– Dirk Nowitzki ist auch im Finale in den entscheidenden Situationen dominant – Nur der NBA-Titel zählt
Berlin/Miami (dapd). Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund stand er auf dem Parkett, fast teilnahmslos nahm er die Glückwünsche der Kollegen entgegen. Sie boxten ihm auf die Brust, patschten ihm mit der flachen Hand gegen die erhobene Rechte. Sie jubelten und riefen wild durcheinander. Doch Dirk Nowitzki, schwer atmend noch von den letzten Sekunden des Spiels, starrte nur durch sie hindurch – und dann noch einmal hoch zur Anzeigetafel.
95:93 stand da. Die Punkte 87 bis 95, die da auf Seite der Gäste aufleuchteten, hatte Dirk Nowitzki selbst erzielt. Mit einem Sprungwurf und einem Korbleger hatte der 32-Jährige das Spiel 57,6 Sekunden vor dem Ende ausgeglichen, mit einem Dreier schließlich sein Team 26,7 Sekunden vor dem Schluss in Führung gebracht.
Nach zwischenzeitlich 15 Punkten Rückstand war Dallas auf einmal wieder da. Und auch der mit einen Sehnenabriss im linken Mittelfinger spielende Nowitzki hatte nach drei mehr als bescheidenen Vierteln im Schlussabschnitt doch noch zu seiner vertrauten Wurfstärke gefunden. „Sie haben unsere Offensive sehr gut im Griff gehabt, wir haben nicht viel hinbekommen. Erst im letzten Viertel haben wir dann endlich die Lücken gefunden“, sagte Nowitzki, der mit einer Schiene am lädierten Finger spielte.
„Wir hatten eine gute Position“
Beim Zurücklaufen nach seinem erfolgreichen Dreier zum 93:90 gönnte sich der Deutsche eine Jubelgeste, formte mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis, die restlichen drei Finger abgespreizt. Im Gegenzug aber ließ Jason Terry aber Mario Chalmers völlig frei an der Linie stehen, der zum Ausgleich traf. „Wir hatten immer noch eine gute Position“, sagte Nowitzki, der Terry auf dem Feld noch lautstark die Meinung gesagt hatte.
Die Mavericks also noch einmal im Angriff: Jason Kidd ließ zunächst die Uhr herunterlaufen und bediente dann Nowitzki. Der fintierte gegen Chris Bosh, drehte sich um ihn herum, zog zum Korb und warf den Ball in Bedrängnis mit der verletzten linken Hand zum Sieg durchs Netz.
2006 hatten die Mavericks im Finale gegen Miami eine 2:0-Führung noch aus der Hand gegeben. Nun könnte die Dynamik der Serie nach dem Ausgleich und dem Umzug nach Dallas zugunsten der Texaner kippen. „So sehr 2006 noch bei mir und Jet (Jason Terry) im Kopf ist, während des Spiels denkt man nicht daran“, sagte Nowitzki. „Man nimmt jeden Ballbesitz so, als wäre es der letzte in den Finals. Man denkt an nichts anderes als daran, diesen Sieg zu holen.“
Nowitzki hat ausgeglichen – gegen die Kritiker
Ganz egal wie die Final-Serie ausgehen wird, einen Sieger hat sie bereits jetzt. Nicht nur im Duell Dallas gegen Miami steht es nun 1:1. Auch Dirk Nowitzki hat ausgeglichen – gegen seine Kritiker. Gegen die, die ihm seit Jahren vorwerfen, er würde sich in den wichtigen Spielen, den entscheidenden Szenen verstecken. „No-winski“ haben sie ihn getauft, und mit jeder frühen Playoff-Niederlage seit 2006 sahen sie sich bestätigt. Drei Mal schied Nowitzki mit den Mavs schon in der ersten Runde, ein Mal in der zweiten. Auch weil seine Mitspieler sich gerne hinter dem Superstar aus Germany versteckten. Doch Nowitzki, seit 2002 immer All-Star, bester Europäer aller Zeiten, war für viele der Mann, der es unter Druck nicht brachte.
Auch in diesem Jahr unkten sie schon wieder, als die Mavericks das vierte Spiel gegen die Portland Trail Blazers im Schlussviertel aus der Hand gaben und den Ausgleich nach 2:0-Führung hinnehmen mussten. In Spiel fünf und sechs jedoch führte Nowitzki sein Team zum Sieg. Und mit dem 4:0 gegen den Vorjahresmeister Los Angeles Lakers machten die Texaner endgültig klar, dass sie Großes leisten können. Dass für ihn nur noch der Titel zählt, hatte Nowitzki bereits vor der Saison formuliert und noch einmal vor den Playoffs wiederholt.
21 von 21 Freiwürfen gegen Oklahoma
Den Beweis seiner Willenskraft trat der Würzburger im ersten Spiel gegen die Oklahoma City Thunder an, als unter seinen 48 Punkten auch 21 Freiwürfe waren – bei 21 Versuchen, ein NBA-Rekord. Vielleicht auch deshalb scheute Nowitzkis Gegenspieler Bosh in der entscheidenden Szene am Donnerstagabend (Ortszeit) das Foul gegen den Deutschen.
Selbst Nowitzki konnte sich hinterher nicht erklären, warum die Heat nicht schon früher foulten. Aber allzu viele Worte wollte er ohnehin nicht über die Szene des Spiels verlieren. Drei kleine englische Wörtchen sagte der 2,13-Mann ins TV-Mikrofon: „That was big.“ Dann bedankte er sich artig und entschwand in die Katakomben. Dirk Nowitzki hat noch etwas vor.