Josef »Seppl« Pirrung
* 24. Juli 1949 † 11. Februar 2011
Mächtig steht er an der eigenen Strafraumgrenze, der
Bayern-Verteidiger Bulle Roth. Nimmt jetzt den kurzen Ball von Sepp
Maier an. 3:0 führt der FC Bayern auf dem Betzenberg, gleich ist
Pause. Während Roth, diese fleischgewordene turmhohe Überlegenheit,
noch grübelt, wem er die Kugel jetzt lässig zuschieben kann, hat sich
schon der kleine Spieler mit der Nummer acht auf dem Rücken von hinten
angepirscht. Zack, der Ball ist weg, Roth fällt um wie ein Baum – und
es steht 1:3. Eine Stunde später ist der größte Sieg der
Kaiserslauterer Vereinsgeschichte perfekt. 7:4 gegen die Bayern. Und
der Mann mit der Nummer acht, Josef Pirrung, den die Kaiserslauterer
Seppl rufen, hat drei Tore erzielt.
Drei rote und drei weiße Nelken bekommt er 1981 zum Abschied nach 14
Jahren. »Das war alles«, sagt Pirrung später bitter über den Affront.
Der Klub und sein 304-facher Bundesligaspieler trennen sich in
Unfrieden. Es geht um Geld, schon damals.
14 Jahre spielt der Mann aus Münchweiler im roten Trikot. 14 Jahre, in
denen sich der 1. FC Kaiserslautern vom Image der reinen Kloppertruppe
löst – und beginnt, Fußball zu spielen. Seppl Pirrung verkörpert
diesen neuen FCK: Wendig, aber auch bissig. Dribbelstark, aber auch
torgefährlich. Klein, aber nie zu unterschätzen. Wie viele von
Toppmöllers 108 Toren hat Pirrung direkt oder indirekt über die
Außenbahn eingeleitet?
Pirrung bewuselt das Spielfeld zu einer Zeit, als Künstler wie er
Freiwild sind für die Verteidiger. Sie treten ihn, schon in der
Jugend, immer wieder. Bis die Knochen brechen. Schienbein. Wadenbein.
Einmal, zweimal, dreimal. Drei Zentimeter kürzer ist sein rechtes Bein
fortan. Zeit seines Lebens plagt sich der geniale Tänzer mit den
Schmerzen, mit denen die Banausen ihn bestraft haben. Wenn er sich
wieder einmal auf dem Rasen krümmt, dann springen die Rentner auf der
Nordtribüne auf und schwenken zornig ihre Stöcke. »Seppl, Seppl«, ruft
dann das Stadion. Und der kleine Mann steht wieder auf.
1973/74, das Jahr, in dem er die Bayern erschoss, es ist sein Jahr. 13
Tore, sechs Vorlagen. Zahlen, die nur unzureichend die Begeisterung
wiedergeben, die Seppl Pirrung auf dem Betzenberg entfacht. Am Ende
jener glorreichen Spielzeit wollen ihn die Bayern kaufen. Pirrung
bleibt. Bundestrainer Helmut Schön beruft ihn in den vorläufigen Kader
für die WM im eigenen Land. Unter den 22 Auserwählten ist er nicht,
dafür unter den wenigen Lauterern, die überhaupt je ein Länderspiel
bestritten haben.
61 Tore schießt er für den 1. FC Kaiserslautern – für jedes ist ihm
nur ein Lebensjahr vergönnt. Am Tag vor dem Spiel seines Vereins gegen
Borussia Dortmund stirbt er nach langer schwerer Krankheit. Noch
einmal blinzelt sein verschmitztes Gesicht auf der Anzeigetafel. Da
oben, wo Seppl Pirrung einst die Bayern erschoss. (11FREUNDE)