– Bei jedem Länderspiel der deutschen Nationalelf sieht man ihre Fahnen auf den Tribünen. „Air Bäron“ und „Dudenhofens Sohn“ reisen überall hin – auch nach Südafrika.
(Tsp, mit Ron Ulrich) – Die Post in Münster tragen dieser Tage andere aus. Frank Niemann hat Wichtigeres zu tun. Er zeigt in Südafrika Flagge. Schwarz-rot-gold, darauf mit weißen Lettern nur zwei Wörter: „Air Bäron“, eine Hommage an den früheren HSV-Stürmer Karsten Bäron. Es ist Frank Niemanns Visitenkarte am Kap. Seit 15 Jahren reist er der Nationalelf in alle Welt hinterher und hängt seine Fahne in die Kurve. „40, 50 Spiele“ mache er pro Jahr. HSV und Deutschland.
Für Niemann, den Fahnenträger, gilt das Gleiche wie für Niemann, den Postboten: Er muss schnell sein. Es geht darum, als Erster in der Kurve anzukommen, um einen möglichst guten Platz zu finden.
Nicht für sich selbst, sondern für die Fahne. Die Fifa macht das Leben nicht leichter, sie will keine Werbeflächen zugehängt haben. Die bequeme Lösung sei, das Banner am Oberrang zu befestigen, sagt Niemann. „Stress hat man nur, wenn man sie unten platzieren will.“ Doch unten, da wollen alle hin. Unten, das heißt: gut sichtbar für die Fernsehkameras.
Denn es geht natürlich schon auch ein bisschen um Ruhm und Ehre. „Air Bäron“ ist das bekannteste Markenzeichen der Szene, die in Südafrika derzeit mit rund 40 bis 50 Leuten vertreten ist. Der harte Kern. Beim Auftaktspiel der Deutschen gegen Australien hatte Niemann den Nachteil der späten Anreise und musste mit einem Platz hoch oben im Stadion von Durban vorliebnehmen. Zum Serbien-Spiel will er rechtzeitig vor Ort sein, die 1000 Kilometer nach Port Elizabeth wollen zügig zurückgelegt werden.
Nicht nur die Spiele der Deutschen stehen auf dem Programm. „Neun von zehn Stadien zu sehen, das ist das Ziel“. Ihm ginge es aber nicht darum, möglichst viele WM-Partien abzuklappern, erklärt der Weltenbummler in Sachen Fußball. „Hauptsache, man erlebt hier viel“. In Südafrika trifft er auch Fans mit noch skurrileren Geschichten. Einer ist von Deutschland bis ans Kap gelaufen. „Das ist noch ein bisschen bekloppter“, schmunzelt der deutsche Zaunkönig.
Nach dem Achtelfinale geht Niemanns Rückflug. Eigentlich. „Wir bleiben bis zum bitteren Ende“, sagt er. Erfolgreiche Urlaubs-Nachverhandlungen mit dem Chef vorausgesetzt.
Das Feilschen um den Urlaub gab es auch in Dudenhofen bei Speyer. Dort arbeitet Michael Malmer bei einem Online-Shop. In der Kurve ist Malmer „Dudenhofens Sohn“. Zwei Wochen Urlaub für Südafrika hat er herausgeschlagen, natürlich auch mit Option auf mehr, falls Deutschland noch weiterkommt. Am kommenden Wochenende geht es los, doch von großer Vorbereitung noch keine Spur: „Ich habe mich impfen lassen, das ist alles.“
Koffer packen? „Das mache ich einen Tag vorher.“ Hotel? „Darum kümmern sich die Kollegen vor Ort.“ Karten? „Da soll es vor dem Stadion immer Möglichkeiten geben.“ Man merkt: Malmer ist Profi unter den deutschen Banner-Pionieren. Mit seiner Fahne ist er der Nationalelf nach Dubai, Schanghai oder Baku gefolgt. Was soll ihn noch schocken?
Seit zwölf Jahren ist Malmer Bannerträger, er war mit dem Fußball überall in der Welt. „Es ist dieses Abenteuergefühl, das mich fasziniert“, sagt er. „Man erlebt in der Gruppe jeden Tag etwas auf diesen Reisen.“
In Südafrika werden ihn fünf Bekannte aus der Fahnenszene erwarten, dann geht es mit dem Auto durchs Land. Im letzten Jahr bei der U21-EM in Schweden hat es Malmer so gut gefallen, dass der 28-Jährige trotz Arbeit drei Mal zwischen Deutschland und Skandinavien hin und her geflogen ist.
Damals holten die Deutschen den Titel. Im Wiederholungsfall in diesem Jahr würde der lange Turnierverbleib Malmer und Niemann rund 5000 Euro kosten. Aber das sei es wert, sagen die beiden. Man müsse halt bei Unterkunft und Flügen sparen, auch mal am Flughafen schlafen.
Und alles für einen guten Platz am Zaun. „Man muss schon verrückt in der Birne sein“, sagt Michael Malmer und lächelt.