– Miroslav Klose spielt zum 100. Mal für Deutschland
(Tsp) – „Hallo, ich bin Miro.“ Wie er einem so gegenüber steht, dieser schmächtige Mensch mit den großen Augen, ist er der verlegene Nachbar von nebenan. Kurz darauf, am mächtigen Konferenztisch, droht er in seiner Daunenweste zu versinken, wirkt noch kleiner als bei der Hymne direkt neben Per Mertesacker. Miroslav Klose sitzt in einem schmucken Raum an der Säbener Straße und erzählt. Es ist Mitte März, München kalt und regnerisch. Und Fußballdeutschland setzt keinen Pfifferling auf den Torschützenkönig der letzten WM. Für den FC Bayern hat er kaum gespielt und noch seltener getroffen. Wie soll uns so einer in Südafrika weiterhelfen?
„Ich wusste immer, was ich kann“, sagt Klose in leisem, aber bestimmten Ton.
„Und auch“, wie er hinzufügt, „dass ich mich überall durchsetzen kann.“ Blaubach, Homburg, Kaiserslautern, Bremen, München – die Karrierestationen des Spätberufenen, der nie in einer Jugendnationalmannschaft gespielt hat. Einmal kommt sein Trainer am ersten Abend eines Lehrgangs ins Zimmer und bittet Klose darum, die Sachen zu packen: „Am besten, du suchst dir einen gescheiten Beruf“, lautet seine Empfehlung. Klose schaffte es doch ins Profigeschäft, die Zweifler aber blieben: Klose, der Mann, der Ailton nicht ersetzen kann, der nie gegen einen Großen trifft, der ewige Zauderer und Zögerer vor dem Tor. Klose ist im Grunde ein ewig Verkannter, und er weiß das auch.
Die Geschichte mit dem Salto erzählt auch etwas über Zweifel und Ehrgeiz. Wie kam Klose also zu seinem speziellen Torjubel? „Durch eine Wette“, sagt er. Als er noch ein unbekannter Amateurkicker bei der SG Blaubach-Diedelkopf war, Bezirksliga Westpfalz, habe ein Mannschaftskamerad seine Tore stets so bejubelt. „Wenn ich mein erstes Bundesligator mache“, sagt Klose eines Tages zu ihm, „mache ich auch einen Salto“. Die Reaktion? „Alle haben sich kaputt gelacht – natürlich.“ Weil sie ihm weder das Kunststück noch das Zeug zum Bundesligaspieler zugetraut hätten. „Ich habe noch ein paar Jahre Zeit, bis dahin habe ich mir den schon beigebracht“, gibt Klose nur zurück. Und fängt an, den Salto zu trainieren. Mittlerweile hat er ihn in allen großen Stadien Europas gezeigt.
Steiler und rasanter hätte der Aufstieg von der siebten Liga in die Nationalelf kaum verlaufen können. Klose schaffte ihn zwischen 1998 und 2001. Nach dem Training mit den FCK-Amateuren schaute er immer bei den Profis zu. „Ich ging mit dem Gefühl nach Hause: So ein großer Sprung ist das gar nicht mehr“, sagt Klose rückblickend.
Im März 2001, knapp ein Jahr nach dem Bundesliga-Debüt, bestreitet er sein erstes von bisher 99 Länderspielen. Mit leuchtenden Augen erzählt Klose von seiner DFB-Premiere: mühselige WM-Qualifikation gegen Albanien in Leverkusen. Eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt, trifft der damals 22-Jährige zwei Minuten vor Schluss zum 2:1-Sieg. „Carsten Jancker schüttelte mich so durch, dass mir erst mal schwarz vor Augen wurde“, lacht Klose.
Carsten Jancker – ein Name wie aus einer anderen Zeit. Bei der WM 2002 sank Janckers Stern. Der von Klose ging mit fünf Toren auf.