– Cristiano Ronaldo scheitert erneut mit Portugal und kann seine grandiose Saison nicht krönen
Donezk (dapd). Tränen flossen diesmal nicht, ein zuckender Zusammenbruch blieb aus. Wie mechanisch drehte sich Cristiano Ronaldo stattdessen um 180 Grad, starrte hinauf in die Menge und schüttelte mit verkniffener Miene immer wieder den Kopf. „Injustica“ konnte man von seinen Lippen ablesen, immer wieder. Das ist nicht fair, wiederholte Ronaldo vorwurfsvoll, einfach nicht fair.
Cesc Fabregas hatte soeben als fünfter Strafstoßschütze Spaniens getroffen und das Aus Portugals im EM-Halbfinale von Donezk offiziell gemacht. Ronaldo wollte das alles nicht mehr mit ansehen. Er hatte es ja irgendwie auch alles schon zu oft sehen müssen. Für Cristiano Ronaldo, den besten europäischen Angreifer, der Real Madrid unlängst mit 46 Toren zum spanischen Meistertitel schoss, war das bittere Ende einer grandiosen Saison ein Deja-vu.
Zum fünften Mal bei fünf Turnierteilnahmen seit 2004 hatten die Portugiesen ambitioniert die K.o.-Runde erreicht, zum dritten Mal hatten sie unter den letzten Vier gestanden – ein Titel kam nie dabei heraus. Am nächsten war der damals erst 19-jährige Ronaldo der großen Trophäe 2004 gekommen, bei der EM-Finalniederlage im eigenen Land. Acht Jahre später wirkte er vergleichsweise gefasst. „Das alles ist einfach nur traurig und frustrierend“, sagte er nach dem 2:4 im Elfmeterschießen: „Es sind jetzt sehr schwierige Momente für mich.“
Ronaldo hatte sich – wie seine zehn Kollegen – enorm viel vorgenommen für dieses Spiel, das war schon bei der lauthals geschmetterten Hymne zu sehen gewesen. Die Haare hatte er sich für sein 95. Länderspiel glatt gestriegelt, also diesmal auf den neckisch hochgestellten Kamm verzichtet. Wie als Statement, dass Spirenzchen diesmal nicht auf der Agenda stünden. Aber natürlich kam Cristiano Ronaldo nicht ganz ohne aus. Nicht ohne die Wildwest-Posen vor den direkten Freistößen. Nicht ohne den einen oder anderen Hackentrick.
Dafür grätschten und kämpften seine Teamkameraden umso mehr, allen voran der rastlose Joao Moutinho und Chelseas Raul Meireles. Aber weil es dann am Ende nicht gut gegangen ist gegen den wenig überzeugenden, aber defensiv abgeklärten Welt- und Europameister, liegt es nahe, all die schönen spreizfüßigen Übersteiger irgendwie unpassend zu finden. Und auch all der Highnoon-Dorfstraßen-Zirkus nutzt nichts, wenn kein einziger der Freistöße aufs Tor geht. Wenn er nicht zum Schuss kommt, wie am Mittwochabend, dann ist Ronaldo mitunter ein Cowboy ohne Sporen.
„Wir waren 90 Minuten lang besser, aber wir konnten das Spiel nicht entscheiden“, haderte Trainer Paulo Bento, der die Erkenntnis, seine Elf könne „mit jedem Team bei jedem Turnier auf jedem Level“ mithalten, sicher gerne eingetauscht hätte gegen einen wie auch immer gearteten Sieg.
Alleine Ronaldo, der nach 90 Minuten ebenso viele Schüsse aufs Tor abgegeben hatte wie die gesamte spanische Mannschaft, nämlich sechs, hätte man das Siegtor zugetraut. Doch in der ersten Hälfte zielte er mit links nur Zentimeter am kurzen Pfosten vorbei, in der letzten Minute der regulären Spielzeit vergab er dann einen Konter in Überzahl.
Irgendwie passte es zu Ronaldos Abend, dass sein geplanter großer Auftritt im Elfmeterschießen vollends entfiel – und damit die Chance, den Fehlschuss mit Real im Champions-League-Halbfinale gegen die Bayern vergessen zu machen. „Ich wäre der fünfte Elfmeterschütze gewesen, aber das Schicksal hat es nicht gewollt“, sagte er. Viel hatte ja eigentlich nicht gefehlt, es hätte nur Bruno Alves 20 Zentimeter tiefer und Cesc Fabregas 20 Zentimeter weiter nach links zielen müssen – dann hätte Ronaldo zum spielentscheidenden Strafstoß anlaufen können.
So viel Konjunktiv jedoch verträgt der Fußball nicht, und so stand am Ende ein großartiger Fußballspieler im Mittelkreis und haderte kopfschüttelnd mit der Vorsehung. Sein ehemals strahlend weißes Trikot war dreckverschmiert. Denn gegrätscht und gekämpft hatte auch der Superstar. Allein, es hat nicht gereicht für Ronaldo und seine tapferen Portugiesen. Mal wieder.