– Ultras und DFB verhandeln um Legalisierung von Pyrotechnik – derzeit gibt es einen Waffenstillstand
Berlin (dapd). Die Grafiker der Kampagne haben für das Logo jenes Farbschema ausgewählt, in das sich die Ultra-Bewegung gezwängt sieht: schwarz und weiß. Drei junge Männer, Kappe, Kapuze, Fanschal, halten drei Fackeln in die Höhe, deren Flammen sich zu einem gemeinsamen, großen Feuer umschlingen. Darunter das Motto: „Pyrotechnik legalisieren, Emotionen respektieren.“
Vereinstreue, Choreografien, Dauersupport auf der guten Seite, Gewaltbereitschaft, Kritikunfähigkeit und eben auch gefährliche Zündelei auf der anderen. Das sind die Attribute, die in der Bewertung dieser bis ins Extreme treuen Fans meist gegeneinander gestellt werden. Die Zwischentöne sind kompliziert.
Die deutschen Ultras haben sich für den komplizierten Weg entschieden. 56 der notorisch rivalisierenden Fangruppen sind gemeinsam losmarschiert im Herbst 2010. Auf der „Fandemo“ in Berlin im Oktober hatten sie sich schon ein bisschen beschnuppert, danach formierte sich das Bündnis, das sich vorgenommen hat, die Verwendung von Bengalischen Feuern aus der kriminellen Ecke zu holen.
Erster Bundesligaspieler hat sich solidarisiert
Über 100 Fanvereinigungen haben sich bereits solidarisiert, auch sechs Fußballklubs unterstützen die Aktion, darunter Zweitligist Dynamo Dresden. In der vergangenen Woche bekannte sich Mathias Abel vom 1. FC Kaiserslautern als erster Profi zur Initiative. „Pyrotechnik beflügelt die Mannschaft und die einzelnen Spieler. Kontrolliert kann es eine sinnvolle Sache sein“, sagte Abel.
Die Ultras haben es bis an den Verhandlungstisch mit dem DFB geschafft, schon das darf als Erfolg gelten. Denn der Verband vertrat in den letzten Jahren eine Politik der geringen Toleranz gegenüber Zündlern, denen im schlimmsten Fall Stadionverbote und Zivilklagen drohten. „Dass wir so schnell mit dem DFB zusammensitzen würden, hätten wir ehrlich gesagt nicht erwartet“, sagt Jannis Busse, ein Sprecher der Initiative von den Ultras Hannover, der dapd Nachrichtenagentur.
Zwei Treffen fanden nach dapd-Informationen bereits statt, beide in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main, das erste kurz vor dem Ende der vergangenen Saison, das zweite Anfang Juli. Zunächst ging es um gegenseitiges Beschnuppern, dann um einen konkreten Fahrplan.
Heraus kam zunächst ein Waffenstillstand. An den ersten drei Spieltagen verzichten die Ultras auf Pyro-Aktionen – als Zeichen des guten Willens. „Noch ist nichts erreicht, im Gegenzug haben wir dem DFB natürlich noch nicht die Freigabe von Pyrotechnik abgerungen“, sagt Jannis Busse. Doch die Ultras hoffen, dass der Verband, wenn die Kurven tatsächlich rauch- und böllerfrei bleiben, grünes Licht für den nächsten Schritt gibt. Der könnte so aussehen, dass Verein, Ordnungsamt und Fans eine „lokale Genehmigungspraxis“ erarbeiten. Es geht darum, wann und wo Pyrotechnik erlaubt wird, zum Beispiel in bestimmten Bereichen der Kurve vor dem Spiel.
„Paar Sturköppe, die von nichts abrücken“
Es wäre eine kleine Revolution in der Fankurve. „Nach jahrelangem Nicht-Verhältnis und Missverständnissen zwischen DFB und Ultras ist das jetzt ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Busse.
Der Ende August scheidende DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn war auf dapd-Anfrage in dieser Woche nicht zu erreichen. Auf Fanseite bekam man den Eindruck, dass der DFB von der geschickten Verhandlungsführung bei den beiden Treffen überrascht war. „Sie dachten wohl, da kommen ein paar Sturköppe, die von nichts abrücken wollen“, sagt ein Gesprächsteilnehmer.
Doch es gibt Entgegenkommen von den Fans: „Schluss mit Böllern, Kanonenschlägen und sonstigen Knallkörpern“, sagen sie. Vor den Gesprächen hatte Spahn unmissverständlich klargemacht, dass die Sicherheit der Zuschauer „oberste Priorität“ hat. Denn der weite Begriff der Pyrotechnik umfasst nicht nur schön und bunt qualmenden Rauch. Einige verstehen darunter auch das Detonieren von hochgefährlichen „Polenböllern“, im Ausland gefertigter Feuerwerkskörper mit höchster Sprengkraft.
Dass sich die „Initiative Pyrotechnik“ von diesen Krachern distanziert, ändert nichts an der latenten Gefahr. „Ganz unabhängig von einer Legalisierung kann immer etwas passieren“, sagt Jannis Busse. Erst am 34. Spieltag der vergangenen Saison schmiss ein Fan in der Kaiserslauterer Westkurve einen Böller in die Menge, es gab mehrere Verletzte.
Eine Fankurve sei kein Puppentheater, sagt einer der Unterstützer der Kampagne. Nicht jeder lasse sich von den Ultras was sagen. Alle Beteiligten wissen: Passieren kann immer was. Denn neben guten Vorsätzen gibt es auch bösen Willen.