Klug und leidenschaftlich zum Sieg

– Real Madrid gewinnt einen fairen Clasico auf hohem Niveau gegen Barca – Khedira und Özil mit Glanz

Berlin/Barcelona (dapd). Eine Viertelstunde war vergangen nach dem Schlusspfiff, da hatte sich der Camp Nou bereits fast vollständig geleert. Auf den oberen Rängen tauchte das Motto des FC Barcelona auf, in bunten Plastikschalen gesetzt. „Més que un club“, mehr als ein bloßer Sportverein wollen die Katalanen sein. Am Samstag aber wurde das Überteam Europas von Real Madrid bei deren 2:1-Sieg zu genau dem degradiert: einer fehlbaren Mannschaft mit menschlichem Antlitz.

Das 0:1 im Halbfinal-Hinspiel der Champions League am vergangenen Mittwoch bei der Betriebssportgemeinschaft Betonverarbeitung aus Chelsea war noch einer schreienden Ungerechtigkeit gleichgekommen. Nach dem Liga-Clasico stand dagegen die Erkenntnis, dass die Mannschaft von Jose Mourinho, am Mittwoch Champions-League-Gegner des FC Bayern München, sich ihren Erfolg weder ermauert noch ergaunert hatte. Sie hatte stattdessen mit mutiger Spielweise in der Anfangsphase das erste Tor erzwungen (Sami Khediras zweiter Saisontreffer), dann klug und leidenschaftlich gegen den Ball gearbeitet – und nach dem Ausgleich umgehend mit einem wunderschönen Spielzug über Mesut Özil und Cristiano Ronaldo nachgelegt.

„Ich habe ein historisches Tor erzielt, aber was zählt, ist der Sieg“, sagte Khedira. Er hatte an einem taktisch hochklassigen, einem spannenden, großen Clasico mitgewirkt. Weder begleiteten dieses bereits sechste Aufeinandertreffen der beiden Erzrivalen in dieser Saison hässliche Fouls noch Schubsereien am Seitenrand oder dunkle Andeutungen nach Spielschluss. Zwei außergewöhnliche Mannschaften spielten die Angelegenheit fair auf dem Rasen aus.

„Wir haben ein gutes Spiel gegen eine starke Mannschaft gemacht“, bilanzierte Barcas Trainer Pep Guardiola, der mit dem mutigen Austausch von Xavi gegen den Torschützen Alexis Sanchez zwischenzeitlich den goldrichtigen Impuls gesetzt zu haben schien. Hinterher wollte der Trainer seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen: „Wir können nicht erwarten, immer auf höchstem Niveau zu sein, aber es ist schade, dass wir es im entscheidenden Moment nicht waren.“ Die Meisterschaft gab er bei sieben Punkten Rückstand und vier noch ausstehenden Spielen offiziell verloren.

Fehlte seinen Spielern nach dem unbelohnten Sturmlauf gegen die Mauer von London am Mittwoch unter Umständen auch die nötige Kraft und Frische, das bereits 58. Saisonspiel erfolgreich zu gestalten? Zwei Niederlagen hintereinander, eine für die eigenen Ansprüche solch dramatische Nachlässigkeit leistete man sich zuletzt zu Beginn der ersten Saison unter Guardiola, Ende August 2008, allerdings in weit weniger bedeutenden Partien.

Zeit für die Massage gebeutelter Seelen bleibt nicht. Bereits am Dienstag kommt Chelsea ins Camp Nou. Guardiola gab sich kämpferisch: „Ich habe das Gefühl, dass meine Spieler wieder aufstehen werden. Sie wissen, wie wichtig es ist.“ Erneut einen Tag mehr zur Auffrischung hat Real, das erst am Mittwoch den FC Bayern empfängt. Sami Khedira freut sich schon darauf: „Das wird ein weiteres Finale.“

Mehr David gegen Goliath geht nicht

– APOEL Nikosia empfängt Real Madrid im Champions-League-Viertelfinale

Berlin/Nikosia (dapd). Der Tüchtige wird manchmal nicht mit Glück belohnt. Alle, nur bitte nicht Barcelona oder Real, hatte Gustavo Manduca noch gesagt an diesem freudetrunkenen Achtelfinal-Abend vor drei Wochen, „die will doch keiner.“ Aber jetzt muss APOEL Nikosia da eben durch. Real Madrid kommt nach Zypern, am Dienstag (20.45 Uhr) steigt im GSP-Stadion in der Hauptstadt der Mittelmeerinsel das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League.

Das ist, unterm Strich, ja dann doch eine ziemlich feine Sache.

„Das ist der Gipfel der Klubgeschichte“, präzisiert der Vereinssprecher, der auf den klangvollen Namen Panikos Hatziliasis hört. Der Name seines Arbeitgebers war bis vor dieser Saison eher weniger klangvoll, ja, es war sogar ein klassischer No-Name.

Und jetzt Real. Mehr David gegen Goliath geht ja schon gar nicht mehr zu diesem Zeitpunkt, da Europas Spitze auf acht Teams zusammengeschmolzen ist. APOEL gegen Real, das ist: 15 Millionen gegen 500 Millionen Euro Marktwert. Oder auch: UEFA-Ranglistenplatz 62 (vor der Saison 125) gegen fünf. Und weil’s so schön ist: Nikosias Goalgetter Manduca wird vom Internetportal transfermarkt.de auf 1,1 Millionen Euro taxiert. Sein Pendant Cristiano Ronaldo holte Real einst für 94 Millionen.

Natürlich ist auch das Stadion von echtem Davidformat. Nicht mal 23.000 Menschen passen rein, in diesen Hexenkessel ohne Deckel. Aber, hätten sie seit Bekanntgabe der Auslosung fix das Bernabeu-Stadion mit all seinen 80.000 Schalensitzen dekonstruiert und auf Zypern wieder aufgebaut, sie hätten es auch vollgemacht.

Auch so wird wieder einiges los sein. Zyprer haben heißes Blut. Ein paar Mittelgroße haben das schon zu spüren bekommen, Zenit St. Petersburg (1:2), der FC Porto (auch 1:2) und zuletzt im Achtelfinale Olympique Lyon (3:4 nach Elfmeterschießen). „Wir sind ein kleiner Klub in Europa, aber wir haben ein großes Herz“, sagt der serbische Trainer Ivan Jovanovic. Seine Spieler wollen nun den ersten ganz dicken Brocken versetzen – ein paar Zentimeter, das würde ja schon reichen. Vielleicht ein Unentschieden, so wie es ZSKA Moskau unlängst geschafft hat. Die Russen haben in der Nachspielzeit noch das 1:1 erzielt gegen die zugegebenermaßen da schon etwas verträumten Königskinder aus Spanien.

Und was am Montag aus Madrid hervordrang, klang durchaus nach ein bisschen mehr als den üblichen Anstandsgesten. „Wir können da kein lockeres Spielchen hinlegen. Wir haben großen Respekt vor APOEL, weil sie eine gute Gruppenphase hingelegt haben“, sagte Sami Khedira. Auch der sonst so selbstbewusste Real-Coach Jose Mourinho geht davon aus, „dass uns diese Mannschaft vor eine harte Aufgabe stellen wird“.

Dabei hatten sich die Madrider am vergangenen Wochenende nach zuvor zwei Unentschieden mit einem standesgemäßen 5:1 gegen San Sebastian warmgeschossen. 95 Tore hat dieser fulminante Angriff alleine in der Liga erzielt, 35 davon Ronaldo. Noch Fragen? Lieber nicht. APOEL begnügte sich dagegen mit einem 0:0 im Stadtduell gegen Omonia. Kräfte sparen vor dem ungleichen Zweikampf.

Der ewig Strebende feiert Jubiläum

– Cristiano Ronaldo vor seinem 100. Einsatz für Real Madrid

Berlin (dapd). Es ist eine Szene, die ein bisschen was erzählt über den Ehrgeiz dieses jungen Mannes. Völlig außer sich ist er, biegt und streckt sich wie eine wild gewordene Schraubfeder. Gestikuliert und schimpft. Reißt sich die Binde vom Arm und schmeißt sie ins Gras.

Gerade ist Cristiano Ronaldo ein großartiges Tor kaputt gemacht worden, ein Tor, vor dem er den Weltmeister Pique mit einer Körpertäuschung hat ins Leere grätschen lassen, sich den Weltmeister Xabi Alonso mit einem blitzschnellen Sohlentrick vom Leib gehalten, schließlich den Weltmeister-Torwart Iker Casillas mit einem Heber überlistet hat – das alles innerhalb von Zehntelsekunden. Und dann springt dieser Nani aus dem Abseits in den Ball und macht auf der Torlinie alles noch zunichte.

Da kann man sich schon mal aufregen.

Cristiano Ronaldo, 26 Jahre, Fußballprofi bei Real Madrid, will den Erfolg so sehr wie wenige sonst. In der Jugend lachten seine Mitspieler ihn aus wegen seines Madeira-Slangs. Vielleicht will er es ihnen allen immer noch beweisen.

Für Real bestreitet Ronaldo am Samstag sein 100. Pflichtspiel. Wenn er fünf Tore schießt gegen Betis Sevilla, was nicht ganz ausgeschlossen ist bei einem wie ihm, feiert er ein doppeltes Jubiläum. Aktuell steht er bei 95 Treffern. Das ist im modernen Fußball schlichtweg der Wahnsinn.

„Jeder, der den Fußball liebt, freut sich, wenn Cristiano Ronaldo spielt“, hat er kürzlich erst gesagt. Darüber lässt sich trefflich streiten. Nicht wenigen geht die extrovertierte, zuweilen selbstverliebte Art des Portugiesen auf die Nerven. Seine sportliche Bilanz ist jedoch über jeden Zweifel erhaben. Im Star-Team von Real bekommt er das Futter, das er braucht. Mit erwähntem Resultat.

Ronaldos Ambition ist grenzenlos. Im letzten Jahr, als die Meisterschaft längst zugunsten des FC Barcelona entschieden war, lieferte er sich ein Privatduell mit Lionel Messi um die spanische Torjägerkrone. Um gar nicht erst groß rechnen zu müssen, schoss Ronaldo in den letzten vier Spielen elf Tore. Am Ende hatte er 40 Treffer erzielt, neun mehr als Messi, der wiederum elf mehr hatte als der nächste. 40 Tore in 34 Spielen.

Die Kritiker halten ihm vor, dass er mit Portugal noch keinen Titel gewonnen hat. 2004 zum Beispiel, im EM-Finale zuhause gegen die Rumpel-Griechen. Das ist ungerecht. Wäre es nicht viel eher an einem wie Luis Figo gewesen, dem 31 Jahre alten Routinier, als an dem damals 19-jährigen Ronaldo, das Team aus der Lethargie zu reißen? Diese Woche verpassten die Portugiesen mal wieder die direkte Qualifikation für ein großes Turnier. In den Playoffs wird sie sich mal wieder auf ihn verlassen müssen, diese Landesauswahl, die an einem schlechten Tag auch mal 4:4 gegen Zypern spielt.

Nein, auch in großen Spielen fällt er nicht ab, der Mann, der Real Madrid im April in der Verlängerung zum ersten Pokalsieg seit 18 Jahren köpfte.

In Wahrheit gibt es wohl wenige, die so hart an sich und ihrer Form arbeiten wie Ronaldo – man muss sich nur mal diesen Oberkörper anschauen. Und selbst im Bett macht er ja noch fleißig Rumpfübungen, nach allem was man so hört.

Bleibt zu gratulieren zum Hundertsten, mehr als ein Zwischenschritt ist es nicht für den ewig Strebenden. Sie werden ihn gebührend feiern am Samstag im Estadio Santiago Bernabeu. Vielleicht sogar für ein doppeltes Jubiläum. Auszuschließen ist es, wie gesagt, nicht.