– Unter Roberto Di Matteo hat Chelsea tatsächlich die Champions League gewonnen – ob er bleibt, ist unklar
München (dapd). Roberto Di Matteo sieht eigentlich immer aus, als würde er lächeln. Das muss wohl an der Form seiner Mundwinkel liegen. Selbst nach Thomas Müllers vermeintlichem Siegtor für den FC Bayern sah Di Matteo nicht verdrossen aus. Vielleicht glaubte er ja immer noch dran. Wie dem auch sei: Viel später in dieser Samstagnacht, im Pressesaal der Münchner Arena, da strahlte der Interimstrainer des FC Chelsea über das ganze Gesicht.
„Es fühlt sich wirklich großartig an, das muss ich sagen“, sagte Di Matteo und schaute in die Runde. Der in der Schweiz aufgewachsene Italiener hat mit dem neuen Champions-League-Sieger FC Chelsea eine ungewöhnliche Reise hinter sich. Als er Anfang März den Job seines entlassenen Chefs Andre Villas-Boas übernahm, waren die Londoner in der Champions League so gut wie draußen – nach einem 1:3 beim SSC Neapel, das auch ein 0:5 oder 0:6 hätte sein können. Weil Ashley Cole aber auf der Linie klärte (für Di Matteo und auch Didier Drogba der Wendepunkt der Saison), gab es immerhin noch eine kleine Chance im Rückspiel. Chelsea gewann in einer dramatischen Begegnung 4:1 nach Verlängerung. Dann kam Barcelona, zwei Abwehrschlachten, die Chelsea irgendwie überstand, dann München. „Der Fußball und das Leben sind manchmal unvorhersehbar und verrückt. Kein Mensch hätte das vor drei Monaten vorhergesagt“, sagte Di Matteo.
Das Herz dieses Mannes ist blau. Sechs Jahre, von 1996 bis 2002, spielte er an der Stamford Bridge, gewann zweimal den FA-Cup und 1998 den Europapokal der Pokalsieger. Auch danach hörte Di Matteo nie auf, sich als Teil des Ganzen zu fühlen. „Vor vier Jahren haben wir eine sehr schmerzhafte Erfahrung gemacht“, erzählt er über das verlorene Champions-League-Finale von Moskau. Nur war er da gar nicht dabei, sondern saß zu Hause vor dem Fernseher, als Fan.
Vielleicht brauchte es einen wie ihn, um die alte Garde wiederzubeleben. Lampard, Terry und Drogba, denen man viel vorwerfen kann, aber nicht, dass sie sich nicht für das blaue Trikot zerreißen. Unter Di Matteo blühten sie noch einmal auf, spät und unverhofft, vielleicht weil der junge Coach sie anders als sein Vorgänger einfach machen ließ und spielen ließ, wann und wie sie wollten. „Das Herz und die Leidenschaft, die diese Spieler gerade in diesem Wettbewerb an den Tag gelegt haben, waren immens“, lobte Di Matteo artig – ebenso wie er Villas-Boas lobte, der „das Fundament gebaut“ habe. Aber natürlich war nach dessen Abgang alles anders.
Zum Beispiel die Taktik. Di Matteo ließ wieder einen Stil zu, der nicht schön war, aber den auf Ballbesitz orientierten Teams wie Barca und auch Bayern den letzten Nerv raubte. Teils zu zehnt im eigenen Strafraum, bei so gut wie jedem Schuss der Münchner mit einem Fuß oder anderem Körperteil dazwischen. Kritik an seiner Mauertaktik wischte er auch nach dem Endspiel in München vom Tisch: „Man muss immer versuchen, das Beste aus dem zu machen, was man hat.“ Das immerhin hat Roberto Di Matteo eindrucksvoll geschafft.
Wie es nun aber weitergeht mit dem lächelnden Coach, ist trotz des Titelgewinns völlig unklar. Er selbst will sich partout nicht äußern: „Was auch immer der Verein entscheidet, werde ich respektieren.“ Di Matteo weiß, dass es nur einen gibt, der darüber befinden kann: Roman Abramowitsch, Klubeigner, Geldgeber, Mr. Chelsea. Und was der nun vorhat, wird abzuwarten sein. Jetzt, da der Heilige Gral geborgen ist, am Ende einer der seltsamsten Reisen, die der Fußball seit langem gesehen hat.