen und es ausführen, gute Dinge passieren. Keiner war egoistisch. Wenn der Ball weitergepasst werden musste, wurde er weitergepasst. Wenn jemand einen offenen Wurf nehmen musste, nahm er einen offenen Wurf.“

Die Stars der Heat verlieren sich in Phrasen

Auf dem Spielfeld trieben sich die Mavs-Akteure gegenseitig an. „Der Große hatte ein paar Probleme mit seinem Wurf“, sagte Jason Terry über Nowitzkis Schwächephase. „Um ihn wieder an das Wesentliche zu erinnern, habe ich ihm zugeflüstert: ’05/06′. Das ist alles. Mehr musst du ihm nicht sagen.“ 2005/06, das war jene so großartige Saison, die ein so jähes Ende nahm mit der 2:4-Finalniederlage – gegen die Miami Heat. „Jet hat mich wirklich aufgebaut“, sagte Nowitzki. „Wir sind zusammen durch das alles durchgegangen.“

Derweil saßen Dwyane Wade und LeBron James im feinen Zwirn vor den Medienvertretern und verloren sich in Phrasen. James bemühte sich um ein Rechenspielchen: „Ich habe zwei Spiele mehr gewonnen als 2007, vielleicht schaffe ich es, nächstes Jahr zwei Spiele mehr als dieses Jahr zu gewinnen.“ Vor vier Jahren hatte er mit den Cleveland Cavaliers im Finale 0:4 gegen die San Antonio Spurs verloren. Wade sagte betont kämpferisch: „Wir werden diese Niederlage als Motivation benutzen und versuchen wiederzukommen und es zu schaffen.“

Eine Gratulation rang sich Wade dann auch noch ab: „Sie haben ein Championship-Team zusammengestellt, egal wie man es betrachtet.“ Doch selbst damit lag er falsch, denn im Baukasten-Verfahren zusammengestellt wurden im letzten Jahr allenfalls die Miami Heat. Der bunte, chaotische Haufen aus Texas dagegen ist langsam und stetig zusammengewachsen. Bis sich die großen und kleinen Jungs auf der grell beleuchteten Bühne von Miami dann ganz nahe waren.

Der leise Triumphator

– Dirk Nowitzki sucht im Moment des Sieges die Einsamkeit – „Das Team hat mich getragen“

Berlin/Miami (dapd). Als die Schlusssirene durch die Arena dröhnte, trat Dirk Nowitzki die Flucht an. Ohne eine Hand zu schütteln, ohne auch nur einem Teamkollegen in die Augen gesehen zu haben, kletterte der 2,13-Riese über die Begrenzung am Spielfeldrand und stapfte hastigen Schrittes in Richtung Kabine. Kurz bevor er dort ankam, erhaschte die Kamera noch einen Blick in sein Gesicht, es war bis über die Nase unter dem hochgezogenen Trikot verborgen.

Im Moment seines größten Triumphes suchte der deutsche Basketball-Superstar die Einsamkeit. Sein überhasteter Rückzug hätte auch der schmachvolle Abgang eines Verlierers sein können, doch da oben auf dem Videowürfel stand eindeutig: Dallas 105. Und: Miami 95.

Am frühen Pfingstmontagmorgen, als in Deutschland um Viertel vor fünf langsam die Sonne auftauchte, war Dirk Nowitzki angekommen. Eine Woche vor seinem 32. Geburtstag ist der Mann aus Würzburg mit seinem Team, den Dallas Mavericks, Meister in der stärksten Basketball-Liga der Welt. Als anerkannt wertvollster Spieler seiner Mannschaft. Er reiht sich damit ein in die Reihe der größten deutschen Sport-Ikonen. Nowitzki hat nun den Titel, für den er, wie er immer wieder betonte, einzig und allein noch auf dem Parkett stand.

„Dirk Nowitzki ist einer der Größten, die dieses Spiel je gespielt haben, und das hat er heute Abend bestätigt“, sagte sein Trainer Rick Carlisle, der 1986 als Spieler der Boston Celtics und nun als Coach der Mavericks NBA-Meister wurde.

Nowitzki, der die Finalserie gegen die Miami Heat trotz Handverletzung und fiebriger Erkältung dominiert hat und vor allem in den Schlussvierteln groß aufspielte, legte, als er zur Übergabe der Larry-O’Brien-Trophäe wieder aus den Katakomben aufgetaucht war, die für ihn typische Bescheidenheit an den Tag. Er widmete den Pokal seinen Mitspielern und den Fans. „Die Mavs-Nation verdient diesen Titel, sie waren so großartig zu uns im vergangenen Jahr.“

„Das Team hat mich getragen“

Nowitzkis Abend, der im Konfettiregen endete, begann holprig. In der ersten Spielhälfte traf er nur einen von zwölf Würfen aus dem Feld, zusammen mit einem Freiwurf kam Nowitzki damit in den ersten 24 Minuten auf die für ihn indiskutable Ausbeute von drei Pünktchen. „Heute bin ich nicht in meinen Rhythmus gekommen, aber das Team hat mich getragen“, sagte Nowitzki auf dem Siegerpodest.

Nach dem Seitenwechsel war Nowitzki noch entschlossener als zuvor, den Korberfolg zu erzwingen, und verwandelte direkt seinen ersten Wurf. Auch von weiteren Fehlwürfen ließ er sich nicht beeindrucken und traf Mitte des dritten Viertels auch zum ersten Mal von jenseits der Dreipunktelinie.

In der Pause vor dem Schlussviertel, in das die Mavericks mit neun Punkten Vorsprung gingen, meldete sich das deutsche Grüppchen der Nowitzki-Fans zu Wort, das den Weg in die American Airlines Arena von Miami gefunden hatte. „Und wir holen den Pokal, Halleluja“, sangen sie in sicherer Siegesgewissheit. Dallas blieb in Führung. Doch alle warteten gespannt auf die Schlussoffensive der Heat. Sie kam nie.

Auch weil Nowitzki seine zehn Punkte im letzten Viertel vorzugsweise dann einstreute, wenn die Führung der Mavericks unter zehn Zähler zu sacken drohte. Eine Dominanz, wie sie Nowitzki in der Schlussphase von Spiel zwei und vier gezeigt hatte, war in der sechsten Partie gegen die verunsicherten Heat-Stars, die sich nie berappelten, schlicht nicht nötig.

Nowitzki konnte sich auf seine Kollegen verlassen

Als es darauf ankam, konnte sich Dirk Nowitzki auf sein Team verlassen. Auf das Team, das er mit seinen unglaublichen Leistungen erst in diese Situation geführt hatte. „Alle Kritiker haben nur davon geredet, was er nicht kann“, sagte Jason Terry, mit 27 Punkten bester Werfer der Mavericks, über Nowitzkis Rolle. „Aber all die vorherigen Jahre waren nichts im Vergleich zu diesem. Wie er das Team in diesem Jahr getragen hat, war einfach phänomenal.“

Verlass auf die Kollegen war zum Beispiel nach Nowitzkis Ballverlust beim Stand von 94:87, den Tyson Chandler und Jason Kidd sofort in der Defensive ausbügelten. Bei der folgenden Auszeit nickten sich Forward Shawn Marion und Nowitzki mit entschlossenem Blick zu und berührten sich mit den Fäusten. Die Zeichen standen auf Sieg.

Nowitzki gönnte sich nur eine kleine Jubelgeste

Nach einem Fehlwurf von Dwyane Wade traf Nowitzki 29 Sekunden vor dem Ende mit einem Korbleger zur endgültigen Entscheidung. Die rechte Faust geballt nach oben gestreckt, mehr Jubelgeste gönnte sich der Kapitän der Mavericks nicht. Als das Spiel noch einmal unterbrochen war, legte Nowitzki beide Hände auf den Kopf und starrte mit riesigen Augen dem sicheren Sieg ins Auge, reglos, fassungslos.

Fünf Jahre nach der schmachvollen Finalniederlage in sechs Spielen gegen die Miami Heat haben diesmal die Mavericks nach zweimaligem Rückstand (0:1 und 1:2) das Glück auf ihre Seite gerissen. Mit enormer Willenskraft, die sich in Dirk Nowitzki personifiziert hat. In dem Mann, der in den Playoffs gegen alle Widrigkeiten 28 Punkte pro Spiel erzielt hat. In dem Mann, der erst einmal mit sich alleine sein wollte. Als alles vorbei war, um Viertel vor fünf, als in Deutschland der Morgen kam.

Der moralische Favorit

– NBA-Finals: In den USA ist die Stimmung zugunsten der Mavericks gekippt – Wade und James als Buhmänner

Berlin/Miami (dapd). Dirk Nowitzki und seine Mitspieler von den Dallas Mavericks werden 20.000 Menschen gegen sich haben, wenn sie am Montagmorgen deutscher Zeit (2:00 MESZ) aufs Parkett der American Airlines Arena in Miami laufen. Die Mehrheit der Millionen Basketballfans in den USA aber dürfen die Texaner hinter sich wissen. Vor Spiel sechs, bei dem Dallas mit einem Sieg den ersten NBA-Titel der Klubgeschichte festmachen kann, ist die Sympathie in den Medien fast überwältigend aufseiten der Mavs mit ihrem deutschen Superstar. Durch ihre zwei Siege in Folge, die wenige für möglich gehalten hatten, mehr noch aber durch die Begleitumstände, sind die Dallas Mavericks zum moralischen Favoriten dieser Endspielserie geworden.

Begonnen hat der Stimmungsumschwung mit dem vierten Spiel, in dem Dirk Nowitzki trotz 39 Grad Fieber im Schlussviertel zum entscheidenden Mann wurde. Die Bilder des mit nassen Handtüchern behängten, von Husten geschüttelten Deutschen auf der Ersatzbank haben die Amerikaner nachhaltig beeindruckt. Die mediale Begeisterung für Nowitzkis Kraftakt hat Miamis „Superfriends“ LeBron James und Dwyane Wade die Schau gestohlen – und offenbar auch nachhaltig verärgert. Kurz vor dem fünften Spiel tauchte ein Video auf, das die beiden Starspieler der Heat zeigte, wie sie Nowitzkis Husten vor laufender Kamera veralberten.

„Kindisch und respektlos“

Erst nach dem sechsten Spiel, das Dallas erneut gewann und in dem LeBron James erneut im letzten Viertel enttäuschte, schlug der kurze Clip größere Wellen. Nowitzki bedachte die Aktion auf Nachfrage mit einem knappen „kindisch und respektlos“ und fügte in Richtung James und Wade hinzu: „Das sind die NBA-Finals. Wenn du Extra-Motivation brauchst, hast du ein Problem.“

Der Tenor in den US-Medien aber ist überaus kritisch. Die „New York Times“ vermutet, Dwyane Wade leide nach elf Monaten im Fokus der Kameras nun unter „Schweinwerfer-Müdigkeit“. CBS-Kolumnist Gregg Doyel schreibt, er hätte Verständnis für Attacken gegen andere Mavericks-Spieler gehabt, zum Beispiel den notorischen Lautsprecher Jason Terry oder den auf und abseits des Feldes aggressiven DeShawn Stevenson. „Aber sich über Nowitzki lustig zu machen? Ausgerechnet über ihn? Er ist der netteste Typ auf dem Parkett, er spielt mit einem Sehnenriss im Finger, er hat Spiel vier mit 39 Grad Fieber gespielt. Und er hat beide Probleme heruntergespielt“, schreibt Doyel.

Im Speziellen stürzen sich die amerikanischen Betrachter des Spiels nun auf LeBron James – und hauen munter auf ihn ein. Im Gegensatz zu seinem Kumpel Dwyane Wade, mit 28,4 Punkten pro Partie neben Nowitzki bislang der Spieler dieser Finalserie, hat der selbst ernannte „Auserwählte“ in keinem der fünf Spiele dominieren können. „LeBron James ist seziert worden wie ein Frosch in der Biologiestunde“, schreibt die „New York Times“. Das allgemeine Fazit: Große Klappe, wenig dahinter. Bislang jedenfalls.

LeBron bezeichnet sich in SMS selbst als „King James“

Nicht unbedingt sympathiebildend für James ist überdies, was ein Bericht der „Washington Post“ enthüllte: Demnach stellt sich James in SMS an Kollegen gerne selbst als „King James“ vor. In mehr als einem Artikel kam bereits der wenig schmeichelhafte Vergleich mit den Allüren von Michael Jackson auf. LeBron James sei Bewohner seiner eigenen „Neverland“-Traumwelt.

Und auch sein Wechsel von Cleveland nach Miami im vergangenen Sommer, ins warme Nest der Superstars, wird noch einmal bemüht, um ein Bild von LeBron James zu zeichnen als jemandem, der seine Fahne nach dem Wind dreht und immer schon für die ohnehin erfolgreichen Mannschaften war. „Warum glaubt ihr, sind LeBrons Lieblingsteams die Yankees und die Cowboys“, heißt es in der „Washington Post“-Kolumne. „Warum hielt er es als Kind mit Jordan und den Bulls und nicht den unglücklichen Cavaliers, nur 45 Minuten vor seiner Haustür?“

Dwyane Wade und LeBron James stehen vor dem vielleicht entscheidenden sechsten Spiel nicht nur sportlich mit dem Rücken zur Wand. Ihre Mätzchen abseits des Parketts haben sie auch viel Kredit in der Öffentlichkeit gekostet. Zum Glück für sie wird das die 20.000 in der Halle nicht interessieren.

Wie auf dem Spielplatz

– Neben Nowitzki ist Instinkt-Basketballer Jason Terry der Trumpf der Mavericks – NBA-Trophäe als Tattoo

Berlin/Dallas (dapd). Wie ein strahlender Lausbub saß der Mann mit dem feinen Bärtchen auf dem Podium und erzählte: „Es war wie damals auf dem Schulhof in Seattle, als wir unsere Idole in den Finals nachgeahmt haben. Alles steht auf dem Spiel. Hochsteigen. Versenken.“ Jason Terry zeigte sein listiges Lächeln, das er an diesem Abend kaum aus dem Gesicht bekam. Dass die Dallas Mavericks nach 1:2-Rückstand in der Best-of-seven-Serie nun mit einer 3:2-Führung zur Entscheidung des NBA-Finales nach Miami reisen, haben sie neben Nowitzki auch ihrem zweiten Veteranen zu verdanken.

Im vierten Spiel verwandelte Terry seine beiden Freiwürfe sechs Sekunden vor dem Ende und sicherte den Texanern damit nach Nowitzkis Korbleger den Sieg, das fünfte Aufeinandertreffen entschied er mit einem waghalsigen Drei-Punkte-Wurf „ins Gesicht“ von Superstar LeBron James. Ein Wurf wie auf dem Pausenhof. Die Doppeldeutigkeit von „playground“ im Englischen passt, denn obwohl sich mittlerweile 20.000 Leute um ihn drängen, begreift Jason Terry das Basketballfeld auch heute noch vornehmlich als seinen Spielplatz, als den Ort, an dem sich der 1,88 Meter kleine Instinkt-Basketballer austoben darf.

Terry wirkt mitunter wie Sport-Goofy

„Wenn ich Platz habe, lasse ich ihn fliegen“, beschreibt Terry seinen simplen Spielplan. Auch Terry selbst hat in den letzten beiden Spielen abgehoben. Jet, wie ihn die Mitspieler in Anlehnung an seine Initialen nennen, hat im American Airlines Center zu Dallas die nächste Brennstufe gezündet. Mit ausgebreiteten Armen, Flugzeugtragflächen imitierend, rannte der Guard nach seinen wichtigen Korberfolgen zurück in die eigene Hälfte, die Augen hoch in die Publikumsränge gerichtet. Seht ihr, heißt das, ich hab euch immer gesagt, dass ich’s kann.

Mit seinen bis zu den Knien hochgezogenen Strümpfen, dem am Körper schlackernden Trikot und seinem Stirnband wirkt Terry mitunter wie eine lebende Ausgabe des Comic-Trottels Sport-Goofy, und seine Blackouts in der Defensive sind ebenso legendär wie seine spielentscheidenden Aktionen. Im zweiten Spiel der Serie ließ er seinen Gegenspieler Mario Chalmers 24 Sekunden vor dem Ende mutterseelenalleine an der Dreipunktelinie stehen und machte damit Nowitzkis vorentscheidenden Dreier umgehend wieder zunichte. „Ich will gar nicht sagen, was er mir danach an den Kopf geworfen hat. Viele Schimpfwörter“, sagte Terry.

Nowitzki und Terry, das ungleiche Bruderpaar

Dirk Nowitzki und Jason Terry verbindet eine Beziehung wie zwischen zwei ungleichen Brüdern. Auf der einen Seite der stets ernste, fokussierte Deutsche, auf der anderen der Instinkt-Basketballer, dessen Handlungen zwischen Genie und Wahnsinn pendeln. Nichtsdestotrotz ist es eine enge Beziehung. Nowitzki weiß, dass er Terry braucht, auch wenn ihm das Geplapper auf die Nerven geht. „Er verpasst mir manchmal einen Maulkorb“, sagt Terry. „Er mag es nicht, wenn ich zu viel mit euch rede, weil ich unsere Strategie verrate.“

Doch wenn Terry in den entscheidenden Phasen so aufspielt wie zuletzt, ist er eine riesen Erleichterung für den von den Heat stets gedoppelten Superstar Nowitzki. „Jet war phänomenal“, sagte Nowitzki nach Terrys Gala im fünften Spiel. „Er war von Beginn an aggressiv. Das ist der Jet, den wir brauchen. Er muss angreifen. Das eröffnet auch allen anderen viele Chancen.“ Exemplarisch die Aktion vor Jason Kidds Drei-Punkte-Wurf zum 105:100, als Terry unwiderstehlich zum Korb zog und im letzten Moment den offenen Mitspieler bediente.

In solchen Fällen verzeiht ihm Nowitzki den ewigen „trash talk“. Nach dem dritten Spiel hatte Terry in typischer Selbstgewissheit verkündet, wenn beide Teams über 100 Punkte erzielen würden, könnten die Heat keinesfalls gewinnen. Das 112:103 am Donnerstag bestätigte ihn, was Terry genüsslich auskostete. „Wir alle wissen, dass Jet ein zuversichtlicher junger Mann ist“, sagte Nowitzki nach Spiel fünf mit feiner Ironie. „Er hat uns in der Kabine immer sehr viel zu sagen. Er redet sehr gerne und er hört sich gerne reden.“ Und dann lächelte der große Bruder.

Gemeinsame Agenda 2006

Nowitzki und Terry verbindet die gemeinsame Agenda. Es ist die Agenda 2006. Revanche zu nehmen für die 2:4-Finalniederlage gegen die Miami Heat, ist der Antrieb der ungleichen Brüder im Geiste. Im sechsten Spiel traf Terry damals nur neun von 36 Würfen, auch Nowitzki konnte in den Endspielen nicht so dominieren wie zuvor. In ihren Wegen mögen sich der wortkarge Deutsche und die Plaudertasche aus Seattle stark unterscheiden. Willenskraft und Überzeugung jedoch, dass es in diesem Jahr wirklich klappen kann mit dem ersehnten Ring, sind bei beiden gleich stark ausgeprägt. „Wir sind überzeugt, jetzt sind wir dran“, sagt Terry, der sich vor der Saison den NBA-Pokal auf den rechten Bizeps stechen ließ.

„Alle haben gelacht und dachten damals, das wäre ein Witz. Als sie dann sahen, dass ich es mir wirklich machen ließ, sagten sie auf einmal: ‚Der Junge meint’s ernst!'“ Und auch die Miami Heat haben spätestens jetzt gemerkt, dass es dem Hallodri aus Seattle wirklich ernst ist mit dem Titel. Mit erhobenem Zeigefinger verabschiedete sich Terry am späten Donnerstagabend von den jubelnden Fans. Noch ein Sieg, sollte das heißen. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, was es für uns bedeutet, zu diesem Spiel sechs aufzulaufen und den Job zu beenden“, sagte er. „Das ist groß. Historisch.“