Idylle Prenzlauer Berg. Schlenderzone Stargarder Straße. Familienspaziergänge. Händchen haltende Pärchen. Kinder auf Laufrädern. Gegenüber an der Eisdiele „Hokey Pokey“ zahlen die Menschen bereitwillig 1,60 Euro für die Kugel. Wohlstands-Happiness, das Leben: ein buntes Aquarell. Auf den Trottoirs: Vintage-Stühle, darauf: Vintage-Menschen, essend, trinkend, redend. Angeregte Gespräche. Vor einem Café, hier: orangefarbenes Gestühl, dreht es sich gerade um die „Aufschrei“-Debatte, deren Initiatorinnen kurz zuvor mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurden. Haben im Internet auf Frauenfeindlichkeit und sexuelle Belästigung hingewiesen. Und die Welt hoffentlich ein bisschen weniger sexistisch gemacht. Gute Sache, logisch, darauf ein Schlückchen Cappucino und ein beruhigter Themenwechsel. Gerade will man wieder anheben, da dringt ins allgemeine Vögelgezwitscher ein seltsames Störgeräusch. Näher kommender Beat. Es macht: Bumm-bumm-kah, bu-bumm-bumm-kah. Wird jetzt ziemlich schnell ziemlich laut. Genervte Blicke den Gehweg herunter. Doch statt der erwarteten tiefer gelegten Sportkarre nur ein sich nähernder Adoleszent im grauen Schlabbershirt, plärrendes Handy in der hohlen Hand. „Du guckst mich an“, kann man nun den schnellen Sprechgesang hören, während der Jüngling, Sneaker, schwarze Turnhose, Pausbacken, dumpf vorbeistampft. „Du guckst mich an“, rappt es also zwischen den Wurstfingern hervor, „ich hab Style und das Geld, heute bin ich all das, was euch Fotzen so gefällt.“ Leicht mit dem Kopf nickend pflügt der dicke Junge zu dieser grandios beschissenen Bordstein-Weisheit durchs Kinderwagen-Ghetto, vorbei an irritierten Blicken, sein Shirt wackelt dazu lustig überm Hüftspeck. Zurück lässt er nach einer Schrecksekunde: belustigte Gesichter. „Wie geil“, sagt jemand ironisch und fängt dann an, über etwas völlig anderes zu reden. (Tsp.)
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Randalieren wie ein Boss (5 Minuten Stadt)
– Tagesspiegel, 5 Minuten Stadt
Sommerabend in Mitte, die Bar an der Ecke: richtig voll. Viele Leute draußen. Man trinkt: Moscow Mule. Man trägt: Hemden, Markenschuhe, Seitenscheitel. Man spricht: Englisch, Spanisch, ein bisschen Deutsch. Vor Holzbänken und Klapp stühlen: ein Laufsteg namens Torstraße. Und dann: Reifenquietschen. Hupen. Köpferecken. Ein Typ, weißes Hemd, Hornbrille, Rauschebart, steht mit seinem Fahrrad quer auf dem Damm, astreine Taxi-Blockade. Typ brüllt, steigt ab, will zur Autotür. Taxifahrer hat darauf keine Lust, rauscht ab. Radfahrer gemächlich hinterher. Gelangweiltes Publikum. Keine zwei Minuten später: Return of the Bartmensch. Heizt die Straße wieder herauf, freihändig, falsche Richtung, Geisterfahrt. Auf der Schulter: eines dieser Verkehrshütchen, rot-weißer Kegel. Und kurz vor der Bar: Abwurf. Schweres Plastik knallt auf Asphalt, Pylon jetzt mitten auf der Torstraße. Künstlerpause. Dann nächster Akt: Der Bart nun ein paar Meter weiter auf dem Gehweg, unverändert aggressiv im Maßhemd, zwei Meter, hundert Kilo, bebender Bart. Eine winzige Frau redet auf ihn ein, schubst ihn zurück. Die Menge guckt. Große Show. “ Wenn er die schlägt, hau ich ihn kaputt“, sagt einer. Unruhe. Nahende Eskalation. Doch das Fräulein beruhigt den Irren. Er lehnt an der Hauswand, abgekämpft. Interessiert schon keinen mehr. Schlürfschlürf. Lecker. Kurze Nachfrage beim Kellner, belustigtes Gesicht. “ Ach der, das ist mein Chef. Eher ein normaler Abend für ihn.“