Keeper in der Krise: Der Fall des Tobias Sippel

– Flüchten oder Kämpfen? Kaiserslauterns Torwart steht am Scheideweg

Berlin/Kaiserslautern (dapd). Tobias Sippel ist ganz schön gealtert seit März, rein äußerlich jedenfalls. Er hat sich die ehemals strähnigen Haare raspelkurz abgeschnitten und sich einen Stoppelbart wachsen lassen. Nun sieht Sippel, 23 Jahre alt, eher nach Ende als nach Anfang zwanzig aus. Vom offiziellen Spielerfoto der Saison 2011/12 blickt der Torwart des 1. FC Kaiserslautern einen unter grimmigen Brauen an, den Mund missmutig nach unten verzogen.

Tobias Sippel ist nicht glücklich derzeit. Dem jungen Mann droht schon jetzt eine Midlife-Crisis als Profi.

Rückblende: Anfang März war der langhaarige und glattrasierte Sippel noch Kaiserslauterns strahlender erster Torwart. Im Derby bei Eintracht Frankfurt bestritt er sein 98. Ligaspiel als Profi für den Verein, zu dem er damals als Zehnjähriger gekommen war. Dann bekam Sippel die Grippe, er verpasste zwei wichtige Spiele, die sein Klub beide gewann. Und fortan war Tobias Sippel ein Banktorwart.

Nicht mal mehr zweiter Keeper

Seit Anfang Juli ist Sippel zusätzlich ein Banktorwart, der es mit einer Alkohol-Fahrt auf die Seite eins der „Bild“ geschafft hat. Das hat ihm neun Monate Taxifahren und 36.000 Euro Geldstrafe durch die Staatsanwaltschaft eingebracht, sowie eine nicht näher bestimmte vereinsinterne Strafe.

Am vergangenen Wochenende wurde Sippel dann aus dem Kader der Pfälzer für das Pokalspiel in Berlin gestrichen, „aus disziplinarischen Gründen und für dieses eine Spiel“, wie Trainer Marco Kurz mitteilte. Tobias Sippel, im Mai 2010 im Kader der Nationalmannschaft, war plötzlich nicht mal mehr zweiter Keeper in Lautern.

Im Fußballdorf Kaiserslautern, wo jede Wand vier Ohren und acht Augen hat, wird seitdem eifrig über Sippels Nachtleben debattiert. Jeder will ihn woanders gesehen haben, meist natürlich ziemlich betrunken. Nur Gerüchte, heiße Luft, die in anonymen Internetforen verblasen wird. Dennoch war der Wind, der Sippel um die Nase weht, schon mal schwächer.

„Nicht unbedingt motivationsfördernd“

„Natürlich ist das nicht unbedingt motivationsfördernd“, sagt Sippels Berater Michael Becker zur Degradierung seines Schützlings für ein Spiel. „Aber ein Profi muss eben auch manchmal Sachen, die er nicht versteht, respektieren.“ Becker sagt, er wisse ebenfalls nicht, wofür Sippel genau bestraft worden sei: „Vielleicht wollte man ihm Zeit zum Nachdenken geben.“

Nachgedacht haben könnte Sippel unter anderem über die sich bietenden Alternativen: Lässt er sich als Nummer zwei hinter Kevin Trapp hängen? Dann droht im schlimmsten Fall der komplette Karriereknick. Oder hängt er sich rein, auch auf die Gefahr, dass er an Trapp nicht vorbeikommt und ein Jahr oder länger Frust schiebt?

Ein Wechsel oder eine Ausleihe zu einem anderen Klub, bis Ende August wäre dieser noch möglich, steht offenbar nicht zur Debatte. Er wisse von keinem Angebot, sagt Berater Becker: „Der Markt ist jetzt zu.“ Die Torwartpositionen in der Bundesliga sind verteilt.

Beckers Traumszenario hat sich zerschlagen

Becker ist dieser Tage nicht der glücklichste aller Berater. Nicht genug, dass alle wieder einmal auf seinem Kronjuwel Michael Ballack herumhacken, auch die Situation in Kaiserslautern ist für ihn aus Beratersicht ungünstig. Denn Kevin Trapp steht ebenfalls bei dem Rechtsanwalt mit Sitz in Luxemburg unter Vertrag. Einer seiner talentierten Tormänner wird also in jedem Fall auf der Bank sitzen und an Marktwert verlieren. Beide Keeper haben noch einen Vertrag bis 2013.

Beckers Traumszenario hat sich im Frühsommer zerschlagen. Trapp hätte für eine hübsche Millionensumme als Neuer-Nachfolger zu Schalke 04 wechseln sollen, Sippel wäre kampflos zur Nummer eins in Lautern aufgestiegen. Doch daraus wurde nichts. „Ich muss nicht jede Entscheidung von Stefan Kuntz verstehen“, sagt Becker knapp.

Nur ändern lässt sich erst einmal nichts, weder für Becker noch für Sippel. Seinem unglücklichen Torwart rät der Berater daher, ruhig zu bleiben: „Er soll die Situation akzeptieren, so was kommt vor.“

Eine Grippe, die alles verändern kann, hat man sich schließlich schnell mal eingefangen.