Die alten Dämonen

– Frankreich verfällt vor dem Duell mit Spanien in die schlechten Muster von einst

Donezk (dapd). Der Trainingstag des Franck Ribery dauerte nur wenige Minuten. Als einer der letzten kam er am Mittwoch mit Laufschuhen aus dem Mannschaftshotel, bereits bei den ersten Schritten verzog er das Gesicht. Als er sich zum Spielfeldrand geschleppt hatte, zuppelte sich der Angreifer des FC Bayern den linken Strumpf vom Fuß und streckte den Ärzten die gerötete Ferse hin. Die schickten ihn kurz darauf wieder zurück.

Freunde der Symbolik dürften an diesem Bild des Schmerzes Gefallen gefunden haben. Frankreichs Nationalteam steht im Viertelfinale der EM am Samstag in Donezk gegen Spanien, ja, aber Frankreich geht auch am Stock, irgendwie. Mit nur einem einzigen lasch-lustlosen Auftritt, dem 0:2 gegen Schweden, haben die französischen Fußballer die schöne Aufbruchsstimmung wieder hinfort gefegt. Und nun klopft vor dem wichtigsten Spiel der letzten Jahre die dunkle Vergangenheit an die Tür des französischen Quartiers. Am Donnerstag berichtete „L’Equipe“ groß von den Streitereien in der Kabine beim Spiel gegen Schweden. Titel des Artikels: „Nervenkrise“.

Nicht nur Samir Nasri und Alou Diarra sollen aneinandergeraten sein, sondern auch der frustrierte Rechtsaußen Hartem Ben Arfa und Trainer Laurent Blanc. Ben Arfa soll in der Hitze des Moments sogar seine Abreise vom Team angeboten haben. Blanc bestätigte, dass es in der Kabine „heiß“ gewesen sei, spielte den Vorfall aber herunter. „Das zeigt, dass es eine Reaktion gab – und ein bisschen Elektrizität.“ Mit einer „schönen Dusche“ habe man sich danach wieder abgekühlt, sagte Blanc und lächelte in die Runde. Kaum einer lächelte zurück.

Wenn auch die Vorfälle nicht im Ansatz die Brisanz des „Fiaskos von Knysna“ vor zwei Jahren in Südafrika haben (den auch „L’Equipe“ lostrat), so fürchtet sich Frankreich dennoch vor den „alten Dämonen“, wie es Florent Malouda ausdrückte. Allzu genau wollte er das dann vor den Medien lieber nicht ausführen. „Wir müssen reden und die Raketen wegschmeißen“, sagte er nur.

„Das ist nicht vergleichbar mit Knysna“, versuchte Assistenztrainer Alain Boghossian am Donnerstag die Wogen zu glätten. „Es gab ein paar Wortwechsel, aber das ist normal in einer Kabine. Das Gegenteil wäre unnormal.“ Er hoffe auf einen positiven Effekt der Auseinandersetzungen. Der wird auch nötig sein, wenn die Franzosen gegen den Ersten der Gruppe C am Samstag eine Chance haben wollen. Das spanische Uhrwerk wird nur mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung überhaupt aus dem Rhythmus zu bringen sein.

Malouda, der nach dem Spiel gegen Schweden noch wortlos durch die Mixed Zone gerauscht war, hatte am Tag darauf immerhin seine gute Laune wiedergefunden. Lächelnd gab er den Medien seine Antworten und fand sogar etwas Positives daran, dass die Serie von 23 Spielen ohne Niederlage nun vorbei ist: „Vielleicht war es besser, dass sie am Dienstag gerissen ist. Jetzt können wir gegen Spanien eine neue starten.“ Doch die Art und Weise der Niederlage erschreckte auch Malouda: „Alles das aufzugeben, was wir uns seit zwei Jahren erarbeitet haben, war schockierend.“

Frankreichs Equipe hat die Erwartungen wieder auf Null gestellt. Nun bleibt den Spielern vor dem Duell mit den derzeit größten Namen Europas wenig übrig als trotzige Ansagen: „Wir stehen im Viertelfinale. Wir haben nichts zu verlieren“, sagte etwa Laurent Koscielny, der für den gesperrten Philippe Mexes spielen wird.

Nicht alle haben den Glauben verloren. „Ich glaube wirklich, dass Frankreich die Spanier schlagen kann“, twitterte Patrick Vieira. Der Europameister von 2000 muss es wissen.

Schwindelnd schneller Brummkreisel

– Cristiano Ronaldo spielt gegen Holland groß auf und schießt Portugal ins Viertelfinale

Charkiw (dapd). Hollands Nationalspieler schauten etwas verdutzt, als der grüne Schnellzug hinter ihnen vorbeizischte. Einige von ihnen konnten gerade noch ihre Rollkoffer vor dem Umfallen bewahren. Selbst im Gitter-Parcours der Mixed Zone waren die Portugiesen einfach zu schnell unterwegs an diesem Abend. Cristiano Ronaldo kritzelte im Vorbeieilen einem Journalisten noch fix ein Autogramm auf den Zettel, sein Kumpel Nani hielt handgestoppte dreieinhalb Sekunden für ein Erinnerungsfoto – und weg waren sie.

Zuvor hatten die beiden Flinkfüße die Niederländer nach allen Regeln der Kunst überrannt. Ronaldo traf dabei zweimal, seine Elf siegte nach Rückstand noch 2:1 (1:1) und erreichte das EM-Viertelfinale. „Wir mussten unbedingt gewinnen, daher haben wir in der zweiten Hälfte sehr offensiv gespielt. Das hätten wir normalerweise natürlich nicht gemacht“, sagte Hollands Verteidiger Joris Mathijsen. Doch der Erklärungsansatz, das verzweifelte Oranje-Team sei schlicht ausgekontert worden, mündete in eine Sackgasse.

Die mutigen Portugiesen kombinierten sich nach dem unglücklichen Rückstand nach elf Minuten durch Rafael van der Vaarts Schlenzer einfach unbeirrt nach vorne, Ronaldo schien dabei jeden einzelnen seiner Kritiker persönlich an die Wand spielen zu wollen – sehr zur Unbill des bemitleidenswerten Rechtsverteidigers Gregory van der Wiel. Er musste sich bei den ganzen Übersteigern und sonstigen Finten, die auf ihn einsausten, fühlen wie ein rostiger Brummkreisel auf einem Amsterdamer Antiquitätenmarkt. „Zwei Tore, ein Pfostenschuss – Ronaldo hat heute seinen Wert gezeigt“, sagte der Stuttgarter Khalid Boulahrouz, der sich die wilde Hatz des „CR7“ bequem aus der ersten Reihe der Ersatzbank anschauen durfte.

Ronaldos Außenpfostentreffer nur fünf Minuten nach dem Führungstor der Niederländer diente als Symbol für das, was kommen sollte. „Wir haben immer den Glauben, dass es möglich ist, Spiele zu drehen“, sagte Portugals Trainer Paulo Bento. Und genau das tat Cristiano Ronaldo mit seinen ersten beiden Treffern bei diesem Turnier. Hinterher, bei der obligaten Pokalübergabe, beschränkte sich der „Man of the Match“ auf einige Standardfloskeln und dankte „der ganzen Mannschaft, ohne die das nicht möglich gewesen wäre“.

Bentos Elf hatte in der Tat als Mannschaft überzeugt und den Gegner nicht nur spielerisch, sondern auch kämpferisch klar dominiert. „Wir hatten eine Identität, bestimmte Ideen, und die Spieler haben das umgesetzt“, sagte der zufriedene Coach.

Auch sein Kollege war beeindruckt. „Ronaldo hat so viel Kritik nach dem letzten Spiel bekommen, und jetzt ist er zurück“, sagte Bert van Marwijk. „So schnell können sich die Dinge ändern.“ Im wichtigsten Spiel dieser Gruppenphase fand der zuvor Geschmähte zu seiner Führungsrolle – und das Team hielt ihm den Rücken frei. Hollands zwei Topstürmer, Robin van Persie und Klaas-Jan Huntelaar, die erstmals zusammen von Beginn an spielen durften, kamen dagegen inmitten von Einzelkämpfern nie ins Spiel.

Während die Vize-Weltmeister nach drei Niederlagen in den verfrühten Urlaub düsen, treffen die Portugiesen am Donnerstag in Warschau im Viertelfinale auf Tschechien – als Stammgast, denn zum fünften Mal in Folge nehmen sie an der Runde der letzten Acht teil. „Leicht wird das nicht“, sagte Bento: „Wir müssen genauso gut spielen wie heute, um das Halbfinale zu erreichen.“ Die Niederländer hätten ihrerseits einiges dafür gegeben, überhaupt nach vorne blicken zu dürfen.

Blau im Herzen

– Unter Roberto Di Matteo hat Chelsea tatsächlich die Champions League gewonnen – ob er bleibt, ist unklar

München (dapd). Roberto Di Matteo sieht eigentlich immer aus, als würde er lächeln. Das muss wohl an der Form seiner Mundwinkel liegen. Selbst nach Thomas Müllers vermeintlichem Siegtor für den FC Bayern sah Di Matteo nicht verdrossen aus. Vielleicht glaubte er ja immer noch dran. Wie dem auch sei: Viel später in dieser Samstagnacht, im Pressesaal der Münchner Arena, da strahlte der Interimstrainer des FC Chelsea über das ganze Gesicht.

„Es fühlt sich wirklich großartig an, das muss ich sagen“, sagte Di Matteo und schaute in die Runde. Der in der Schweiz aufgewachsene Italiener hat mit dem neuen Champions-League-Sieger FC Chelsea eine ungewöhnliche Reise hinter sich. Als er Anfang März den Job seines entlassenen Chefs Andre Villas-Boas übernahm, waren die Londoner in der Champions League so gut wie draußen – nach einem 1:3 beim SSC Neapel, das auch ein 0:5 oder 0:6 hätte sein können. Weil Ashley Cole aber auf der Linie klärte (für Di Matteo und auch Didier Drogba der Wendepunkt der Saison), gab es immerhin noch eine kleine Chance im Rückspiel. Chelsea gewann in einer dramatischen Begegnung 4:1 nach Verlängerung. Dann kam Barcelona, zwei Abwehrschlachten, die Chelsea irgendwie überstand, dann München. „Der Fußball und das Leben sind manchmal unvorhersehbar und verrückt. Kein Mensch hätte das vor drei Monaten vorhergesagt“, sagte Di Matteo.

Das Herz dieses Mannes ist blau. Sechs Jahre, von 1996 bis 2002, spielte er an der Stamford Bridge, gewann zweimal den FA-Cup und 1998 den Europapokal der Pokalsieger. Auch danach hörte Di Matteo nie auf, sich als Teil des Ganzen zu fühlen. „Vor vier Jahren haben wir eine sehr schmerzhafte Erfahrung gemacht“, erzählt er über das verlorene Champions-League-Finale von Moskau. Nur war er da gar nicht dabei, sondern saß zu Hause vor dem Fernseher, als Fan.

Vielleicht brauchte es einen wie ihn, um die alte Garde wiederzubeleben. Lampard, Terry und Drogba, denen man viel vorwerfen kann, aber nicht, dass sie sich nicht für das blaue Trikot zerreißen. Unter Di Matteo blühten sie noch einmal auf, spät und unverhofft, vielleicht weil der junge Coach sie anders als sein Vorgänger einfach machen ließ und spielen ließ, wann und wie sie wollten. „Das Herz und die Leidenschaft, die diese Spieler gerade in diesem Wettbewerb an den Tag gelegt haben, waren immens“, lobte Di Matteo artig – ebenso wie er Villas-Boas lobte, der „das Fundament gebaut“ habe. Aber natürlich war nach dessen Abgang alles anders.

Zum Beispiel die Taktik. Di Matteo ließ wieder einen Stil zu, der nicht schön war, aber den auf Ballbesitz orientierten Teams wie Barca und auch Bayern den letzten Nerv raubte. Teils zu zehnt im eigenen Strafraum, bei so gut wie jedem Schuss der Münchner mit einem Fuß oder anderem Körperteil dazwischen. Kritik an seiner Mauertaktik wischte er auch nach dem Endspiel in München vom Tisch: „Man muss immer versuchen, das Beste aus dem zu machen, was man hat.“ Das immerhin hat Roberto Di Matteo eindrucksvoll geschafft.

Wie es nun aber weitergeht mit dem lächelnden Coach, ist trotz des Titelgewinns völlig unklar. Er selbst will sich partout nicht äußern: „Was auch immer der Verein entscheidet, werde ich respektieren.“ Di Matteo weiß, dass es nur einen gibt, der darüber befinden kann: Roman Abramowitsch, Klubeigner, Geldgeber, Mr. Chelsea. Und was der nun vorhat, wird abzuwarten sein. Jetzt, da der Heilige Gral geborgen ist, am Ende einer der seltsamsten Reisen, die der Fußball seit langem gesehen hat.

Drei Schritte ins Glück

– In seinem wohl letzten Spiel verhilft Didier Drogba seiner Chelsea-Generation doch noch zum größten Titel

München (dapd). Drei Schritte nahm Didier Drogba Anlauf zum Glück, penibel genau abgezählt, wie immer. Drei entschlossene Schritte nach hinten, zwei minimale Tippelschritte zur Seite. Dann wurde Drogba ganz ruhig, ganz langsam hob er den Blick, während Manuel Neuer vor diesem entscheidenden Elfmeter auf der Linie auf und ab hüpfte, als sei er ein betrunkener Clown. Mit einem Ruck unterband Drogba diese Ablenkungen, lief an und schoss den Ball über das linke Standbein hinweg unhaltbar ins Netz – wie einen Trainingsschuss.

Didier Drogba, Stürmer des FC Chelsea seit acht Jahren, hatte in diesem Moment seine Mission erfüllt. In seinem möglicherweise letzten Spiel hatte er dem Klub aus London den ersten, so heiß ersehnten und lange verfolgten Champions-League-Sieg beschert. Und so einfach in Richtung China – wie spekuliert wird – wollen die Klubverantwortlichen den Stürmer, dessen Vertrag Ende dieses Monats ausläuft, nicht ziehen lassen. Chelseas Vorstandsvorsitzender Bruce Buck kündigte an, Vertragsgespräche mit Drogba „lieber früher als später“ aufzunehmen. Noch in der kommenden Woche, erklärte Buck weiter, werde man sich mit dem Berater von Drogba zusammensetzen.

Der Triumph im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern hat eine Milliarde Euro von Klubeigner Roman Abramowitsch gekostet – und die ganze Willenskraft von Didier Drogba. „Ich bin seit acht Jahren hier. Wir waren immer so dicht dran und doch so weit davon entfernt“, sagte Drogba weit nach Mitternacht vor den verbliebenen Journalisten. „Jetzt haben wir diesen Pokal. Er geht an die Stamford Bridge.“

Mit 34 Jahren hat Didier Drogba es doch noch geschafft – und mit ihm die alten Gefährten Frank Lampard und John Terry. „Frank, JT oder Carlo Cudicini – sie haben uns gezeigt, wie man ein Chelsea-Spieler wird“, sagte Drogba rückblickend. Dreimal hatte Drogbas Generation seit seiner Ankunft in London 2004 im Halbfinale gestanden, München war ihr zweites Finale. 2008 waren sie an einem Elfmeter des diesmal zum Zuschauen verdammten Terry gescheitert, diesmal scheiterten die Bayern.

„Moskau war eine sehr schwierige Erfahrung, aber heute haben wir es geschafft, sie zu verändern“, sagte Drogba. Wie schon in den Halbfinalspielen gegen den FC Barcelona war der einzige Stürmer in Chelseas Riegelsystem schier omnipräsent. Er musste es sein bei der bayrischen Dominanz. So klärte er zahlreiche der zahlreichen Bayern-Ecken am Fünfmeterraum, warf sich mit unzähmbarer Willenskraft in jedes noch so aussichtslose Luftduell. Selbst Thomas Müllers spätes Führungstor in der 83. Minute konnte Drogbas Mission nicht erschüttern. Fünf Minuten später wuchtete er acht Jahre enttäuschte Hoffnung in die Eckstoßflanke von Juan Mata – die erste und einzige des Spiels.

„Ich wollte, dass Chelsea lacht“, sagte Drogba hinterher schlicht, doch beinahe hätte er die Spieler und Fans in Blau zum Weinen gebracht. Weil aber Arjen Robben die Hauptrolle des Abends nach Drogbas übereifrigem Foul an Franck Ribery nicht übernehmen konnte, weil Petr Cech dessen Elfmeter hielt – daher liefen die Dinge weiterhin in die Richtung des Mannes mit der Nummer 11.

In den immer kürzer werdenden Pausen zwischen den Spielabschnitten lief der, statt sich massieren zu lassen, auf und ab, kaum behelligt von seinen Teamkollegen, sprach sich selbst sichtbar Mut zu, sah immer wieder ehrfurchtsvoll hinauf, am Dach der Arena vorbei in die Unendlichkeit.

Dann kam das Elfmeterschießen, in dem Olic und Schweinsteiger zu ihrem Unglück dafür sorgten, dass Drogba den Schlusspunkt setzen konnte. „Oh, mein Gott“, schien er noch zu sagen, bevor ihn seine Mitspieler umrissen und unter sich begruben.

„Ich war zuversichtlich, bevor ich ihn schoss“, sagte Drogba. „Aber ich hatte auch im Kopf, was beim Afrika-Cup passiert war.“ Drogba kennt die andere Seite, er hat zweimal dort gestanden, im Dunkel: Im Februar vergab er den Titel gegen Außenseiter Sambia vom Punkt, 2006 verschoss er seinen Elfmeter im Endspiel gegen Ägypten.

Nicht lange nach seinem wohl letzten erfolgreichen Torschuss für Chelsea schritt Didier Drogba also zu den Bayern in den Mittelkreis, er umarmte Schweinsteiger und Ribery, sprach ihnen etwas Trost zu. Am längsten hielt er Arjen Robben im Arm, den Untröstlichen, der bitterlich an seiner Schulter weinte.

Vorhang für den Intendanten

– Mit Pep Guardiola geht der Mann, der Barca zum Weltereignis machte

Berlin (dapd). Es ist, man darf das schon jetzt sagen, das Ende einer Zeitrechnung. Denn der FC Barcelona ohne Josep Guardiola wird weniger sein als ein Fußballverein ohne seinen Trainer. Guardiola, Kind der Barca-Akademie „La Masia“, Spieler unter Vereinsheld Johan Cruyff, hat als Coach, als Mentor dieses Teams, den stolzen Klub aus Katalonien in neue Sphären geführt.

Barca, wie alle dort sagen, wurde unter Guardiola womöglich zum ersten Mal überhaupt dem edlen Vereinsspruch vollends gerecht. Unter Leitung dieses Mannes wurden die Katalanen fürwahr „mehr als ein Klub“, sie wurden: ein Weltereignis.

Am Ende der Saison fällt also der Vorhang für den Intendanten dieser grandiosen Aufführung, die der Fußballwelt so viel Freude, Barcas Gegnern gleichzeitig so viel Verzweiflung gebracht hat. Sie dürften die einzigen sein, die sich über Guardiolas Entscheidung freuen. „Wir werden dem besten Trainer in der Geschichte dieses Klubs ewig dankbar sein“, sagte Barcelonas Präsident Sandro Rosell am Freitag. Es übernimmt der Assistent und engste Vertraute Tito Vilanova. Er wird Guardiolas Weg weiter beschreiten.

13 von möglichen 16 Titeln hat der 41-Jährige bis zum Ende des Kalenderjahres 2011 mit seiner Elf gewonnen. Eine unglaubliche Zahl. Die meisten Vereine schaffen das in hundert Jahren nicht. Aber auch eine mörderische Last, die Guardiola da auf sich geladen hat. Denn jede missglückte Titelverteidigung kommt da naturgemäß einer Krise gleich. In den vergangenen zwei Wochen gab es demnach gleich eine doppelte. Gegen den FC Chelsea vergab Barca die Chance auf den erneuten Champions-League-Gewinn. Dazwischen, im Clasico zu Hause gegen Real Madrid, pulverisierte sich das letzte Korn Hoffnung auf die Wiederholung der spanischen Meisterschaft.

Guardiolas Spielphilosophie, die auf maximalem Ballbesitz gründet, auf technischer Höchstfertigkeit, auf der Eliminierung des Zufalls, wurde vom letzten, nie zu zerstörenden Rest ebenjenes Zufalls zuletzt durchkreuzt. Latte und Pfosten verbündeten sich mit Chelsea und gegen das schöne Spiel.

In Vergessenheit gerät: Barcelona spielt erneut eine herausragende Saison, steht im spanischen Pokalfinale, wird in der Liga ziemlich sicher 100 oder mehr Tore schießen.

Hochmut ist als Ursache für die Misserfolge bei einem wie Guardiola kategorisch auszuschließen. Überheblichkeit bekämpft er im Keim. Deswegen passten Diven wie Zlatan Ibrahimovic auch nie in sein Konzept, in seinen Verein. Nach dem 4:0 gegen Klinsmanns Bayern vor drei Jahren mahnte er vor dem Rückspiel: „Ich war in Kaiserslautern.“ Dort hatte er als Spieler im Herbst 1991 unter Trainer Cruyff fast den Preis für die Unterschätzung des Gegners bezahlt. Nur durch Bakeros Last-Minute-Kopfball kam Barca glücklich weiter und gewann am Ende den Landesmeister-Cup, den ersten überhaupt. Als Trainer wiederholte er diesen Triumph noch zweimal.

Größte Angst hatte er immer vor der Demütigung eines Rauswurfs, wie er sein Idol Cruyff im Mai 1996 ereilte. Daher die ständigen Einjahresverträge. Die Kündigung, sie hätte Pep Guardiola in nächster Zeit ganz sicher nicht gedroht. Er kam ihr dennoch zuvor.

Mit Herz und Seele ins Endspiel

– Manchesters Klubs City und United spielen den Titel aus – das wichtigste Derby seit langem

Berlin/Manchester (dapd). Um zu begreifen, was dieses Spiel bedeutet, genügt eine Zahl: 1968. In diesem Jahr nämlich ging es bei einem Manchester-Derby letztmals für beide Klubs um die Meisterschaft. Damals gewann Manchester City 3:1 bei United und holte am Ende den Titel in England. Torschützenkönig wurde dafür United-Profi George Best. Der legendäre Best, Held des Rasens und der Trinkhallen, ist lange tot. Und Manchester City träumt seit 44 Jahren von der nächsten Meisterschaft.

„Es ist das bedeutsamste Derby seit Jahrzehnten“, sagt Uwe Rösler. „Die Spannung kann nicht übertroffen werden, in der Stadt und in England.“ Rösler, ehemaliger Bundesliga-Profi, der von 1994 bis 1998 als Stürmer bei City Kultstatus erworben hat, siedelt dieses Aufeinandertreffen selbst höher an als den spanischen Clasico. „Hier kämpfen zwei Mannschaften aus der gleichen Stadt drei Spiele vor Schluss um die Meisterschaft“, sagt er der dapd. „Das gibt es wohl sonst nirgends auf der Welt. Mehr geht nicht.“

Tatsächlich kommt die Begegnung, die am Montag (21.00 Uhr) im Etihad Stadium von City stattfindet, einem Endspiel um die englische Meisterschaft gleich. Nur zwei Spieltage verbleiben danach. Mit einem Sieg kann City den alten Rivalen aufgrund der besseren Tordifferenz überholen. Die lange gehegte Sehnsucht nach dem Titel wäre dann ganz kurz vor der Erfüllung.

Die Fieberkurve, die zu Röslers Zeiten Ende der Neunzigerjahre, als City erst in die zweite, dann in die dritte Liga abstieg und United die beste Mannschaft Europas war, so eklatant auseinandergeklafft war, nähert sich seit 2008 wieder rasant an. Damals übernahm die Abu Dhabi United Group City für 250 Millionen Euro – und holte für jede Menge Geld jede Menge schillernde Stars wie Sergio Aguero, Carlos Tevez und Mario Balotelli. Der FA-Cup-Sieg im vergangenen Jahr war erster Lohn für die horrenden Ausgaben.

In dieser Saison schien zunächst City der Meisterschaft sicher entgegenzusteuern, 6:1 gewann das Team von Roberto Mancini im Oktober das Hinspiel im Old Trafford. Das Geld der Scheichs schoss viele Tore. Dann kam United wieder groß auf, schien schon so gut wie durch – und verschenkte in den letzten drei Spielen plötzlich fünf Punkte. „Nach unserer Niederlage gegen Arsenal war ich schon davon ausgegangen, dass alles vorbei ist“, sagte City-Verteidiger Pablo Zabaleta, der vor seinem 150. Einsatz für seinen Klub steht.

„Wir haben City die Initiative übergeben, keine Frage“, erklärte Alex Ferguson vor seinem 45. Manchester-Derby als Coach von United. Die Partie sei nun ein „Entscheidungsspiel um den Titel“. Sein Kollege Roberto Mancini, der Balotelli wohl fürs Derby begnadigen wird, wiegelte dagegen ab. Für die Fans sei es vielleicht das Match des Jahres. „Aber für uns ist es nur ein weiteres Spiel. Und danach kommen noch zwei weitere, harte Partien.“

Konter Ferguson: „Roberto will den Druck von seinen Spielern nehmen. Das wird uns nicht beeinflussen.“ Auf Unentschieden wolle man jedenfalls nicht spielen. Schon alleine um die Schmach des Hinspiels wiedergutzumachen, der schlimmsten Niederlage von Fergusons 26-jähriger Amtszeit. Derby-Niederlagen taten dem ehrgeizigen Schotten immer schon besonders weh. In seiner Frühzeit als United-Coach kam er 1989 mit 1:5 bei City unter die Räder. Zuhause marschierte er direkt ins Bett. Seiner Frau, so erzählte er, konnte er vor Schock und Schmerz kaum erklären, was passiert war.

Michael Owens Treffer zum 4:3 in der Nachspielzeit 2009, Wayne Rooneys Fallrückzieher im vergangenen Jahr – auch diesmal wird das Manchester-Derby wieder seine Geschichten erzählen. Alles hat sich schließlich nicht geändert mit der Ankunft der reichen Herren aus der Wüste. „Manchester City ist Manchester City. Es ist ein Verein der arbeitenden Bevölkerung“, sagt Uwe Rösler. Der Verein sei zwar nun zum Global Player aufgestiegen. „Aber ‚heart and soul‘, die Stadt, die Fans, das ist alles geblieben.“

Der Mann, der Barcelona erfand

– Johan Cruyff zum 65. Geburtstag

Berlin (dapd). Wenn ein Fußballspieler in einem -ismus verewigt wird, dann muss er mehr sein als ein Fußballspieler. In Katalonien haben sie lange schon den „cruyffismo“ ausgerufen, an seiner Spitze der Namensgeber Johan Cruyff, König. Keinem Staat steht er vor, sondern vielmehr einer revolutionären Philosophie für das schöne Spiel, einer Geisteshaltung, die den FC Barcelona seit Cruyffs Ankunft vor knapp vier Jahrzehnten in aller Welt bekannt gemacht hat. Ihr Begründer wird am Mittwoch 65 Jahre alt.

„Mach den Ball zu deinem Freund. Die Leute sollen mit einem Lächeln nach Hause gehen.“ In diesen cruyffschen Grundsätzen steckt der Kern seines Systems.

Johan Cruyff, eigentlich: Johan Cruijff, wächst mit Ajax Amsterdam auf. Sein Bruder arbeitet auf dem Vereinsgelände, mit 17 debütiert Johan in der Profi-Auswahl. Als Mittzwanziger hat er bereits alles erreicht, was mit einem Vereinsteam möglich ist. Er hat Ajax dreimal zum Europapokal der Landesmeister geführt. Ganz oben ist er nun, der blasse Junge aus dem Betondorf, so heißt die Siedlung, in der er aufgewachsen ist. Beton! Aber an ihm, diesem schmächtigen Knaben, der erst in der B-Jugend überhaupt eine Ecke bis vors Tor schlagen kann, ist nichts Beton. Er windet sich durch die Gegner wie ein Schlangenmensch, mit beiden Füßen stellt er Unglaubliches an. Cruyff regiert das Spiel wie kein zweiter Europäer, 2000 wird er zum „Jahrhundertfußballer“ gekürt, vor Beckenbauer, dem Weltmeister.

Auf dem Gipfel seines Erfolges, 1973, verlässt Cruyff seine Heimat. Er wechselt zum FC Barcelona. Es locken: Sein Mentor Rinus Michels, der große Ruhm und das ganz große Geld. Für Barca der Glücksgriff der Vereinsgeschichte. Erzrivale Real Madrid hat im gleichen Sommer Günter Netzer verpflichtet. Cruyff wird ihn in den Schatten stellen.

Die Katalanen macht sich König Johan Untertan, er, der königliche Spielmacher, im Februar 1974. Mit 5:0 schlägt Cruyff mit Barca den Erzrivalen Real Madrid in dessen eigenem Stadion. Er macht seinen Trainer Michels, der den „totalen Fußball“ entwickelt hat, stolz: Der Mann mit der 9 ist der totale Fußballer an diesem Abend, wie an vielen Abenden. Er macht einfach alles: dribbeln, passen, rennen, grätschen. Er erkämpft sich die Bälle, treibt sie übers Feld. Und erzielt das 2:0 nach unmöglichem Dribbling.

Eine Demütigung, und ein Sieg des holländisch-katalanischen Freigeistes über die Franco-Diktatur, deren Aushängeschild Real ist. Der Franquismus stirbt 1977 mit dem Diktator, der Cruyffismus überlebt.

1992 schafft Cruyff als Trainer des FC Barcelona dann das, was ihm als Spieler in Katalonien versagt geblieben war: Er gewinnt den Landesmeister-Cup, den ersten für den Klub. Als Trainer krempelt er den Klub nach seinem Gusto um. In der Jugendschmiede „La Masia“ wird fortan alles der Technikschulung untergeordnet. Alle Teams spielen das Cruyffsche 4-3-3, das Ajax-System mit zwei dribbelstarken Außenstürmern. Technik, die Kraft besiegt. Fußball als Herrschaft über Ball und Gegner.

„Ohne Cruyff würde ich nicht auf diesem Stuhl sitzen“, sagt Pep Guardiola 2009 dem „Spiegel“. Ohne Cruyff ist der FC Barcelona des 21. Jahrhunderts schlicht nicht vorstellbar.

Nur Weltmeister wird Cruyff nie. 1974 spielt er mit den Holländern alle in Grund und Boden. Doch im Finale unterliegen sie den effizienten Deutschen. „Wir waren großartig. Wir vergaßen nur zu gewinnen“, sagte Cruyffs Mitstreiter Johnny Rep. 1978, als Holland erneut WM-Zweiter wird, ist Cruyff bereits zurückgetreten. Die Gründe liegen im Dunklen. Streitbar ist er bis heute geblieben, erst in diesem Frühjahr liefert er sich eine wochenlange Schlammschlacht im Aufsichtsrat von Ajax, weil er die Neueinstellung von Louis van Gaal verhindern will.

Das Kettenrauchen schließlich, die 80 filterlosen Camel täglich, die ihm kein Trainer je austreiben konnte, gibt er erst Anfang der Neunziger nach einem Herzinfarkt auf. Aber was wäre Johan Cruyff für ein unvollkommenes Genie gewesen, ohne diese Widersprüche?

Klug und leidenschaftlich zum Sieg

– Real Madrid gewinnt einen fairen Clasico auf hohem Niveau gegen Barca – Khedira und Özil mit Glanz

Berlin/Barcelona (dapd). Eine Viertelstunde war vergangen nach dem Schlusspfiff, da hatte sich der Camp Nou bereits fast vollständig geleert. Auf den oberen Rängen tauchte das Motto des FC Barcelona auf, in bunten Plastikschalen gesetzt. „Més que un club“, mehr als ein bloßer Sportverein wollen die Katalanen sein. Am Samstag aber wurde das Überteam Europas von Real Madrid bei deren 2:1-Sieg zu genau dem degradiert: einer fehlbaren Mannschaft mit menschlichem Antlitz.

Das 0:1 im Halbfinal-Hinspiel der Champions League am vergangenen Mittwoch bei der Betriebssportgemeinschaft Betonverarbeitung aus Chelsea war noch einer schreienden Ungerechtigkeit gleichgekommen. Nach dem Liga-Clasico stand dagegen die Erkenntnis, dass die Mannschaft von Jose Mourinho, am Mittwoch Champions-League-Gegner des FC Bayern München, sich ihren Erfolg weder ermauert noch ergaunert hatte. Sie hatte stattdessen mit mutiger Spielweise in der Anfangsphase das erste Tor erzwungen (Sami Khediras zweiter Saisontreffer), dann klug und leidenschaftlich gegen den Ball gearbeitet – und nach dem Ausgleich umgehend mit einem wunderschönen Spielzug über Mesut Özil und Cristiano Ronaldo nachgelegt.

„Ich habe ein historisches Tor erzielt, aber was zählt, ist der Sieg“, sagte Khedira. Er hatte an einem taktisch hochklassigen, einem spannenden, großen Clasico mitgewirkt. Weder begleiteten dieses bereits sechste Aufeinandertreffen der beiden Erzrivalen in dieser Saison hässliche Fouls noch Schubsereien am Seitenrand oder dunkle Andeutungen nach Spielschluss. Zwei außergewöhnliche Mannschaften spielten die Angelegenheit fair auf dem Rasen aus.

„Wir haben ein gutes Spiel gegen eine starke Mannschaft gemacht“, bilanzierte Barcas Trainer Pep Guardiola, der mit dem mutigen Austausch von Xavi gegen den Torschützen Alexis Sanchez zwischenzeitlich den goldrichtigen Impuls gesetzt zu haben schien. Hinterher wollte der Trainer seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen: „Wir können nicht erwarten, immer auf höchstem Niveau zu sein, aber es ist schade, dass wir es im entscheidenden Moment nicht waren.“ Die Meisterschaft gab er bei sieben Punkten Rückstand und vier noch ausstehenden Spielen offiziell verloren.

Fehlte seinen Spielern nach dem unbelohnten Sturmlauf gegen die Mauer von London am Mittwoch unter Umständen auch die nötige Kraft und Frische, das bereits 58. Saisonspiel erfolgreich zu gestalten? Zwei Niederlagen hintereinander, eine für die eigenen Ansprüche solch dramatische Nachlässigkeit leistete man sich zuletzt zu Beginn der ersten Saison unter Guardiola, Ende August 2008, allerdings in weit weniger bedeutenden Partien.

Zeit für die Massage gebeutelter Seelen bleibt nicht. Bereits am Dienstag kommt Chelsea ins Camp Nou. Guardiola gab sich kämpferisch: „Ich habe das Gefühl, dass meine Spieler wieder aufstehen werden. Sie wissen, wie wichtig es ist.“ Erneut einen Tag mehr zur Auffrischung hat Real, das erst am Mittwoch den FC Bayern empfängt. Sami Khedira freut sich schon darauf: „Das wird ein weiteres Finale.“

Effizienz im Londoner Regen

– Didier Drogba und der FC Chelsea hebeln das System Barcelona aus

Berlin/London (dapd). Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Die vielen strahlenden Gesichter, herzlichen Umarmungen und in die Luft gereckten Jubelfäuste am späten Mittwoch an der Londoner Stamford Bridge waren nur allzu verständlich. Denn: Der FC Chelsea hat den FC Barcelona in der Champions League geschlagen. Das hat, auch wenn es nur das Halbfinal-Hinspiel war, für sich genommen fast historischen Wert. Der FC Barcelona verliert nämlich wirklich nicht allzu häufig. Es war dies im 57. Pflichtspiel der Saison die erst dritte Niederlage für die Mannschaft von Pep Guardiola, die eine schier beängstigende Aura der Effizienz umschwebt.

13 von 16 möglichen Titeln haben sich die katalanischen Nimmersatts zuletzt einverleibt. Doch weil an diesem wunderbar verregneten Fußballabend der FC Chelsea eine ganz andere Art von Effizienz zur Schau stellte und in Person von Didier Drogba aus der einzig wahren Chance einen 1:0-Sieg formte, ist nun die Titelverteidigung in Europa für Barca zumindest ein bisschen in Gefahr.

Torwart Petr Cech konnte die Zutaten der kleinen Sensation fix benennen: „mentale Stärke, etwas Glück – und auch ein paar Paraden des Torhüters.“ Wobei er die wichtigste Ingredienz völlig unterschlug: Einen Stürmer vom Format Drogba. Der bullige Angreifer füllte im 9-0-1-System von Roberto Di Matteo die Rolle des Alleinunterhalters im Angriff in Perfektion aus, ruderte zu Dutzenden Kopfbällen hoch in den Regenschleier, wetzte allen langen Bällen hinterher, und hatte er den Ball einmal am Fuß, war er meist nur mit dem Mittel zu stoppen, das Guardiola seinen Spieler eigentlich verboten hat: Dem Foul. Bei allen Gelegenheiten verschleppte Drogba zudem das mörderische Barca-Tempo, wie ein in die Jahre gekommener Boxer, der immer wieder klammert.

„Drogba war vorne ganz alleine, wir haben alle großartig gearbeitet“, sagte John Terry. „Wir wussten, dass wir unsere Chance bekommen würden, und Didier war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagte Di Matteo. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte schob der Mann von der Elfenbeinküste den einzigen nennenswerten Gegenstoß der Londoner eiskalt ein.

Barcelona auf der anderen Seite scheiterte trotz guter bis sehr guter Möglichkeiten am Grundkonzept des Fußballs, dem Toreschießen. Wie schon im Hinspiel beim AC Mailand wollte der ersehnte Auswärtstreffer nicht fallen, auch nicht in der dritten Minute der Nachspielzeit, als Pedros Flachschuss nur den Pfosten küsste. Betrachter mit Sinn für geschichtliche Quervergleiche argumentierten alsbald, dies sei die ausgleichende Gerechtigkeit für den späten und äußerst glücklichen Ausgleichstreffer durch Andres Iniesta an gleicher Stelle vor drei Jahren gewesen. Wegen dieses Treffers war der FC Chelsea damals im Halbfinale gescheitert.

Diesmal musste Guardiola dem FC Chelsea gratulieren, zum Teilerfolg. „Wir hatten mehr Ballbesitz, aber das bedeutet nichts, damit gewinnst du keine Spiele. Sie waren uns heute in der Luft überlegen und waren physisch stärker.“ Manchmal reichen für einen Sieg also: 28 Prozent Ballbesitz, ein Torschuss und 100 Prozent britischer Kampfgeist.

Die Arithmetik fürs Rückspiel im Camp Nou fiel den Beteiligten nicht ganz so leicht. „Fifty-fifty“, wog Cech die Chancen ab, korrigierte diese Prognose nach wenigen Sekunden aber auf „60:40 für Barcelona, weil sie zu Hause spielen“. Dort haben die Mannen von Guardiola in den vergangenen beiden Champions-League-Spielen immerhin zehn Tore zustande gebracht. Chelsea braucht also kommenden Dienstag gleich das nächste mittelgroße Fußballwunder für die Endspielteilnahme.

Mehr David gegen Goliath geht nicht

– APOEL Nikosia empfängt Real Madrid im Champions-League-Viertelfinale

Berlin/Nikosia (dapd). Der Tüchtige wird manchmal nicht mit Glück belohnt. Alle, nur bitte nicht Barcelona oder Real, hatte Gustavo Manduca noch gesagt an diesem freudetrunkenen Achtelfinal-Abend vor drei Wochen, „die will doch keiner.“ Aber jetzt muss APOEL Nikosia da eben durch. Real Madrid kommt nach Zypern, am Dienstag (20.45 Uhr) steigt im GSP-Stadion in der Hauptstadt der Mittelmeerinsel das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League.

Das ist, unterm Strich, ja dann doch eine ziemlich feine Sache.

„Das ist der Gipfel der Klubgeschichte“, präzisiert der Vereinssprecher, der auf den klangvollen Namen Panikos Hatziliasis hört. Der Name seines Arbeitgebers war bis vor dieser Saison eher weniger klangvoll, ja, es war sogar ein klassischer No-Name.

Und jetzt Real. Mehr David gegen Goliath geht ja schon gar nicht mehr zu diesem Zeitpunkt, da Europas Spitze auf acht Teams zusammengeschmolzen ist. APOEL gegen Real, das ist: 15 Millionen gegen 500 Millionen Euro Marktwert. Oder auch: UEFA-Ranglistenplatz 62 (vor der Saison 125) gegen fünf. Und weil’s so schön ist: Nikosias Goalgetter Manduca wird vom Internetportal transfermarkt.de auf 1,1 Millionen Euro taxiert. Sein Pendant Cristiano Ronaldo holte Real einst für 94 Millionen.

Natürlich ist auch das Stadion von echtem Davidformat. Nicht mal 23.000 Menschen passen rein, in diesen Hexenkessel ohne Deckel. Aber, hätten sie seit Bekanntgabe der Auslosung fix das Bernabeu-Stadion mit all seinen 80.000 Schalensitzen dekonstruiert und auf Zypern wieder aufgebaut, sie hätten es auch vollgemacht.

Auch so wird wieder einiges los sein. Zyprer haben heißes Blut. Ein paar Mittelgroße haben das schon zu spüren bekommen, Zenit St. Petersburg (1:2), der FC Porto (auch 1:2) und zuletzt im Achtelfinale Olympique Lyon (3:4 nach Elfmeterschießen). „Wir sind ein kleiner Klub in Europa, aber wir haben ein großes Herz“, sagt der serbische Trainer Ivan Jovanovic. Seine Spieler wollen nun den ersten ganz dicken Brocken versetzen – ein paar Zentimeter, das würde ja schon reichen. Vielleicht ein Unentschieden, so wie es ZSKA Moskau unlängst geschafft hat. Die Russen haben in der Nachspielzeit noch das 1:1 erzielt gegen die zugegebenermaßen da schon etwas verträumten Königskinder aus Spanien.

Und was am Montag aus Madrid hervordrang, klang durchaus nach ein bisschen mehr als den üblichen Anstandsgesten. „Wir können da kein lockeres Spielchen hinlegen. Wir haben großen Respekt vor APOEL, weil sie eine gute Gruppenphase hingelegt haben“, sagte Sami Khedira. Auch der sonst so selbstbewusste Real-Coach Jose Mourinho geht davon aus, „dass uns diese Mannschaft vor eine harte Aufgabe stellen wird“.

Dabei hatten sich die Madrider am vergangenen Wochenende nach zuvor zwei Unentschieden mit einem standesgemäßen 5:1 gegen San Sebastian warmgeschossen. 95 Tore hat dieser fulminante Angriff alleine in der Liga erzielt, 35 davon Ronaldo. Noch Fragen? Lieber nicht. APOEL begnügte sich dagegen mit einem 0:0 im Stadtduell gegen Omonia. Kräfte sparen vor dem ungleichen Zweikampf.