Für die Wand

– Union Berlin wirbt bei seinen Fans für die neue Stadionanleihe

Berlin (dapd). Das erwartungsvolle Raunen endet abrupt, als die Profi-Mannschaft des 1. FC Union Berlin pünktlich um 13.30 Uhr den Raum betritt. Es brandet nun lauter Applaus auf, der in rhythmische, stehende Ovationen mündet. Dabei stehen diesmal gar nicht die Spieler des Fußball-Zweitligisten im Mittelpunkt. Sie sitzen in den folgenden Stunden in Reihe zwei und drei, teils mehr, teils weniger gelangweilt. Union feiert sich selbst an diesem Sonntagmittag, sich und seine Ideale. Die Vereinsführung präsentiert den über 2.000 erschienenen Mitgliedern das Konzept, ihnen die Mehrheit des Stadions An der Alten Försterei in Aktienform anzubieten.

Zeitgleich will Union mit einer neuen Tribüne bis Sommer 2013 endlich zum modernen Fußball aufschließen. Schon als die Fans, die sich stolz „Unioner“ nennen, draußen noch Schlange gestanden haben, war drinnen, an den Wänden der Ballsporthalle Hämmerlingstraße, die Animation der geplanten neuen Haupttribüne an die Wand geworfen. Einen Steinwurf weiter soll sie dann mal stehen: Ein schicker dreistöckiger Backsteinbau mit aufragenden Dachträgern, der die drei bereits sanierten Tribünen verbindet. Die 3D-Ansicht erinnert ein bisschen an die Stadionausbau-Option früher Fußball-Manager-Computerspiele. Da konnte der Spieler selbst das Stadion formen, wie er wollte.

Völlig abseits der Köpenicker Realität ist das nicht. Die Fans haben hier schließlich bereits drei Viertel des Stadions weitgehend eigenhändig runderneuert. 140.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden kamen in der Saison 2008/09 zusammen. Ein Beispiel mit großer Außenwirkung.

Zingler sagt, was den Fans gefällt

Präsident Dirk Zingler weiß das, weshalb er auch gleich zu Beginn die Verbindung herstellt. Das Tortenstück der derzeit 57 Prozent an Vereinsanteilen am Stadion kommentiert er so: „Hier steckt die Leistung der Stadionbauer drin, hier sind eure 140.000 Stunden drin. Dafür müssen wir noch lange Dankeschön sagen.“ Nun soll jeder Fan sich also ein Stück Alte Försterei zu Hause an die Wand hängen können. In Form einer Aktie. Eine lohnende Geldanlage dürfte sie dagegen für die wenigsten werden. Aber darum soll es auch gar nicht gehen.

Zingler ist verkabelt wie ein Fernsehmoderator, er trägt seriösen grauen Zwirn über dunklem Hemd und Krawatte. Zingler spricht Schlagworte aus, die den Fans gefallen. Sie lauten „Unabhängigkeit“, „Mitbestimmung“ und „Teilhabe“. Er kann sich Seitenhiebe nicht verkneifen gegen die „Kommerz-Vereine“, das Stichwort „Red Bull“ fällt, auch „Event-Stimmung“. Die Unioner raunen. In einem Werbe-Clip für die Aktie weist Zingler eine Stadionumbenennung in „Hakle-feucht-Arena“ entnervt zurück. Die Unioner johlen.

„Wir haben uns gefragt, wem gehört das Stadion An der Alten Försterei“, ruft Zingler schließlich in den Raum, und eine Frau aus dem Publikum ruft prompt zurück: „Uns!“ Genau darum gehe es, sagt Zingler. Jeder Unioner soll sich seinen Kleinstanteil an der persönlichen Pilgerstätte sichern können. Eine Treppenstufe wäre das vielleicht, oder ein halber Wellenbrecher. Keiner darf mehr als zehn Aktien besitzen. „Eine Fremdübernahme ist unmöglich“, ruft Zingler auf Nachfrage. Kritik vonseiten der Fans gibt es kaum am Sonntag.

Fünf Millionen Euro sollen sich durch die Zeichnung von 10.000 Aktien in die Kassen des Zweitligisten ergießen. Und damit laut Zingler auch die finanzielle Unabhängigkeit beim Neubau der Haupttribüne erhöhen. Sie soll 15 Millionen Euro kosten.

Runter von der Hühnerleiter

Für die aktuelle Miniatur-Tribüne und die angrenzenden Örtlichkeiten ist das Wort provisorisch noch untertrieben. VIPs werden in angrenzenden Zelten abgespeist, Pressevertreter sitzen auf einer Hühnerleiter unterm Dach und nach dem Spiel steigt aus den Fensterschlitzen der Umkleide-Container der Dampf der Duschen in die Mixed Zone. Wenn man sich auf die Zehenspitzen stellte, könnte man wohl Kapitän Torsten Mattuschka beim Einseifen zuschauen. „Es wird deutlich bessere Bedingungen geben, als man es jetzt gewohnt ist“, sagt Dirk Thieme, der Vorstandsvorsitzende der Stadiongesellschaft.

Während diese Form von Fanaktien in Deutschland Seltenheitswert hat, sind Stadionanleihen nichts Neues. Erst am Donnerstag begann die Zeichnungsfrist bei Unions Zweitligakonkurrenten FC St. Pauli. Anteile im Wert von 1,8 Millionen Euro kauften die Fans bis Sonntagnachmittag. Die kreative Geldbeschaffung (hier in Anteilen von 100, 500 oder 1910 Euro) soll in Hamburg vor allem dem Ausbau des Trainingszentrums dienen. Vor sieben Jahren hatten Paulianer Fans den Verein mit Retter-T-Shirts, Retter-Aktionen und Retter-Spenden vor der Insolvenz bewahrt.

Dass auch Union für seine Fans eine echte Herzensangelegenheit ist, zeigt sich auf der sonntäglichen Versammlung während der zwischenzeitlichen Fragerunde. „Hallo, ick bin Smiley“, meldet sich ein Fan mit Käppi und Schal zu Wort und präsentiert den Vereinsverantwortlichen statt einer Nachfrage einfach einen Strauß Rote Rosen. Näher kommt man sich an diesem Nachmittag nicht mehr.

Gegen das Trauma Henry

– Irland will in den EM-Playoffs gegen Estland das Handspiel des Franzosen vergessen

Berlin/Tallinn (dapd). Der irische Alptraum besteht aus einem langen Freistoß, einer Ballannahme plus Querpass und einem Abstauber auf der Torlinie. Der Torschütze (William Gallas) wird bald ebenso vergessen sein wie der Freistoßausführende (Florent Malouda). Der Name des Zwischenmannes aber wird wohl auf ewig in den Pubs von Dublin widerhallen. Thierry Henry. Sein Handspiel vor dem 1:1-Ausgleich in der Verlängerung brachte die wackere irische Fußballnation um den Lohn ihrer Mühen, die WM-Teilnahme 2010.

Ziemlich genau zwei Jahre später wollen Irlands Fußballer das Kapitel Henry für sich abschließen. Sie wollen Estland in zwei Playoff-Spielen am Freitag (in Tallinn) und Dienstag (in Dublin) schlagen und an der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine teilnehmen. Es wäre das erste Mal seit 1988, das zweite Mal überhaupt.

„Jeder hat diese Narbe. Die Wunde ist noch da“, sagte Verteidiger Stephen Kelly irischen Medien. „Wenn wir uns jetzt qualifizieren, wird sich das hoffentlich wie ein Pflaster darüberlegen und wir können es vergessen, es wird erledigt sein. Es ist uns frisch im Gedächtnis und wir sind alle sehr darum bemüht, so etwas nicht nochmals geschehen zu lassen.“

„Die Jungs waren sehr aufgebracht“

Irland spielt gegen Estland, aber auch gegen das Trauma Henry. Es wollte nicht in die Dickschädel dieser stolzen Sportsmänner, dass diese offensichtliche, himmelschreiende Ungerechtigkeit unbestraft blieb. „Die Jungs waren darüber damals sehr aufgebracht“, sagt Paul McShane, der damals im Pariser Stade de France eingewechselt wurde. „Hoffentlich haben wir diesmal ein bisschen Glück auf unserer Seite.“

Alles hatten sie damals versucht, doch noch Gerechtigkeit zu erfahren. Zunächst plädierten sie für ein Wiederholungsspiel, später dafür, als 33. Mannschaft für die WM zugelassen zu werden. Doch die FIFA beharrte unerbittlich auf der Tatsachenentscheidung von Schiedsrichter Martin Hansson aus Schweden.

Auch über die erst nachträglich beschlossene Setzliste, die die großen Nationen bevorzugte, protestierten die Iren vor zwei Jahren. Diesmal haben sie selbst von dem Ranking profitiert. Als 13. der UEFA-Rangliste wurden sie der Nummer 37 in Europa zugelost.

Irland ist Favorit – das ist ungewohnt

Das Team von Giovanni Trapattoni ist gegen Estland Favorit, auch weil das Rückspiel in der eigenen Hauptstadt stattfindet. Eine ungewohnte Situation. Schon warnt Keeper Shay Given, der vor zwei Jahren den besten Blick auf Henrys Hand hatte und am vehementesten protestierte, vor ungebührlicher Euphorie: „Unsere Spieler und Fans müssen realistisch bleiben. Wir dürfen uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“, sagte der 35 Jahre alte Torwart der „Irish Times“, der darauf hinwies, dass die Esten in ihrer Gruppe immerhin Serbien und Slowenien schlugen.

Im Auswärtsspiel sind die Iren dezimiert, die Verletzten John O’Shea, Shane Long und Liam Lawrence fehlen ebenso wie der gesperrte Kevin Doyle und Leon Best. „Wir dürfen keine Angst haben, wir müssen daran glauben und zuversichtlich sein, dass wir diesmal an der Reihe sind. Es ist eine große Chance für uns“, sagte Given.

Wenn er und seine Kollegen sie tatsächlich nutzen, könnte es sein, dass die künftigen Generationen in Dublins Pubs statt über diesen Henry viel lieber über die irischen Heldentaten reden: Wisst ihr noch, damals, in Polen und der Ukraine?

Stadien, Straßen und Hunde

– Wie sich die Ukraine auf die Fußball-EM vorbereitet

Berlin (dapd). In Lwiw wurde vorletzte Woche das letzte der vier ukrainischen EM-Stadien eröffnet. Für den feierlichen Anlass hatten die Veranstalter eine Perle der westlichen Kultur verpflichtet: Die amerikanische Popbardin Anastacia schmetterte ihre größten Hits.

Die Blickrichtung geht gen Westen, sieben Monate vor dem Fußball-Großereignis Europameisterschaft, das die Ukraine zusammen mit Polen ausrichtet. „Es ist ein geopolitisches Projekt“, sagt der ukrainische Turnierdirektor Markijan Lubkiwski, und weist daraufhin, er sehe das schon als früherer Diplomat so: „Ich vergleiche die Rolle der UEFA mit der EU, sie bringt uns näher an Europa.“

Die Offiziellen machen keinen Hehl daraus, dass die Co-Organisation des weltweit zweitgrößten Fußball-Events eine Herkules-Aufgabe ist. „Es ist relativ einfach, eine EM in gut entwickelten Ländern wie Österreich oder der Schweiz zu organisieren“, sagt Lubkiwski. „Für uns ist es eine doppelte Aufgabe. Wir müssen uns auch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens ändern.“

Endlich positive Schlagzeilen nach „Verfehlungen“

Sieben Monate vor Turnierbeginn haben die Ukrainer mit der Fertigstellung aller Arenen den wichtigsten Teil der EM-Projekte geschafft – anders als die Polen, die immer noch am Nationalstadion von Warschau werkeln. Das nimmt man weiter östlich gerne zur Kenntnis.

Die Ukraine sorgt endlich einmal für positive Schlagzeilen. In den vergangenen Monaten waren neben den schleppenden Baumaßnahmen hauptsächlich die marodierenden Hooligan-Horden und die bestialische Tötung von Straßenhunden Thema in westlichen Medien. „Wir kämpfen gegen viele Vorurteile, die entstanden sind, ohne dass die Leute selber da waren“, sagt UEFA-Cheforganisator Martin Kallen.

Der Schweizer gibt jedoch offen zu, dass es „Verfehlungen“ gab beim Thema Straßenhunde. Tierschutzverbände hatten darauf hingewiesen, dass streunende Hunde teilweise in mobilen Krematorien lebendig verbrannt würden. Die UEFA hatte ursprünglich die Ukrainer in dieser Frage unterstützt, sogar einen „kleineren Geldbetrag“ überwiesen, wie Kallen sagt. Nur die Art und Weise, wie das Hundeproblem dann vor Ort in Angriff genommen wurde, war dann gar nicht im Sinne des Ausrichters – jede Menge schlechte PR die Folge. Die UEFA habe sich mit allen vier Bürgermeistern und der ukrainischen Regierung in Verbindung gesetzt. „Wir haben auf das Problem hingewiesen, mehr steht nicht in unserer Macht“, sagt Kallen.

Mit manchem muss sich Kallen einfach abfinden. Zum Beispiel damit, dass die Autobahn-Projekte wegen Staats- und Wirtschaftskrise gar nicht erst begonnen wurden. Der EURO-Tourist bereist die Ukraine daher auf „vierspurigen Schnellstraßen“, die lediglich einen neuen Belag bekommen. Die Tausende Kilometer in die östlichen Städte Donezk und Charkiw werden die Fans ohnehin fliegen müssen. Landebahnen und neue Terminals sollen rechtzeitig fertig werden.

„Hooligans werden kein Problem sein“

Kallen muss auch darauf vertrauen, dass hinter den guten Worten mehr steckt als eine Beschwichtigungstaktik. „Hooligans werden kein Problem sein in den ukrainischen Stadien“, sagt etwa Turnierdirektor Lubkiwski. Natürlich gebe es Rivalitäten zwischen den Klubs, „aber wenn es um die Unterstützung der Nationalmannschaft geht, ist die Stimmung freundlich.“ Und wenn doch Übeltäter im kommenden Sommer auf der Bildfläche erscheinen sollten, beinhalte das ab 1. Januar gültige neue Gesetz alles Nötige. „Wir werden bereit sein, falls Hooligans auftauchen.“

In der verbleibenden Zeit wird vor allem „operativ“ getestet. Neu ist in der Ukraine zum Beispiel das hierzulande längst gängige Sicherheitssystem mit privaten Ordnern im Stadion, man sammelt gerade erste Erfahrungen: Bei den Eröffnungsfeiern in Kiew und Lwiw, und nun auch beim Länderspiel gegen Deutschland am Freitag (20.45 Uhr).

Bei manchem können die Organisatoren dann aber wirklich nichts machen. „Wir brauchen ein bisschen Glück mit der Auslosung“, sagt Kallen. Am 2. Dezember in Kiew stellt sich heraus, wie attraktiv die Anreise für die Fangruppen wird. Das benachbarte Russland in einer der beiden Gruppen in der Ukraine, die Deutschland-Gruppe in Polen, Schweden in der Danziger Gruppe C – das wäre Kallens Traumszenario. Dann werden die Fans in Scharen kommen, aus dem Osten wie aus dem Westen.

Das Bangen der Stars

– Nicht nur Cristiano Ronaldo könnte die EM verpassen

Berlin (dapd). Wo genau Wayne Rooney den Sommer 2008 verbracht hat, ist unerheblich. Er wird irgendwo am Strand gelegen haben. Wichtig ist, wo er ihn nicht verbracht: In Österreich und der Schweiz. Für die vergangene Fußball-Europameisterschaft konnten sich die Engländer bekanntlich nicht qualifizieren. Und am Freitag und Dienstag wird sie ebenfalls wieder mit im Spiel sein, die Angst vor dem Scheitern, wenn es in den Playoff-Duellen um die letzten vier Plätze bei der EM in Polen und der Ukraine geht.

Cristiano Ronaldos Ego ist legendär, doch selbst er wird vor den schwierigen Spielen gegen Bosnien vermutlich den einen oder anderen Moment des Zweifelns durchleben. Der Gedanke wäre nur menschlich: Was, wenn es doch schiefgeht? Gerade hat Ronaldo sein 100. Pflichtspieltor für seinen Klub Real Madrid erzielt, doch in dieser Länderspielpause geht es um mehr. Einer wie er kann sich eine verpasste EM, immerhin das zweitgrößte Fußballereignis weltweit, schlicht nicht leisten – vor seinen Sponsoren nicht, vor sich selbst schon gar nicht.

Alles werden er und seine Mitstreiter also in diese 180 plus x Minuten legen, wie Ronaldos Sturmkollege Helder Postiga bestätigt: „Wir sind komplett auf Bosnien konzentriert. Wir denken nur an die beiden Spiele.“ Wie eng das alles werden kann, wissen die Portugiesen. Vor zwei Jahren mühten sie sich, ohne Ronaldo, zu zwei knappen 1:0-Siegen gegen die Bosnier und damit zur WM in Südafrika.

Portugal gegen Bosnien ist zweifellos das Topduell der großen Namen. Auf der anderen Seite will Edin Dzeko sein Land zum Europa-Turnier schießen. Die Zeichen stehen gut: Nach halbjähriger Eingewöhnungsphase trifft der 37-Millionen-Euro-Mann für Manchester City mittlerweile, wie er will. Zehn Tore in neun Spielen in der Premier League, auch in den letzten beiden Gruppenspielen der EM-Qualifikation war er zur Stelle.

Bereits nach der Playoff-Auslosung Mitte Oktober schob Dzeko die Verantwortung hinüber zum Weltstar von Real: „Jedes Team, in dem Ronaldo spielt, ist Favorit.“ Sein Trainer Safet Susic sieht die beiden Topstürmer derweil fast schon auf Augenhöhe: „Warum sollte uns also nicht eine Überraschung gelingen? Die haben Cristiano Ronaldo, wir haben Edin Dzeko.“ Die Portugiesen kämpfen derweil auch für die eigene Erfolgsserie, seit 1996 sind sie bei EM-Turnieren immer mindestens ins Viertelfinale gekommen.

Auch bei den anderen Playoff-Paarungen könnten große Namen auf der Strecke bleiben. Dzekos kroatischer Premier-League-Kollege Luka Modric muss sich in zwei erwartbar hitzigen Spielen gegen die Türkei durchsetzen, ihm zur Seite steht eine ganze Armada derzeitiger und ehemaliger Bundesliga-Profis, mit Wolfsburgs Mario Mandzukic an der Spitze. Die Türken ihrerseits verfügen seit diesem Jahr über zwei Profis von Real Madrid. Während Hamit Altintop seine Mannschaft wie gewohnt als Kapitän aufs Feld führen wird, ist Nuri Sahin nach langer Verletzung noch nicht mit dabei.

Die Tschechen Tomas Rosicky und Milan Baros sind mit ihren mittlerweile 31 und 30 Jahren schon als Altstars zu klassifizieren, ihr großer Auftritt auf Europas Bühne liegt bereits sieben Jahre zurück. Gegen Montenegro um die Italien-Profis Mirko Vucinic (Juventus) und Stevan Jovetic (Florenz) will der Halbfinalist von 2004 nach dem Vorrunden-Aus 2008 nun zunächst das Minimalziel erreichen: Die Verlosung der EM-Gruppen am 2. Dezember in Kiew. Je nach Verlauf der Playoff-Spiele dürfte dann der eine oder andere Starspieler zähneknirschend auf dem heimischen Sofa sitzen.

Mit Ailton an die Spitze

– APOEL Nikosia überrascht Europas Elite – Erster vor Zenit und Porto

Berlin/Nikosia (dapd). Zuhause sind sie schon lange eine Macht. Ihr Name hallt klangvoll wider, von Paphos bis Famagusta. 21 Mal schon haben die Fußballer von Apoel Nikosia die zyprische Meisterschaft gewonnen, und es könnte gut sein, dass im Sommer Titel Nummer 22 dazukommt. Doch vielleicht brechen sie noch ein, die Spieler von Trainer Ivan Jovanovic, denn sie leisten derzeit geradezu Unglaubliches als Gruppenerster in der Champions League und tun dies unter Umständen auch im kommenden Frühjahr noch – das wiederum wäre neu.

Am Dienstag haben sie den Europa-League-Sieger FC Porto geschlagen, auf ganz wunderbare Weise. In der 89. Minute hatte Portos Superheld Hulk per Elfmeter den lange erwarteten Ausgleich für den Favoriten erzielt. Doch dann ließen die lässigen Portugiesen die flinken Zyprer noch einmal kontern, und Gustavo Manduca vollendete einen messerscharfen Konter zum Siegtreffer. „Das ist sicherlich einer der wichtigsten Momente in der Geschichte dieses Teams“, sagte Coach Jovanovic. APOEL Nikosia ist nach vier Spielen Spitzenreiter der Gruppe G. Mit acht Punkten knapp vor Zenit St. Petersburg (7) und dem FC Porto (4). „Das ist wirklich ein historisches Resultat für den Klub“, sagte Jovanovic.

Umgeben von 22.000 Verrückten

Keiner hatte sie auf dem Zettel, natürlich nicht. Nikosia? Zypern? Wie soll man als europäisches Spitzenteam die Reise auf die ferne Insel auch ernst nehmen? Ein kurzer Trip in die Sonne, verziert mit drei Punkten und einer hübschen Prämie. Mehr nicht. Und plötzlich ist man von 22.000 Verrückten umgeben.

„Sie haben gezeigt, dass sie zu den besten Fans der Welt gehören“, schwärmte Manduca. „Sie haben uns 90 Minuten lang nach vorne getrieben, gesungen und daran geglaubt, und sie haben uns das spüren lassen.“ Nach dem Schlusspfiff tanzten die kanariengelben APOEL-Spieler dann zusammen mit ihrem treuen Anhang.

Schlüssel zum Fußballwunder Marke „Gallisches Dorf“ ist zum einen eine gesunde Selbsteinschätzung: „Wir wissen wer wir sind, wir kennen unsere Gegner, wir haben großen Respekt vor Porto, Zenit, Schachtjor“, sagte Jovanovic (was bei besagten Gegnern umgekehrt nicht unbedingt der Fall sein dürfte). „Wir haben viel Selbstvertrauen und gehen in diese Spiele, um zu zeigen, zu was wir fähig sind.“

Zum anderen ist der athletische Fußballklub der Hellenen aus Lefkosia, kurz: APOEL, auf fast erschreckende Weise effizient: Zwei Torschüsse reichten zum 2:1-Sieg gegen Porto. Vorne hilft nicht der liebe Gott, sondern einer, dessen Name für Spektakel spricht: Ailton. Der Namensvetter des ehemaligen Bundesliga-„Kugelblitzes“ ist Brasilianer, 27 Jahre alt, war vorher beim FC Kopenhagen, davor in Schweden. In diesem Jahr kommt er bislang auf sieben Tore in neun Champions-League-Einsätzen, Qualifikation mitgerechnet. „Wir haben viel geleistet, um unsere Punkte zu holen. Wir verdienen es, hier zu sein. Wir haben große Qualität als Team gezeigt“, stellte Ailton fest.

Gegen Wisla schon so gut wie draußen

Dabei schien es vorbei zu sein, bevor es anfing: Im Qualifikations-Playoff gegen Wisla Krakau waren die athletischen Hellenen nach dem 0:1 im Hinspiel und beim Stand von 2:1 im Rematch ausgeschieden, als Ailton, wer sonst, in der 87. Minute das Tor zum großen Geld aufstieß. In der Gruppenphase folgen die Ergebnisse bislang der goldenen Regel: 2:1 zuhause, 1:1 auswärts. Wenn das so weiter geht, steht dem Achtelfinale nichts mehr im Wege – es ist ohnehin nur noch ein Sieg aus den letzten beiden Spielen nötig.

Der nächste Gegner aber könnte für das Ensemble der Brasilianer, Portugiesen und Zyprer der schwerste sein. Am 23. November geht es in St. Petersburg gegen Väterchen Frost. Für das kommende Ligaspiel am Samstag sind dagegen erst einmal wohlige 20 Grad und Sonnenschein angesagt. Der Gegner heißt übrigens Nea Salamis und kommt aus Famagusta.

Der ewig Strebende feiert Jubiläum

– Cristiano Ronaldo vor seinem 100. Einsatz für Real Madrid

Berlin (dapd). Es ist eine Szene, die ein bisschen was erzählt über den Ehrgeiz dieses jungen Mannes. Völlig außer sich ist er, biegt und streckt sich wie eine wild gewordene Schraubfeder. Gestikuliert und schimpft. Reißt sich die Binde vom Arm und schmeißt sie ins Gras.

Gerade ist Cristiano Ronaldo ein großartiges Tor kaputt gemacht worden, ein Tor, vor dem er den Weltmeister Pique mit einer Körpertäuschung hat ins Leere grätschen lassen, sich den Weltmeister Xabi Alonso mit einem blitzschnellen Sohlentrick vom Leib gehalten, schließlich den Weltmeister-Torwart Iker Casillas mit einem Heber überlistet hat – das alles innerhalb von Zehntelsekunden. Und dann springt dieser Nani aus dem Abseits in den Ball und macht auf der Torlinie alles noch zunichte.

Da kann man sich schon mal aufregen.

Cristiano Ronaldo, 26 Jahre, Fußballprofi bei Real Madrid, will den Erfolg so sehr wie wenige sonst. In der Jugend lachten seine Mitspieler ihn aus wegen seines Madeira-Slangs. Vielleicht will er es ihnen allen immer noch beweisen.

Für Real bestreitet Ronaldo am Samstag sein 100. Pflichtspiel. Wenn er fünf Tore schießt gegen Betis Sevilla, was nicht ganz ausgeschlossen ist bei einem wie ihm, feiert er ein doppeltes Jubiläum. Aktuell steht er bei 95 Treffern. Das ist im modernen Fußball schlichtweg der Wahnsinn.

„Jeder, der den Fußball liebt, freut sich, wenn Cristiano Ronaldo spielt“, hat er kürzlich erst gesagt. Darüber lässt sich trefflich streiten. Nicht wenigen geht die extrovertierte, zuweilen selbstverliebte Art des Portugiesen auf die Nerven. Seine sportliche Bilanz ist jedoch über jeden Zweifel erhaben. Im Star-Team von Real bekommt er das Futter, das er braucht. Mit erwähntem Resultat.

Ronaldos Ambition ist grenzenlos. Im letzten Jahr, als die Meisterschaft längst zugunsten des FC Barcelona entschieden war, lieferte er sich ein Privatduell mit Lionel Messi um die spanische Torjägerkrone. Um gar nicht erst groß rechnen zu müssen, schoss Ronaldo in den letzten vier Spielen elf Tore. Am Ende hatte er 40 Treffer erzielt, neun mehr als Messi, der wiederum elf mehr hatte als der nächste. 40 Tore in 34 Spielen.

Die Kritiker halten ihm vor, dass er mit Portugal noch keinen Titel gewonnen hat. 2004 zum Beispiel, im EM-Finale zuhause gegen die Rumpel-Griechen. Das ist ungerecht. Wäre es nicht viel eher an einem wie Luis Figo gewesen, dem 31 Jahre alten Routinier, als an dem damals 19-jährigen Ronaldo, das Team aus der Lethargie zu reißen? Diese Woche verpassten die Portugiesen mal wieder die direkte Qualifikation für ein großes Turnier. In den Playoffs wird sie sich mal wieder auf ihn verlassen müssen, diese Landesauswahl, die an einem schlechten Tag auch mal 4:4 gegen Zypern spielt.

Nein, auch in großen Spielen fällt er nicht ab, der Mann, der Real Madrid im April in der Verlängerung zum ersten Pokalsieg seit 18 Jahren köpfte.

In Wahrheit gibt es wohl wenige, die so hart an sich und ihrer Form arbeiten wie Ronaldo – man muss sich nur mal diesen Oberkörper anschauen. Und selbst im Bett macht er ja noch fleißig Rumpfübungen, nach allem was man so hört.

Bleibt zu gratulieren zum Hundertsten, mehr als ein Zwischenschritt ist es nicht für den ewig Strebenden. Sie werden ihn gebührend feiern am Samstag im Estadio Santiago Bernabeu. Vielleicht sogar für ein doppeltes Jubiläum. Auszuschließen ist es, wie gesagt, nicht.

Hellblau ist die Hoffnung

– Miroslav Klose will beim Römer Derby am Sonntag unbedingt spielen – Bei Lazio ist er aufgeblüht

Berlin (dapd). Dabei sein ist alles. Wie gut das passt. Die Gründer von Lazio Rom schenkten Miroslav Kloses Klub vor 111 Jahren das Hellblau der griechischen Nationalflagge, als Referenz an die olympische Bewegung. Dabei sein ist alles, auch für Klose, der seinen Knieproblemen zum Trotz am Sonntag unbedingt Fußball spielen will. Dann trifft Lazio auf den ewigen Stadtrivalen AS. Für den deutschen Nationalstürmer wäre es das erste ganz große Highlight seit seiner Alpenüberquerung im Sommer.

Klose will dabei sein. Immer. „Für mich war es wichtig, in einer Mannschaft gebraucht zu werden“, sagte er unlängst als Erklärung für seinen Wechsel von Bayern München in die Serie A der „Rheinpfalz“, die dort erscheint, wo sie Klose immer noch am liebsten haben, den Pfälzer Bub aus Kusel.

Bei Lazio Rom wird Klose gebraucht. Immer. Trainer Edoardo Reja hat ihn bislang stets von Anfang an gebracht. Der Deutsche dankt es ihm. Drei von sieben Lazio-Toren hat Klose in der Liga erzielt – und auch in der Europa League bislang bei jedem Einsatz getroffen. Fünf Pflichtspieltreffer – dafür brauchte er bei den Bayern zuletzt ein ganzes Jahr. Weil man ihm dort das Gefühl gab, nicht gebraucht zu werden. Eingewechselt wurde er, irgendwo in der Grauzone zwischen 63. und 83. Minute. Nichts für einen wie Klose.

Denn bloß dabei zu sein, reicht ihm natürlich nicht. Er will laufen, kämpfen, treffen, den sprichwörtlichen Unterschied machen. Wenn man sieht, wie sich Klose im hellblauen Jersey über den Platz bewegt, aufrecht, explosiv, gefährlich, und das vergleicht mit dem gebeugten, schon abwesenden Klose, der in seinem vorerst letzten Bundesliga-Spiel das leere Tor aus Meterweite verfehlte – dann will man nicht glauben, dass das derselbe Fußballspieler ist.

„Das Spiel des Jahres für die Stadt“

An der Seite von Sturmpartner Djibril Cisse blüht Klose auf, aber auch ohne ihn, wie im Europa-League-Spiel bei Sporting Lissabon, als er zur Halbzeit plangemäß für den Franzosen ausgewechselt wurde, vorher aber schnell noch sein Törchen machte.

Nun also das Römer Derby. Die weinrote Roma hat die letzten fünf gewonnen. „Es ist das Spiel des Jahres für die Stadt“, sagt Thomas Berthold, AS-Spieler von 1989 bis 1991. „Mit einem Derbysieg kannst du alles wieder gut machen, du kannst mit einem Spiel die ganze Saison retten.“

Zu retten gilt es für die zwei Erzfeinde neben der Herrschaft über die Stadt einstweilen auch den Kontakt nach oben. Beide Klubs stehen nach durchwachsenem Start drei Punkte hinter Tabellenführer Juventus.

Berthold weiß, dass nichts die Gemüter der Römer so bewegt wie dieses Spiel. Er hat es selbst erfahren, am intensivsten kurz vor der Fußball-WM 1990. Die Roma gewann damals das Derby mit 1:0, Lazio beendete die Partie mit acht Feldspielern. Schon während des Spiels, für das man ausnahmsweise ins Stadio Flaminio auswich, weil das Olympiastadion umgebaut wurde, hätten die Anhänger die riesigen Plexiglasscheiben zwischen den Blocks mit Steinen und anderem Werkzeug abgetragen, erinnert sich Berthold: „So schnell wie wir war wahrscheinlich noch nie eine Mannschaft nach dem Schlusspfiff vom Platz.“

„Er hat super eingeschlagen“

Die Serie A verfolgt Berthold noch immer genau – wie auch Kloses Werdegang in Italien: „Er hat super eingeschlagen, ich freue mich sehr für ihn. Er ist ein toller Stürmer, ein toller Profi, Rom wird ihm generell guttun, das mildere Klima, die fantastische Lebensqualität.“ Kein Zweifel: Der 33 Jahre alte Klose hat diese Luftveränderung gebraucht.

Und wenn es mit einem Einsatz am Sonntag klappt, dann ist nicht auszuschließen, dass ein Deutscher mal wieder ein Römer Derby entscheidet. So wie vor 21 Jahren, als in der 30. Minute ein gewisser Rudi Völler den Siegtreffer für die Roma erzielte.

Wem die Stunde mehrfach schlägt

– Deutsche U21 siegt locker mit 8:0 in San Marino und übt sich in Understatement

Berlin/Serravalle (dapd). Die Glocken läuteten so schön am Montagabend gegen zehn nach acht in der stolzen Republik San Marino. Ihr klarer Klang schallte durch das Stadio Olimpico von Serravalle, das mit 7.000 Plätzen wohl das kleinste Olympiastadion der Welt ist. Noch dauerte das mehrstimmige Konzert an, da klingelte es auch schon anderweitig.

Die deutsche U21-Nationalmannschaft ließ sich vom Gebimmel nicht beirren: Peniel Mlapa von der TSG Hoffenheim hatte mit zwei schnellen Treffern bereits nach fünf Minuten die Vorentscheidung in dieser Partie herausgeschossen, als die Glocken verstummten und sich eine gespenstische Stille über Serravalle legte. „So einen Start hatte ich noch in einem Wettbewerbsspiel“, wunderte sich der eifrige Torschütze, der später noch ein drittes Erfolgserlebnis feiern durfte.

Schwer als Pflichtspiel zu erkennen

Nun war dieser Kick in der fortan stillen Nacht von San Marino für Uneingeweihte auch schwer als Pflichtspiel zu erkennen. Rund 500 Zuschauer verloren sich auf den Rängen, die Geräuschkulisse glich ebenso wie das Geschehen auf dem Rasen einem Vergleich zu Testzwecken zwischen, sagen wir: einem Bundesligisten und einer Regionalliga-Mannschaft.

„San Marino hat sich ausschließlich auf die Defensive konzentriert“, stellte DFB-Kapitän Tony Jantschke korrekt fest. Mit nicht immer fairen Mitteln versuchten die Fußball-Amateure aus dem Zwergenstaat, wenigstens das größte Unheil zu verhindern. Und so durften sie sich nach 90 Minuten zumindest über einen kleinen Erfolg freuen: Einen neuen Rekordsieg feierte die Elf von Rainer Adrion beim 8:0 (5:0) nicht – dazu fehlten vier Treffer.

Adrion wusste das Gesehene dann auch richtig einzuordnen: „Die Tabelle sieht zwar gut aus, aber wir haben als einzige Mannschaft schon zwei Mal gegen San Marino gespielt“, sagte er und verwies auf größere Prüfungen in den Auswärtsspielen in Griechenland und auf Zypern.

„Weiter Weg bis zur EM“

Nun sollten auch diese Spiele für die technisch und körperlich sehr gut ausgebildete deutsche Nachwuchs-Auswahl machbar sein, schließlich ist sie mit fünf Siegen aus fünf Spielen sowie 23:1 Toren bislang nur so durch die Qualifikation für die EM 2013 gepflügt. Eine ähnlich souveräne Bilanz bislang wie das „große“ Team von Joachim Löw. Und selbst das Understatement sitzt schon: „Wir wissen auch, dass es noch ein weiter Weg bis zur EM ist“, sagte etwa Mlapa. Doch auch er wird wissen, dass alles andere als der Gruppensieg bei dieser Ausgangslage nicht mehr vermittelbar ist.

Sehr zufrieden über die 90-minütige Trainingseinheit vom Montag dürften auch die Vereinstrainer sein. Mlapa (noch kein Saisontor für Hoffenheim) nutzte ebenso wie Doppeltorschütze Alexander Esswein, der für den 1. FC Nürnberg bisher einmal traf, die Gelegenheit, ihr Gespür für Pflichtspieltore zu üben. Und auch der achtfach überwundene Torwart Mattia Manzaroli freut sich wohl auf die Rückkehr zu seinem Klub. Für den AC Juvenes/Dogana musste er zuletzt nur einmal den Ball aus dem Netz holen.

Die Großen bleiben zuhause

– Nigeria und Südafrika verpassen wie Ägypten und Kamerun die Afrika-Cup-Qualifikation

Berlin/Johannesburg (dapd). Stellen wir uns die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr ohne Deutschland, Spanien und die Niederlande vor. Unmöglich? Anderswo nicht: Beim Afrika-Cup im Januar und Februar 2012 werden die großen Namen des Kontinents vor dem Fernseher sitzen. Nach Ägypten und Kamerun schafften es auch Nigeria und WM-Gastgeber Südafrika am Samstag nicht, sich für das Turnier in Gabun und Äquatorialguinea zu qualifizieren.

Mit 14 Titeln geht mehr als die Hälfte aller bisher vergebenen auf das Konto dieses Quartetts. Auch das stolze Algerien, 1990 Kontinental-Sieger und vor einem Jahr WM-Teilnehmer, hat vor dem abschließenden Spiel am Sonntagabend keine Chancen mehr auf die Teilnahme. Mit dem siebenmaligen Champion Ägypten fehlt der Dauersieger der letzten Jahre, die Nordafrikaner haben die letzten drei Turniere allesamt gewonnen. Ihre Serie von 19 Turnierspielen ohne Niederlage werden sie vorerst nicht weiterführen können.

Schalke-Erlebnis für die „Bafana Bafana“

Besonders bitter verlief der Samstagabend für die Südafrikaner. In Nelspruit spielten sich Szenen ab, die man hierzulande in ähnlicher Form im Mai 2001 im Gelsenkirchener Parkstadion gesehen hat.

Die Spieler der „Bafana Bafana“ tanzten nach dem 0:0 gegen Sierra Leone schon mit den Fans und setzten zur Ehrenrunde an, als die Nachricht durchsickerte, dass statt des WM-Gastgebers das punktgleiche Team aus Niger trotz der schlechten Tordifferenz qualifiziert war. Selbst Coach Pitso Mosimane konnte das Reglement nicht durchdringen: „Haben wir uns qualifiziert? Was meint ihr?“, fragte er in die Runde. „Wenn wir uns qualifiziert haben, bin ich sehr glücklich. Ich weiß es nicht.“ Nein, Südafrika wird nicht dabei sein. Niger dagegen ist zum ersten Mal qualifiziert – dank des gewonnenen direkten Vergleichs.

Ultimatum für Nigeria-Coach

Nigeria, zweimaliger Afrika-Cup-Gewinner, kam gegen Guinea nicht über ein 2:2 hinaus – und schaffte zum ersten Mal seit 1986 die sportliche Qualifikation nicht. Trainer Samson Siasia ereilte der geballte Zorn des Verbands: Er bekam 48 Stunden Zeit, „die schwache Vorstellung der Super Eagles in den Qualifikationsspielen zu erklären“, wie der Verband am Sonntag mitteilte. Am Ende des Ultimatums dürfte wohl die Entlassung des Mannes stehen, der 1994 noch als Spieler den Cup in sein Heimatland holte.

Doch es gab auch gute Nachrichten für Afrikas Große: Ghana (2:0 im Sudan) und Tunesien (2:0 gegen Togo), die ebenfalls noch um die Teilnahme bangten, gewannen ihre Schicksalsspiele. Ihre Gegner Anfang kommenden Jahres lauten unter anderem: Botswana, Burkina Faso, Mali, Guinea, Sambia, Niger, Angola, Gabun und Äquatorialguinea.

„Viele mit meinen Anlagen gab es nicht“

– Yildiray Bastürk entschied sich, für die Türkei zu spielen – auch weil der DFB sich nicht für ihn interessierte

Berlin (dapd). Yildiray Bastürk, 1978 im westfälischen Herne geboren, absolvierte insgesamt 49 Länderspiele für die Türkei und wurde mit dem Heimatland seiner Eltern WM-Dritter 2002. Im Gespräch mit dapd-Korrespondent Johannes Ehrmann erklärt der 249-malige Bundesligaspieler, warum er nie für Deutschland auflief und spricht über die Unterschiede zwischen der Situation vor zehn Jahren und heute.

dapd: Der türkische Europa-Scout Erdal Keser betont immer wieder, dass die Entscheidung für eine Nationalmannschaft eine Herzensangelegenheit sein sollte. War es das für Sie damals?

Bastürk: Zu meiner Zeit war alles ja noch ein bisschen anders als heute, Spieler mit Migrationshintergrund gab es ja praktisch gar keine. Außerdem habe ich sehr früh, nämlich bei der U16, angefangen, für die Türkei zu spielen. Dann noch den Verband zu wechseln, war damals schwieriger als heute.

dapd: Hat sich der DFB nicht für Sie interessiert?

Bastürk: Erst anderthalb Jahre später, als ich 18 war. Ich spielte in der Westfalen-Auswahl und wurde rings um ein Länderspiel in Duisburg gefragt, ob ich Lust hätte, für Deutschland zu spielen.

dapd: Aber Sie hatten keine?

Bastürk: Ich hatte einfach schon einige Turniere mit den türkischen Spielern zusammen gespielt und viel Spaß mit der türkischen Mannschaft gehabt, von daher war die Sache schon erledigt für mich.

dapd: Wie war denn der erste Kontakt zum türkischen Verband zustande gekommen?

Bastürk: Das ging von mir aus. Ich habe meinen Jugendleiter bei Wattenscheid 09 gefragt, ob es die Möglichkeit gibt, den Kontakt zum türkischen Verband herzustellen. Zufällig war nur eine Woche später ein Sichtungslehrgang für 14- bis 17-Jährige in München. Der Jugendleiter fuhr mich und einen Mitspieler hin. Ich habe zwei Spiele gemacht, am Ende wurden vier oder fünf von sechzig Teilnehmern ausgewählt. Ich war dabei.

dapd: Kaum zu glauben, dass Ihre Nationalmannschaftskarriere auf eine persönliche Initiative zurückging.

Bastürk: Damals waren die Türkei aber auch Deutschland noch bei weitem nicht auf dem Stand wie heute, was die Sichtung betrifft.

dapd: Welchen Einfluss haben Ihre Eltern genommen?

Bastürk: Die haben sich eigentlich völlig rausgehalten, weil sie auch gar nichts von Fußball verstehen. Mein Bruder hatte Einfluss, aber es war meine eigene Entscheidung.

dapd: Das erste Länderspiel bestritten Sie als 19-Jähriger 1998 gegen Albanien, dann aber hatten Sie drei Jahre keinen Einsatz mehr für die A-Auswahl.

Bastürk: Ja, das stimmt. In der Türkei dachte man sich wohl, komm, den laden wir ein, dann haben wir ihn auf der sicheren Seite. Mustafa Denizli hat mich damals berufen, ich habe aber, glaube ich, nur zwei oder drei Minuten gespielt. Danach wurde ich dann zwei, drei Jahre lang in der türkischen U21 eingesetzt.

dapd: Hätten Sie sich auch eine Karriere im DFB-Trikot zugetraut?

Bastürk: Auf jeden Fall. Sehen Sie, ich habe ja mit 22 schon mit Bayer Leverkusen in der Champions League gespielt, mit 23 habe ich an der WM teilgenommen. Ich denke schon, dass ich auch in Deutschland meine Chance gehabt hätte, so viele Spieler mit meinen Anlagen gab es ja damals nicht.

dapd: Vor zehn Jahren herrschte in Deutschland im Gegensatz zu heute ein großer Mangel an kreativen Mittelfeldspielern.

Bastürk: Jürgen Klinsmann sagte später einmal, dass ein Mann wie ich der deutschen Mannschaft gut getan hätte. Aber die Zeiten waren eben andere, wie ich schon sagte. Spieler mit Migrationshintergrund gab es kaum im deutschen Team. Das fing ja gerade erst an, mit Gerald Asamoah zum Beispiel.

dapd: Rückblickend haben Sie vieles richtig gemacht mit Ihrer Entscheidung. 2002 wurden Sie sensationell WM-Dritter mit der Türkei. Ihre schönste Erinnerung der Karriere?

Bastürk: Das Jahr 2002 allgemein, die Saison mit Leverkusen und dann die WM mit der Türkei. Schon als wir uns nach fast 50 Jahren das erste Mal wieder qualifiziert hatten, war die Euphorie sehr groß. Die WM war ein großartiges Turnier mit einer großartigen Mannschaft: Hakan Sükür, Ilhan Mansiz, Bülent Korkmaz. Wenn Sie heute durch die Türkei fahren und die Leute nach der besten türkischen Mannschaft fragen, werden sehr viele das Team von 2002 nennen. Vergleichbar war die Begeisterung nur noch 2008 während der EM.

dapd: Da schied die Türkei erst im Halbfinale aus – gegen Deutschland. Sie waren nicht dabei, weil Fatih Terim Sie vor dem Turnier aus dem Kader strich.

Bastürk: Das war eine negative Erfahrung, die mich sehr lange begleitet hat und mich manchmal immer noch belastet. Das war der tiefste Punkt meiner Karriere, eine große Enttäuschung. Ich konnte die Entscheidung wie viele andere nicht nachvollziehen. Aber so ist der Fußball, man kann nicht nur Höhen haben.

dapd: Nuri Sahin, die Altintops, jetzt Ömer Toprak – nach Ihnen haben sich zahlreiche Deutsch-Türken für die türkische Auswahl entschieden. Manche sagen, das sei unfair gegenüber dem deutschen Verband und den Klubs, die sie für viel Geld ausgebildet haben.

Bastürk: Ich kann das verstehen, wenn man so viel in einen Spieler investiert hat. Aber auch die andere Seite ist für mich nachvollziehbar. Ich weiß nicht, ob Ömer Toprak eine Perspektive in der deutschen Nationalmannschaft gehabt hätte oder nicht. Das kann ich nicht beurteilen. Jeder Spieler ist selbst verantwortlich für seine Entscheidung. Wie gesagt, ich verstehe beide Seiten.