Union Berlin: Wir gegen alle

– Der Köpenicker Klub antwortet auf die Vorwürfe gegen Präsident Zingler mit einem Gegenangriff

Berlin (dapd). Ihren Trotz haben sie sich kultiviert in Berlin-Köpenick. „Scheißegal, scheißegal“, sangen die Fans des 1. FC Union voller Inbrunst nach der herben 0:4-Niederlage am zweiten Spieltag der 2. Liga gegen Greuther Fürth. Union und seine Fans, das ist eine ganz besonders verschworene Gemeinschaft.

Wir gegen alle anderen: Seit den Zeiten, als die Unioner sich über die Ablehnung gegen den „Stasi-Klub“ BFC Dynamo definierten, sehen sie sich jenem „ungleichen Kampf“ verschrieben, der im pathetischen Intro zu Nina Hagens Vereinshymne thematisiert wird.

Seit nun die „Berliner Zeitung“ am vergangenen Dienstag veröffentlicht hat, dass Union-Präsident Dirk Zingler bei einem dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellten Wachregiment seinen Wehrdienst abgeleistet hat, zieht sich der Verein in die Verteidigungsstellung zurück – und hat in Person von Pressesprecher Christian Arbeit vor dem Heimspiel am Samstag den verantwortlichen Journalisten auch persönlich kritisiert.

Die Union-Familie ist ganz bei sich

Arbeit, Presse- und Stadionsprecher in Personalunion, lief mit dem Mikrofon über den Rasen und holte vor 15.000 Anwesenden gegen den in der Bundesrepublik geborenen Autor des Enthüllungsartikels aus: „Ich glaube, dass wir uns die Dinge nicht erklären lassen müssen von Leuten, die damals gar nicht hier waren und dann irgendwann nach Berlin gekommen sind.“

Ein begeistertes, dreifaches „Eisern Union!“ schloss sich an – die Union-Familie war wieder ganz bei sich, vereint in der Skepsis gegenüber all jenen, die ohnehin die Seele dieses gallischen Dorfes unter den deutschen Profiklubs nie begreifen würden.

Arbeit hat damit das Thema erneut aufgegriffen und die Frontstellung zementiert: Hier Union. Da die Journalisten. Wir gegen euch. „Wir können ja nicht so tun, als wäre nichts passiert, wenn die ganze Woche über jede Zeitung in Berlin praktisch täglich über das Thema berichtet hat“, sagt Arbeit auf dapd-Nachfrage.

Ihn störe die „Interpretation“ von Zinglers Armeezeit. Genauer: „Dass die Wehrdienstableistung von Dirk Zingler im Wachregiment Feliks Dzierzynski quasi als Stasi-Tätigkeit bezeichnet wird, obwohl zum Beispiel die ‚Berliner Zeitung‘ bei einem eigenen Mitarbeiter mit juristischen Mitteln gegen genau diese Gleichsetzung vorgegangen ist.“ Dass der angesprochene Zusammenhang in dem Artikel gar nicht explizit hergestellt wird, ändert für ihn nichts: „Je weiter sie aus Berlin weggehen, in München oder anderswo, bleibt als Zitat in den Zeitungen dann nur noch ‚Zingler war Stasi-Mann‘ übrig“, sagt Arbeit.

Auch über die „Art und Weise des Umgangs“ empört sich Arbeit: „Der Autor des ersten Artikels zu diesem Thema wusste genau, dass Dirk Zingler gerade im Urlaub war, als der Beitrag veröffentlicht wurde.“

Zingler weilt noch im Urlaub

Der offizielle Standpunkt des 1. FC Union ist, dass Zingler bei seiner Wahl zum Präsidenten im Jahre 2004 den Aufsichtsrat über seinen Wehrdienst in Kenntnis gesetzt hat – und das Gremium diesen nicht als ehrenrührig empfunden hat. Zingler weilt noch im Urlaub und hat sich noch nicht erklärt.

Vielleicht haben sich bis zu seiner Rückkehr die Wogen etwas geglättet. Festzuhalten bleibt: Dass Union beim Schlagwort „Stasi“ empfindlich reagiert, mag in der Klubgeschichte begründet liegen. Dass aber der Pressesprecher eines Vereins im vollen Stadion einen kritischen Journalisten attackiert, ist eine zumindest ungewöhnliche Praxis. Die Spieler jedenfalls wollen sich nur aufs Sportliche konzentrieren. Auf die Frage, ob die Debatte die Leistung auf dem Feld beeinträchtige, sagte Patrick Kohlmann: „Ich hoffe nicht.“