Dead Döner (5 Minuten Stadt)

Ein Dienstag, nicht zu spät. Der Nettelbeckplatz liegt im allerletzten Sonnenlicht. Auf den Parkbänken bereits die ersten Biertrinker.

Im Dönerladen an der Ecke versorgen drei Mann den Wedding mit dem Abendbrot. Am Spieß genügend Fleisch noch für ein paar Stunden. Im Schaufenster dreht sich traurig ein halbes Dutzend Hühnchen. Bestlaune dagegen bei der Besatzung, drei fröhliche Gesichter, glänzend von Arbeit und Bratfett. Schnelle, tausendfach geübte Handgriffe, die immer gleichen Fragen, neu variiert, Lahmacun nur mit Salat, ja, und die Pommes mit was.

Dazwischen der schnelle Background-Check beim Kunden an der Theke: Arab? Iraner? Farsi? Der zweite Gast, ein Afrikaner, hat sich gerade auf Englisch eine Dönerbox bestellt.

Hot sauce?

Can I eat it?

Yes, yes, no problem!

Okay.

Four-ninety.

Da bricht über das harmonische Gelärme der Kriegszustand herein.

Bamm-bamm-bamm, drei schnelle Schuss in Folge, direkt vor der Glastür, dann kurze Pause, bamm-bamm, noch zwei hinterher.

Alles zuckt zusammen.

Der Afrikaner ist aufgesprungen, schaut aus ängstlichen Augen nach draußen, den Kopf tief zwischen den Schultern, die nächste Salve erwartend, die jeden Moment durch die Scheiben fetzen kann, dies alles hier zu beenden.

What is this?, ruft er.

Dead, sagt der Dönerverkäufer nur und zuckt die Achseln.

Dead?! Es ist fast ein Kreischen.

Real gun?, fragt der Afrikaner dann, mit bebender Stimme, konsterniert, dass die drei Mann hinterm Tresen schon wieder ganz normal weiterarbeiten, Dauergrinsen, einmal zum Mitnehmen, Salat alles, ja.

Real gun?, fragt der Afrikaner noch mal, er steht immer noch halb geduckt mitten im Raum.

No, my friend, lacht der Dönermann, no, no. Gas! Gas!

Und dann zeigt er, bevor der kostbare Moment der Zweitönigkeit verfliegt, auf die braunen Hähnchen, die sich ungerührt weiterdrehen, langsam und braun.

Dead, sagt der Dönermann, haha, dead.

(Der Tagesspiegel, Mehr Berlin: 5 Minuten Stadt)