Das Ballett der Bäuche

– Ein Besuch beim Altherren-Fußballturnier in der Schmeling-Halle

Es ist immer das Gleiche mit den Fußballern. Sie wollen einfach nicht altern. Klar ist das eine oder andere Bäuchlein zu entdecken, bei Guido Buchwald etwa oder Peter Wynhoff, aber die Bewegungsabläufe sind die selben. Vielleicht will man aber in den Ex-Profis, die unter dem Namen eines Stromanbieters und dem Motto „Fußball-Legenden live erleben“ am Samstag in der Max-Schmeling-Halle aufdribbelten, auch nur die Panini-Helden von einst wiedererkennen.

Und so mag Jörg „Ali“ Albertz zwar ein paar Falten mehr im Gesicht haben, er ist aber immer noch das gleiche rothaarige Kraftpaket, das in den Stadien zwischen Glasgow und Gladbach den Freistoßhammer auspackte.

Damit das Deja-vu perfekt wird, ist auch die Musik altbekannt und altbewährt. Vom Band singen Opus „Live is life“ und Altkanzler Gerhard Schröder fordert unaufhörlich eine Flasche Bier. Auch hier also: Das gleiche Lied.

Hertha und Union sind natürlich am Start, zugereist sind außerdem der spätere Turniersieger Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach, der VfB Stuttgart und Real Madrid. Eine hochkarätige Mannschaft aus dem Ausland dabei zu haben, die auch einen gepflegten Ball spielen könne, sei wichtig, sagt Bernd Schultz, der als Präsident des Berliner Fußball-Verbands offizieller Veranstalter ist. Bis 1997, als die goldene Zeit des Hallenfußballs mit der letzten Austragung des DFB-Hallenmasters endete, fand Jahr für Jahr auch das Turnier in der Deutschlandhalle statt. Dann wurde die Winterpause kürzer, und die Klubs hatten keine Zeit mehr für Qualifikationsturniere, in denen sie zwischen Oldenburg und Karlsruhe, Schwerin und Krefeld den wertvollen Punkten hinterherhetzten.

Nun, 16 Jahre später, stehen die gleichen Fußballer im Rampenlicht. Immer noch, immer wieder. In der zum dritten Mal nacheinander ausverkauften Halle. Und die Delegation des spanischen Rekordmeisters nimmt die Sache wirklich ernst, sie begeht vorab den Kunstrasen mit einer Akribie, als stünde die alles entscheidende Meisterschafts-Partie an. „Die Mischung aus Show und Sport findet Geschmack“, sagt Schultz. Und Dariusz Wosz, Prototyp der Zaubermaus, pflichtet bei. „Klar ist auch Ehrgeiz dabei“, sagt der heutige Bochumer A-Jugend-Coach, „aber nicht mit aller Macht. Ich hab’ ja keinen Bock, mich zu verletzen!“ Mit Wosz im Team: Ante Covic, Pal Dardai, die Schmidt-Brüder und der ewig bissige Andreas Neuendorf. „Zecke! Zecke!“, schreit der Hertha-Block.

Das Derby zwischen Hertha und Union gibt es gleich zweimal

Union-Keeper Oskar Kosche hat derweil andere Probleme: „Ich bin froh, wenn ich am Leben bleibe“, sagt er. Und lacht. „Die Devise heißt: Kontrollierter Einsatz. Aber blamieren will sich auch keiner.“ Genau das aber passiert ihm dann – ausgerechnet im Derby. Beim bitteren 4:8 in der Vorrunde muss Kosche in der ersten Hälfte gleich fünfmal den Ball aus dem Netz fischen. Wosz spielt ganz groß auf, schießt vier wunderschöne Tore. „Oh, wie ist das schön!“, singt der Hertha-Block und tanzt zur Atzenmusik. Allerdings revanchieren sich die Köpenicker später beim 3:2-Sieg im Spiel um Platz drei.

Nach schleppendem Beginn geht es endlich etwas höher her auf dem Kunstrasen, immer wieder knallt der Ball ins Netz oder ans Aluminium. „Mann, was für Scharfschützen“, urteilt Leverkusens Mike Rietpietsch, gespielt genervt, und Stefan Beinlich nickt. Bei Real Madrid gehört der prominenteste Name Michel Salgado. Die Haare sind noch so lang und blond wie eh und je, die Begrüßung von Gladbachs Oliver Neuville herzlich. Man kennt sich, aus dem Champions-League-Finale 2002.

„Legenden, das ist immer ein großes Wort, aber der Bedarf an hochqualifiziertem Hallenfußball ist auf jeden Fall vorhanden“, sagt BFV-Präsident Schultz. „Die Hallenatmosphäre, der Kontakt zu den Spielern“ seien beliebt bei den Leuten. Die Fans kommen ihren Lieblingen so nahe wie selten. Bernd Schneider, noch so eine Zaubermaus, schreibt lässig Autogramme, während ihm der Schweiß übers Gesicht rinnt und der obligate Brilli im Licht der Scheinwerfer funkelt wie wild.

Schon eine gute Stunde vor Beginn sind sie die Gleimstraße heruntergeströmt, Herthaner und Unioner. Letztere haben lange gute Laune. „Alte Försterei“-Rufe. Man fühlt sich wie zuhause. Es ist in erster Linie eine Berliner Veranstaltung, selbst Leverkusen hat ja in Stefan „Paule“ Beinlich und Carsten Ramelow zwei ehemalige Berliner mitgebracht. Beim erstmaligen Teilnehmer VfB Stuttgart ist neben Weltmeister „Diego“ Buchwald in Krassimir Balakow immerhin ein beziehungsweise zwei Schenkel des legendären magischen Dreiecks von einst gekommen. Fredi Bobic hat kurzfristig abgesagt, und Giovane Elber, nun, der ist mittlerweile Rinderzüchter in seiner Heimat Brasilien. (Tagesspiegel Sport)

Zu Gast in Schwabylon

– Beim Weckenbäcker gibt es alles – außer Zuzügler (Tagesspiegel)

Am Türknauf krallen sich zwei Löwen in einer Brezel fest. Neben dem Eingang prangt die Angebotstafel: „Neu! Chai Latte, 2,- EUR“. Prenzlbergiger geht nicht. Und schwäbischer auch nicht.

„Schwäbische Bäckerei“ steht schlicht über der hohen Fensterfront, Prenzlauer Allee Ecke Danziger Straße, Einflugschneise der Zugezogenen, nur ein paar Straßen liegen Helmholtz- und Kollwitzplatz, die pulsierenden Herzen des sagenumwobenen Schwabylon, auseinander. Kein Wunder, dass Wolfgang Thierse es hier kaum noch auszuhalten scheint. Jetzt haben sie schon ihre eigenen Backstuben.

„Hallo.“ Die junge Verkäuferin ist allein. Um sie herum: weiße Wände mit rosa Bordüren, gekachelter Boden, eine große gläserne Auslage mit marmoriertem Umlauf.

Darunter die Backwaren. Auf den Plastikschildchen: Nußschnecke (mit ß), Schweinohr (ohne e), Kameruner, Kirschplunder, Käsekuchen. Schwäbische Bäckerei? Gibt es denn hier auch was Schwäbisches? „Ja“, sagt die Bäckersfrau und zeigt auf ein kleines Brötchen. „Schwabenecke“ steht da. Eine Art Schrippe, sie sieht etwas verschrumpelt aus.

Badisches Brot weiß die Verkäuferin noch anzupreisen, „ist etwas würziger im Geschmack“. Ob sie selbst aus Schwaben kommt? „Nein, aus Lichtenberg.“ Und der Besitzer, ist der Schwabe? „Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er mehrere Sprachen spricht.“ Wer weiß, vielleicht ist ja auch Schwäbisch darunter. Darauf erst mal einen Chai Latte, bitte!

Die Filiale versprüht Tchibo-Charme. Kleine runde Tischchen mit roten Plastikdecken, Topfprimeln aus Plastik. Auf den Ablagen rote Servietten, ein Aufkleber mit zwei grinsenden Pfannkuchen: „Echt heiß… Wir haben in Biskin gebadet.“ So stellt man sich gemeinhin eine Bäckerei vor – eine gute, alte Berliner Bäckerei.

Draußen rauscht hektisch die Stadt vorbei, auf dem Rad, im Auto oder in der Tram. Hier drinnen: gähnende Leere. Wo sind die Kunden, die hungrigen Schwaben? „Normaler Andrang“, sagt die Bäckersfrau. Der Chai Latte ist schon halb leer, da kommt endlich einer. „Zehn Schrippen, bitte.“ Wie bitte? Entschuldigung, wo kommen Sie her? „Na, Berlin, sehense doch.“ Die Frage nach Wolfgang Thierse schneidet der Mann gleich ab. „Hören Sie mir auf mit die Politiker“, brummt er, der Berliner reinen Wassers, winkt ab und ist schon durch die Tür verschwunden.

Der Chai Latte ist leer. Wo sind die Kinderwagen-Muttis, die stark schwäbelnd ihre Weckle bestellen, wo die schnöseligen Stuttgarter, die den armen Hartz-IV-Berliner in die Randbezirke verdrängen? Da steht er plötzlich da: Daunenjacke, Röhrenjeans, Dreitagebart, das ist er, das muss er sein, der Pornohippieschwabe. Klassische Ausfertigung. Und bestellt auch gleich drei Schwabenecken. Kurze Zwischenfrage: Sie sind Schwabe, oder? Der Mann mit der Mütze lächelt. „Nein, aus Thüringen.“ Und die Schwabenecke? „Na, die könnte ja auch ‚Berliner Ecke‘ heißen, ich kauf die nur, weil sie schmeckt.“ Immerhin kennt der Mann ein paar Schwaben: „Jaja, aber keine, die in Berlin wohnen.“

Wir verlassen die „Schwäbische Bäckerei“. Mit der Hand am Messinglöwen ein letzter Gedanke: Der Berliner Schwabe ist, wenn es ihn hier in dieser Gegend gibt, einen Tag nach Neujahr wohl noch zu Hause bei Familie und alten Freunden, in Esslingen oder Obertürkheim, er sitzt allenfalls im ICE zurück in die Wahlheimat. Oder er kauft seine Weckle bei Kamps.

Der Tag, an dem der FC Bayern starb

– Rückblick: Finale dahoam (11FREUNDE.de)

Der Tag, an dem der FC Bayern starb, war traumhaft schön. Kaum ein Wölkchen trübte den tiefblauen Himmel über dem Englischen Garten, die Menschen saßen auf Bänken in der Sonne, sie redeten, und bisweilen sangen sie auch. Bierkrüge klirrten, die grünen Blätter der Bäume rauschten sanft im Wind. Weißbierwetter.

Nur der Flaschensammler störte kurz die Idylle, ein abgerissener Afrikaner mit Dreadlocks und kaputter Hose, einen riesigen Müllsack auf dem Buckel. »Drogba!«, murmelte er vor sich hin. »Yes, yes. Watch Drogba!« Wie bitte, was? »He’s dangerous! Yes, yes, he is!« Kaum einer nahm Notiz von dem Mann, nur hin und wieder drehte sich jemand um, mit einem müden Lächeln, mit dem man einem kleinen Kind begegnet, das gerade behauptet hat, es werde später Astronaut, ein Lächeln für Betrunkene und Geisteskranke.

Der Flaschensammler hatte sie offenkundig nicht mehr alle. Drogba? Chelsea? Nein, die Engländer waren in diesem superhappy Sommerfest nur geduldete Gäste, sie waren die bunten Wimpelchen am Zaun, die eifrigen Kellner, die den bierseligen Bayern den schäumenden Krug direkt an den Tisch servierten. Chelsea, der Treppenwitz dieses Endspiels. Im Viertelfinale schon draußen, im Halbfinale auf groteske Art siegreich gegen den großen FC Barcelona. Statt Messi, Iniesta und Xavi war also eine bessere Altherrentruppe nach München gereist. Perfekt, danke, läuft. Dachte ich, dachten alle.

München feierte rein in dieses Champions-League-Finale, ab mittags. Brezen, Sonne, mia san Bier. Und ich, der die Bayern nie gemocht hatte, tauchte ein in die allgemeine Glückseligkeit, bestellte mir eine Halbe, strich mir den Schaum aus dem Bart und freute mich auf das, was da kommen mochte. Nur auf dem Weg hinunter in die U-Bahn, Station »Universität«, kam er mir noch einmal in den Sinn, nur ganz kurz, der gemeine Satz: Was wäre wenn?

»My time is now«, stand da, auf der Werbetafel neben einer Abbildung von Didier Drogba.

Stunden später. Ecke für Chelsea. Die erste. Für Bayern hat Kroos schon gefühlt 20 reingebracht, ungefährlich allesamt, aber was soll’s? Es steht 1:0 für die Bayern, 1:0 für München, für die Party.

And now goal. Was David Luiz im Vorbeilaufen dem völlig fertigen Bastian Schweinsteiger steckte, war bei uns auf der Tribüne nur ein bitterböses Unken. Und dann: Goal. Kopfball. Drogba. So absurd und gleichzeitig so folgerichtig, dass mir in dem Moment nicht mal der Flaschensammler einfiel. Mir fiel, wie allen, in diesem Moment überhaupt nichts mehr ein. Außer Schweinsteiger. Der war schon in der 65., 70. Minute mit pumpendem Oberkörper an der Seitenlinie gewesen, hatte gierig getrunken, der Körper völlig kaputt, der Wille machte ihn funktionieren. Was macht Schweinsteiger? Er kämpft. Mit sich, gegen sich.

Dann Verlängerung. Dann Elfmeter. Drogba foult, Robben schießt. Schweinsteiger sieht nicht hin. Die falsche Seite der Arena jubelt. Schweinsteiger wird von seinem Torwart hochgerissen, er scheint lange zu brauchen, bis der Wille wieder stärker ist als der Körper. Ich beobachte jetzt nur noch ihn. Und Drogba. Ringkampf der verlorenen Seelen. Drogba stolziert in den Pausen auf und ab, vor sich hin murmelnd, wie ein Voodoopriester, wie in Trance. Und Schweinsteiger spielt eine grandiose zweite Verlängerungshälfte, dies hier ist sein größtes Spiel, zweifellos. Dann kommt das Elfmeterschießen. Und Schweinsteiger. Und Drogba. Und dann ist es vorbei, das Spiel, das Bastian Schweinsteiger dreimal verlieren und Didier Drogba dreimal gewinnen musste, ehe es endlich entschieden war.

Die Stimmung in der Stadt zu beschreiben, danach, ist unmöglich. Beerdigungen sind schöner. Später, schon weit nach Mitternacht, eine winzige, traurige Kneipe an der Schleißheimer Straße. Erbarmungswürdige Gesellschaft. Gramgebeugte Bayern-Trikots am Tresen. Trotz Musik und Geplauder: Totenstille. Und ich, der Bayern-Hasser, der sich 1999 noch gefreut hatte, dass die Bayern einen drauf bekommen hatten, wollte am liebsten hingehen und sie trösten und ihnen sagen: Es tut mir Leid, für heute – und für damals. Das habt ihr nicht verdient. Sowas hat keiner verdient.

Aber in Momenten wie diesem gibt es nichts zu sagen.

Ich zahlte mein Bier und ging langsam nach Hause.

Hurra, der ganze Park ist da!

– Dänemarks Sensationsmeister FC Nordsjaelland tritt gegen Champion FC Chelsea an

Berlin (dapd). Zum Glück zieht Dänemarks Meister, der FC Nordsjaelland, für seine Spiele in der Champions League in die Metropole um, in den Parken von Kopenhagen. Ein Trip ins Nördliche Seeland, in die Kommune Farum, wäre den edlen Stars des FC Chelsea wohl auch nicht zuzumuten gewesen. Was hätten sie sich am Vorabend des Spiels anschauen sollen? Die kleine Backsteinkirche aus dem 12. Jahrhundert? Und hinter dem 10.000-Besucher-Stadion, dem Farum Park, kommen ja nur noch zwei kleine Familienhaussiedlungen, und dann kommt schon das freie, grüne Land.

Es ist ein etwas groteskes Duell, das die UEFA für den Dienstag (20.45 Uhr) angesetzt hat, eine Partie wie aus den Urzeiten des Wettbewerbs, als sich Europas Große in den ersten Runden mit Champions der Winzligen herumschlagen mussten.

Hier: Der Sensationsmeister aus der Kleinstadt, 18.400 Einwohner, von denen jeder also noch locker einen Gast von außerhalb mitnehmen könnte, um das Ausweichstadion zu füllen. Dort: Der Champions-League-Sieger aus der Olympiastadt, unterwegs im stolzen Auftrag des Milliardärs Roman Abramowitsch.

Man hatte zuletzt geglaubt, dessen Spendierfreude habe sich beruhigt, doch der größte europäische Vereinstitel hat sie wohl eher noch einmal befeuert. 100 Millionen Euro hat Abramowitsch bekanntermaßen im Sommer in Umlauf gebracht, im Winter will er sich laut britischen Medienberichten noch einmal für 56 Millionen Euro den kolumbianischen Angreifer Radamel Falcao angeln.

Der dänische Meister hat sich, das nur zum Vergleich, auf zwei Transfers der genügsameren Kategorie beschränkt, und nicht mehr als 400.000 Euro in die Hand genommen. Man setzt auf Jugendarbeit, sogar Michael Laudrup schickte seinen Sohn Andreas nach der Akademie von Real Madrid auf die Jugendschule Nordsjaellands. Nun steht er im Profikader. „Wir kaufen keine Stars, aber wir tun unser Bestes, welche zu entwickeln“, sagt Sportdirektor Jan Laursen. Das gelingt immer öfter, mit allen üblichen Folgen: Nach der besten Saison der Vereinsgeschichte hat der erst seit 2003 unter diesem Namen spielende FC Nordsjaelland drei Spieler zum dänischen EM-Team entsandt, nur der 20 Jahre alte Verteidiger Jores Okore ist zurückgekehrt. Für Andreas Bjelland (Twente Enschede) und Tobias Mikkelsen (Greuther Fürth) haben sie immerhin gut drei Millionen Ablöse erhalten. Dazu die 20 Millionen für die Champions-League-Teilnahme, ein Quantensprung für den sich seit Jahren in kleinen Schritten entwickelnden Verein.

Nach dänischen Medienberichten überweist Klubbesitzer Allan K. Pedersen einigen Spieler im Nordsjaelland-Kader nur 5.500 Euro pro Monat, ein Betrag, für den sich Chelsea-Stürmer Fernando Torres, der überlieferte 250.000 Euro die Woche einstreicht, wohl nicht einmal einen halben Stutzen anziehen würde.

Nein, der Vergleich mit Chelsea ist keiner, den Nordsjaelland gewinnen kann – dass es ihn am Dienstagabend überhaupt gibt, ist der Erfolg. Trainer Kasper Hjulmand wird seine Spieler dennoch wieder ihr Spiel spielen lassen, dänisches „Tiki-Taka“ nennen sie das stolz, selbst beim 0:2 bei Schachtjor Donezk vor zwei Wochen hatten sie 56 Prozent Ballbesitz und fast 200 Pässe mehr zum Mann gebracht.

Wie es mit dem Überraschungsteam mittelfristig weitergeht, ist derweil unklar. Der boxernasige Pedersen steht ab Januar vor Gericht. Er verkaufte sich selbst vor vier Jahren 93,6 Prozent der Klub-Anteile zum „Freundschaftspreis“ von 67.000 Euro. Nur wenige Wochen später ging sein Unternehmen bankrott, das ihn nun verklagt. Verliert er, muss sich der FCN auch einen neuen Eigner suchen.

Doch das wird all die Jesper Hansens und Sören Christensens am Dienstagabend nicht so recht interessieren. Der FC Chelsea ist zu Gast – wenn auch nicht in der heimischen Kommune, dann immerhin an der Stätte guter Erfahrungen: der Pokalsiege 2010 und 2011.

„Der Gewinner wäre der Verlierer“

– Wladimir Klitschko über Ali, Messi und das Schwimmen

Berlin (dapd). Am 10. November verteidigt Wladimir Klitschko in Hamburg seine Schwergewichtstitel gegen Mariusz Wach aus Polen. Im Exklusiv-Interview mit dapd-Korrespondent Johannes Ehrmann erklärt der 36-jährige Boxer, warum er St.-Pauli-Fan ist, im Training am liebsten schwimmt und Ali für ihn der „Größte“ ist.

dapd: Wladimir Klitschko, Sie starten Anfang Oktober in die Vorbereitung auf Ihren WM-Kampf gegen Mariusz Wach am 10. November. Was ist die schlimmste Übung im Trainingslager?

Wladimir Klitschko: Schwimmen. Es ist noch anstrengender als Boxen. Ich schwimme zweimal die Woche, sehr schnell, Sprint, für die Kondition.

dapd: Welches Übung gefällt Ihnen am besten?

Klitschko: Auch Schwimmen. Es ist am schwierigsten und am schönsten, weil du versuchst, die Technik zu meistern, zu gleiten. Es geht nach Zeit, dazwischen kurze Pausen, eine Minute, wie im Kampf. Immer schneller zu werden, ist die Herausforderung, die ich mag. Und natürlich Sparring. Es macht Spaß, draufzuhauen (lacht). Es ist spannend, man läuft Gefahr, getroffen zu werden. Man hat viel Adrenalin, es ist wie ein kleiner Kampf.

dapd: Welche Schlagzeile werden wir am Tag nach Ihrem nächsten Kampf in der Zeitung lesen?

Klitschko: Ich bin kein Nostradamus, daher weiß ich das nicht genau. Mein Ziel: Den Kampf trotz der Größe meines Gegners (2,02 Meter, Anm. d. Red.) so klar zu dominieren, dass ich ihn am Ende ausknocken kann.

dapd: Viele sagen, das Schwergewicht sei zu langweilig. Sind die Klitschkos zu stark für das Schwergewicht oder ist das Schwergewicht zu schwach für die Klitschkos?

Klitschko: Das Dilemma wird sich auflösen, wenn wir zurückgetreten sind.

dapd: Mike Tyson sagte kürzlich, er hätte keine Chance gegen Muhammad Ali gehabt. Hätten Sie Ali in seiner besten Zeit geschlagen?

Klitschko: Auf keinen Fall. Ali ist eine Legende, eine Ikone. Ali ist ‚the greatest of all time‘. Ich verstehe Tysons Aussage, es ist genau die richtige, und ich respektiere ihn jetzt umso mehr. Ich kann mich nicht hinstellen und behaupten, ich hätte Joe Louis geschlagen oder Schmeling. Man muss die Champions mit Respekt behandeln und sie in ihrer Zeit lassen.

dapd: Was bewundern Sie besonders an Ali?

Klitschko: Dass er in den Zeiten gelebt hat, in der sich die Welt wahnsinnig verändert hat. Es ging um den Krieg in Vietnam, und er sagte ‚Nein‘, als ganz Amerika dafür war. Das war sehr provokant. Für alles, was er außerhalb des Rings gemacht hat, gegen Rassismus, für die Schwarzenbewegung. Man muss wirklich ‚cojones‘ haben, um das durchzuziehen.

dapd: Was müsste passieren, dass Sie doch noch mal gegen Ihren Bruder Witali in den Ring steigen?

Klitschko: Der Gewinner wäre der Verlierer. Und keiner von uns will das sein. Außerdem würde unsere Mutter das nicht überleben. Garantiert nicht.

dapd: Im Ring: lieber rote oder lieber blaue Ecke?

Klitschko: Eigentlich egal, aber die rote Ecke gehört dem Champion, also ist die Antwort klar.

dapd: K.o. in der ersten oder in der zwölften Runde?

Klitschko: Beides ist gut. Eddie Chambers habe ich in den letzten Sekunden in der Zwölften ausgeknockt. Und bei Witali gab es K.o. in der ersten Runde gegen Odlanier Solis in Köln. Beides ist spannend.

dapd: Milz- oder Leberhaken?

Klitschko: Der Leberhaken ist ganz schwer zu landen, aber wenn er klappt… (lächelt)

dapd: Nach der Karriere: Penthouse oder Bauernhof?

Klitschko: Jetzt Penthouse, danach mal sehen (überlegt). Man sagt, es zieht die Menschen im Alter aufs Land. Wichtig ist vor allem, dass man auf dem Land ist und nicht darunter und die Blumen hochdrückt… (lacht)

dapd: Wie wird der Titel Ihrer Autobiografie lauten?

Klitschko: „Klitschko“. Das reicht.

dapd: Boxen Sie noch mit 40 Jahren wie Ihr Bruder?

Klitschko: Ich habe einen Traum: Noch eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. Beim nächsten Mal bin ich 40, genau an der erlaubten Altersgrenze.

dapd: Boxen Sie noch mit 45 wie George Foreman?

Klitschko: Ich hoffe nicht. (Kurze Pause) Ich hoffe, ich muss nicht.

dapd: Fußball: HSV oder St. Pauli?

Klitschko: St. Pauli, definitiv. Egal ob sie gewinnen oder verlieren, sie freuen sich, dabei zu sein. Beim HSV sind alle jedes Mal bitter enttäuscht, wenn er verliert. St. Pauli ist ein Volksverein.

dapd: Dortmund oder Bayern?

Klitschko: Bayern.

dapd: Messi oder Ronaldo?

Klitschko: Messi. Weil er der Underdog ist, der sich hochgekämpft hat.

dapd: Wenn Sie spielen: Stürmer oder Libero?

Klitschko: Torwart. Er ist der wichtigste Mann auf dem Feld.

Der andere Champion

– Bayerns Gegner FC Valencia im Porträt

Berlin/Valencia (dapd). Halbhoch, halblinks – Mauricio Pellegrino wird am Mittwoch sicher wieder seinen Schuss von damals vor Augen haben. Den fünften Elfmeter des Argentiniers hielt Oliver Kahn im Finale der Champions League 2001 und machte den FC Bayern so zum Europapokalsieger.

Und jetzt muss Pellegrino mit dem FC Valencia wieder gegen die Deutschen ran. Die Zeiten haben sich geändert. Der baumlange Verteidiger von einst ist als Trainer an die Seitenlinie gewechselt. Sein Klub, der Endspiel-Verlierer 2000 und 2001, ist mittlerweile hoch verschuldet und muss Jahr um Jahr seine besten Spieler verhökern. Juan Mata, David Villa, David Silva, Raul Albiol – wegen der akuten Finanznot wechselten sie alle für mehrstellige Millionenbeträge zu den Großen und Reichen Europas.

Für Valencia, das wegen Finanznot und Wirtschaftskrise derzeit weder das neue Mestalla-Stadion fertigstellen noch das alte verkaufen kann, bleibt als Maximalziel in Spanien nur Platz drei hinter den Lichtjahre entfernten Teams von Barcelona und Real Madrid. Dreimal in Folge gewann Valencia unter Pellegrinos Vorgänger Unai Emery die „andere Liga“, wie sie in Spanien sagen – am Ende allerdings jeweils mit 20 bis 30 Punkten Rückstand auf die beiden Giganten.

Die Fans sehnen sich vergeblich nach Siegen gegen die Großen. Auch in der Bayern-Gruppe geht es nur um das Erreichen des zweiten Platzes. Dabei helfen soll Roberto Soldado, der vorige Woche Spanien vor einer Blamage in Georgien rettete. Auf den 27 Jahre alten Stürmer werden die Münchner Verteidiger achten müssen, ebenso auf den gefährlichen Distanzschützen Tino Costa und Frankreichs Nationalverteidiger Adil Rami bei Ecken und Standards. Mit Kapitän David Albelda und Fernando Gago fehlen jedoch zwei zentrale Spieler.

Dreimal trafen Bayern und Valencia in der Champions League bisher aufeinander, dreimal stand es nach 90 Minuten 1:1. Eine Fortsetzung der Serie am Mittwoch wäre für Pellegrino und seine Mannschaft sicher ein Erfolg – und ein Elfmeterschießen droht diesmal ja nicht.

Die Wiege des Wunderkinds

– Schalkes Gegner Olympiakos Piräus im Porträt

Berlin/Piräus (dapd). Marko Pantelic scheint im hohen Alter doch noch angekommen zu sein. Nach elf Klubwechseln binnen 13 Jahren geht der Ex-Herthaner bereits in seine dritte Saison bei Olympiakos Piräus. Und dass er es noch immer drauf hat, bewies der 34-Jährige im vergangenen Jahr: Da hat er in 18 Pflichtspieleinsätzen 16 Tore erzielt, ehe ein Knöchelbruch seine Saison bereits im Februar beendete.

Auf den Serben, der weder auf noch neben dem Platz einfach ist, werden die Schalker aufpassen müssen, falls er denn am Dienstag zum Einsatz kommt. Vielleicht übernimmt diese Aufgabe ja Kyriakos Papadopoulos, der Ende 2007, drei Monate vor seinem 16. Geburtstag, für den Verein aus der Athener Hafenvorstadt als Profi debütierte. Auf die Rückkehr des Wunderkindes, das sich seit dem Wechsel in den Ruhrpott explosionsartig entwickelt hat, sind sie alle extrem gespannt.

Das berüchtigte Karaiskakis-Stadion wird aber auch so brodeln, so wie es das immer tut, wenn die Rot-Weißen ein Heimspiel austragen. Deren Stärke daheim hat im Vorjahr Borussia Dortmund bei der 1:3-Niederlage in der Gruppenphase erleben dürfen.

Während die Offensive, die der argentinische Spielmacher Ariel Ibagaza auch mit 35 Jahren noch ansprechend anleitet, höheren Ansprüchen genügt, steht dies bei der neu formierten Abwehr noch nicht fest. Nach dem Abgang von Routinier Olof Mellberg und dem Kreuzbandriss von Nationalverteidiger Avraam Papadopoulos bei der EM könnte die Defensive eher die Schwachstelle sein.

Mit dem Erreichen der Gruppenphase und den damit einhergehenden garantierten Millionen-Einnahmen hat der schwer verschuldete Verein das alljährlich wichtigste Ziel bereits erreicht. Mit bis zu 200 Millionen Euro soll der 39-fache griechische Meister in der Kreide stehen, doch der schwerreiche Präsident Marinakis, der auch dem Ligaverband vorsitzt, regiert mit schützender Hand. Im Vorjahr schafften die Griechen als Dritte noch vor dem BVB immerhin das Überwintern in Europa – in Anbetracht der Gegner auch in diesem Jahr praktisch das Maximalziel.

Respekt am Grill und auf dem Platz

– Der Berliner Fußball-Verband müht sich um Integration – immer wieder kommt es zu Rassismus und Gewalt

Berlin (dapd). Die Frau im Kopftuch wird freudig begrüßt, kurz darauf brutzelt saftiger Sis Kebab neben goldenen Maiskolben auf dem Grill, dazu gibt es deutschen Kartoffelsalat. Und dann beginnt das Spiel, das die afrikanischen, türkischen oder deutschen Eltern der Nationalspieler vor dem Fernseher verfolgen. „Mas Integracion“, der Imagefilm des DFB war vier Jahre lang vor jedem Länderspiel zu sehen und ist sicher einer der meistgesehenen TV-Spots aller Zeiten.

Eine multikulturelle Nationalelf eines perfekt integrierten Landes – die Realität ist wie so oft ein bisschen weniger bunt und schön als der Film. So brach nach der EM eine krude Debatte über das Mitsingen der Hymne von Spielern mit Migrationshintergrund los.

In Berlin, wo am Donnerstag Bundeskanzlerin Merkel mit deutschen Fußballgrößen die Integrations-Initiative „Geh Deinen Weg“ vorstellt, sind rund 40 ethnische Fußballvereine angemeldet. Sie heißen BSV Hürtürkel, FK Srbija, SD Croatia oder SC Al-Quds. Im Liga-Alltag kommt es immer wieder zu Gewalt und Rassismus, von deutschen Vereinen gegen Migrantenklubs – oder von verfeindeten Ethnien gegeneinander. So wurden Anfang Juni ein Spieler und der Trainer von Hürtürkel nach antisemitischen Beleidigungen gegen den jüdischen Verein TuS Makkabi mit mehrmonatigen Sperren belegt, der Verein erhielt eine Geldstrafe und Punktabzug.

Alexander Sobotta leistete viereinhalb Jahre im Integrationsprogramm des Deutschen Fußball-Bund (DFB) Pionierarbeit, der 34-Jährige ist jetzt selbstständig im Bereich „Diversity Management“ tätig. Für seine Diplomarbeit besuchte er türkische Vereine in Berlin. Sein Fazit fiel „differenziert“ aus. Es gebe Klubs, die sich öffnen wollten und Sozialarbeit leisteten, sagt er, bei Türkiyemspor spielten Fußballer aus rund 20 Nationen. Aber es gebe auch Gegenbeispiele. „Gerade kleinere Vereine sind immer noch Anlaufstellen für Menschen aus der gleichen Herkunftsregion.“

Das bestätigt Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). Problematisch sei vor allem, die Vereinsvertreter dazu zu bewegen, für Ämter und Gremien zu kandidieren. „Oft konzentrieren sie sich sehr auf sich. Ich sage immer, ‚Leute, bringt euch ein‘, aber sie kapseln sich ab.“ Häufig käme ein Sprachproblem dazu, obwohl Spieler und Betreuer meist schon in der dritten Generation in Deutschland lebten. „Es vermischt sich aber erfreulicherweise mehr und mehr“, sagt der 54-Jährige der dapd.

Zwtl.: Ehrenamt unter Migranten rasant ansteigend

Das ehrenamtliche Engagement unter Migranten ist im Fußballbereich derweil rasant im Anstieg. Von 2007/08 bis 2009/10 wuchs ihr Anteil an der Gesamtzahl laut „Sportentwicklungsbericht“ des DOSB von 7,2 auf 13 Prozent – fast zehn Prozent mehr als im Gesamtsport. Zum Vergleich: 19 Prozent der DFB-Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. In Berlin sitzt der Deutsch-Türke Mehmet Matur als Integrationsbeauftragter im Verbandspräsidium. „Er kennt Gott und die Welt bei den Vereinen“, sagt Sobotta.

In der Vergangenheit war der BFV für schleppende Aufarbeitung von Gewalt- und Rassismusfällen kritisiert worden. Das harte Urteil gegen Hürtürkel in diesem Jahr soll auch Symbolwirkung entfalten. „Wir haben die Regeln erheblich verschärft. Wir erwarten Respekt voreinander auf den Plätzen“, sagt Präsident Schultz.

Dass es unter Migranten eine höhere Gewaltbereitschaft gebe, wie oft unterstellt wird, verneint er. „Wir haben das von der Uni Potsdam untersuchen lassen. Sie haben genau so viele Deutsche, die ausrasten, wie Personen mit Migrationshintergrund.“ Er betont jedoch auch, dass es sich bei Einwanderern der dritten Generation auch um Deutsche handele: „Das sind ja keine Leute aus Anatolien, sie sind hier geboren und aufgewachsen. Da hat die Gesellschaft etwas verpasst. Wir als Sport sind nicht der Reparaturbetrieb.“

Separate Ligen sind für Bernd Schultz keine Lösung. „Wir müssen in einer Weltstadt wie Berlin die vielen Kulturen und Nationen in den Vereinen unter ein Dach bekommen.“ Aber auch der Dachverband sei gefragt: „Es muss Aufgabe des DFB bleiben, sich dieser gesellschaftlichen Themen auch weiterhin anzunehmen.“ Multi-Kulti-Grillfeste sind im Berliner Verband übrigens bereits Realität, auch wenn sie bei Problempaarungen unter Umständen vom BFV verordnet werden – Integration auf Befehl sozusagen.

Die 100-Millionen-Euro-Generation

– Belgiens teure Toptalente um Witsel und Hazard müssen sich in der WM-Qualifikation beweisen

Berlin (dapd). Die Zeit, in der Preußen Münsters legendärer 100.000-Mark-Sturm den deutschen Fußball unsicher machte, liegt mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts müssen schon ein paar Nullen angehängt werden. 100-Millionen-Euro-Generation stünde daher als passender Beiname für Belgiens Fußball-Nationalelf im Jahre 2012 parat.

Denn der 23 Jahre alte Axel Witsel ist für 40 Millionen Euro gerade zu Zenit St. Petersburg transferiert worden; Eden Hazard, 21, ging für ebenfalls 40 Millionen im Juli zum FC Chelsea, wo seit einem Jahr schon Romelu Lukaku unter Vertrag steht, der 20 Millionen gekostet hat. 100 Millionen, ungeachtet allen Größenwahns im osterweiterten Fußball, eine beeindruckende Summe für die drei größten Talente eines kleinen Landes. Weitere 60 Millionen haben vor allem die englischen Klubs schon für Spieler wie Marouane Fellaini vom FC Everton, Moussa Dembele und Jan Vertonghen von Tottenham sowie Torwart Thibaut Courtois (von Chelsea derzeit an Atletico Madrid ausgeliehen) auf den Tisch gelegt. Neun Premier-League-Profis stehen in Wilmots‘ Kader – Rekord aller Teilnehmer vom Festland.

Die Tendenz weist zurück in die Zukunft: Zuletzt waren belgische Spieler in den goldenen 80er Jahren so begehrt, als Mannschaften um Eric Gerets, Jan Ceulemans und Jean-Marie Pfaff Vize-Europameister und WM-Vierter wurden. Belgiens Jungstars müssen da erst noch nachziehen, als erster Schritt steht die erste Qualifikation für eine Weltmeisterschaft seit 2002 auf dem Plan – unter dem neuen Nationaltrainer und Ex-Schalker Marc Wilmots, der seit Mitte Mai im Amt ist.

Die Chancen stehen vor dem ersten Spiel am Freitag in Wales nicht schlecht, die Gruppe A ist die wohl ausgeglichenste, Kroatien, Serbien, Mazedonien und Schottland lauten die weiteren Gegner. Es soll nun wieder klappen mit einem Weltturnier, wie stets zuvor zwischen 1982 und 2002. Mit einem 4:2 gegen die Niederlande haben sich die Belgier Mitte August schon warmgelaufen für diese Aufgabe.

Wilmots bremst die Euphorie. „Eine goldene Generation wird an Ergebnissen gemessen“, sagt er. Dass Medien Hazard, den teuersten Premier-League-Zugang des Sommers, schon zum „neuen Messi“ machen, weist der Eurofighter a. D. ebenfalls zurück: „So weit sind wir noch lange nicht. Messi ist Weltfußballer, hat die Champions League gewonnen. Eden muss diese Schritte erst noch machen.“

Doch immerhin hat Hazard bei Chelsea ohne Verzögerung groß aufgespielt, in seinen ersten drei Ligaspielen nicht weniger als sechs Tore vorbereitet. Stürmer Lukaku hat sich dagegen nach einem Jahr zum Vergessen erst einmal zu West Bromwich Albion ausleihen lassen. Dort erhält das Toptalent, das schon mit 16 als Profi debütierte, Spielpraxis, die auch dem Nationalteam zugutekommen könnte. Andere wie Fellaini vom FC Everton haben sich nach vier Jahren in England längst durchgesetzt. Courtois spielte als 19-Jähriger die komplette Saison als Keeper bei Europa-League-Sieger Atletico.

Die zehn Spiele auf dem Weg nach Brasilien werden zeigen, wie belastbar und auch wie teamfähig die Hochbegabten sind. „Wenn wir in Wales gewinnen, können wir das Kroatien-Spiel am Dienstag entspannter angehen“, sagt Ex-Nationalspieler Philippe Albert uefa.com. „Und wenn wir entspannt sind, dann sind wir Belgier immer sehr gut.“

Tiger im Vollmond

– Falcao schießt Atletico zum Supercup-Sieg und stiehlt Torres die Show

Monte Carlo (dapd). Viel war geredet worden vor dem UEFA-Supercup in Monaco, am meisten über den Spanier Fernando Torres, der als Stürmer des FC Chelsea gegen seinen Heimatverein Atletico Madrid antreten musste. Wie und ob er ein Tor bejubeln würde, wollten beispielsweise alle wissen, und was ihm dabei durch den Kopf gehen würde. Dabei hätte man auch auf die nächstliegende Geschichte kommen können: Radamel Falcao, Angreifer von Atletico, macht den Abend zu seiner Show.

Während Torres in 93 Minuten Bruttospielzeit nicht einen Schuss aufs Tor brachte, hatte Falcao, genannt ‚El Tigre‘, der Tiger, beim 4:1 (3:0)-Triumph des Europa-League-Siegers zur Halbzeit sein Beutesoll schon übererfüllt. Drei Tore erzielte er allein in der ersten Hälfte. Der kolumbianische Tiger hatte Chelseas verdatterte Abwehr mit seinen Teamkollegen schlichtweg überrannt, mit ebenso geschmeidigen wie kraftvollen Attacken. „Wir sind nie ins Spiel gekommen, das war das Enttäuschendste“, sagte der Coach der Londoner, Roberto Di Matteo. Sein Kollege Diego Simeone war im positiven Sinne „sprachlos“ angesichts der nächsten grandiosen Leistung des 26-jährigen Kolumbianers in einem Endspiel.

„Was Radamel macht, ist unbeschreiblich“, sagte Simeone. „Je höher man die Latte legt, desto höher kommt er. Aus all dem Druck bezieht er seine ganze Stärke.“ Di Matteo seufzte nur, als die obligatorische Frage nach Falcaos Leistung kam: „Ach, das wussten wir doch vorher. Wir haben davor gewarnt. Und dann macht er wieder solch ein Spiel.“

Nahe liegend war diese Story übrigens deshalb, weil Falcao eine Art südamerikanische Deluxe-Version von dem früheren Karlsruher Europapokal-Helden Edgar „Euro-Eddy“ Schmitt ist. Er ist Mr. Europacup, oder besser: Mr. Europacup-Endspiel. 2011 schoss er den FC Porto mit dem Rekord von 17 Toren zum Europa-League-Sieg, im Finale erzielte er das einzige Tor. In diesem Jahr dann Atleticos Triumph in Bukarest mit Falcaos Wettbewerbstoren elf und zwölf, von denen er das erste, einen wunderbaren Schlenzer, nun quasi als glänzende Kopie unter dem Vollmond von Monaco noch einmal vorlegte. Es war dennoch schwierig zu entscheiden, welches das schönste Tor des Abends war, denn Falcaos Führungstreffer war ein nicht weniger sehenswerter Lupfer an den Innenpfosten.

„Zum Glück haben wir am 31. gespielt und nicht am 25.“, sagte Simeone. Er meinte: Sonst hätte ihm doch noch jemand seinen besten Mann weggekauft vor Schluss der Transferperiode. An Interessenten hat es nicht gemangelt, auch aus England. „Atletico Madrid hat viel Aufwand betrieben, mich im Kader zu halten“, sagte Falcao. „Mal sehen, was in der Zukunft passiert, aber jetzt gebe ich all meine Energie für Atletico“, sagte Falcao am Freitag. Er kennt die Regeln des Geschäfts.

Bis zum Winter aber wird er definitiv bleiben in der spanischen Hauptstadt, von der auch Torres einst auszog auf die große Fußball-Insel. Eines Tages steht vielleicht auch Radamel Falcao seinem alten Klub im fremden Leibchen gegenüber. Dann wird er bei der Begrüßung sicher einen ebenso herzlichen Applaus von den Atletico-Fans bekommen wie Torres am Freitag. Denn der Anhang weiß: Der Tiger hat schon mehr als genug Beute gemacht.