– Erste Halbzeit schlecht, zweite Halbzeit gut – am Ende zieht der HSV vorbei
Berlin (dapd). Nur wenige Minuten nach dem Abpfiff der Bundesliga-Partie zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV schien es, als wollte der dafür Zuständige einen schützenden, weißen Mantel über das zuvor Gesehene legen. Es fing kräftig an zu schneien. Mit reichlich Verspätung fiel er, Flocke um Flocke, dieser erste Schnee des Winters, Ende Januar. Ähnlich lange wie der Winter auf seinen Schnee warten die Berliner Fans nun schon auf ein Erfolgserlebnis ihrer Mannschaft. Die hatte am Samstag versucht, das neunte Heimspiel der laufenden Bundesliga-Saison zu gewinnen. Zum siebten Mal klappte das aber nicht, die Anzeigetafel wies einen 2:1-Auswärtserfolg des HSV aus.
Warum dem so war, darüber waren sich die Beteiligten einig. „Ganz desolat“, hatte Trainer Michael Skibbe sein Team gesehen – in der ersten Halbzeit. Was seine Mannschaft sich da zusammengespielt habe, sagte Skibbe weiter, sei „weit unter Bundesliga-Schnitt“ gewesen. Will heißen: Bestenfalls zweitklassig. Darüber sei zu reden, grollte der bislang glücklose Nachfolger des kurz vor der Winterpause offiziell nicht aus sportlichen Gründen entlassenen Markus Babbel.
Das Reden erledigte Skibbe vor dem Auslaufen am Sonntag. „Ich habe der Mannschaft etwas ins Büchlein geschrieben bezüglich der ersten Halbzeit“, sagte der Coach nur, deutete die Gesprächsinhalte dann aber immerhin an: Dazu zählte er die „große Lethargie“ und den „fehlenden Mut, Fußball spielen zu wollen“.
Seine Spieler widersprachen nicht. „Desolat“ nannte Andreas Ottl die ersten 45 Minuten, sein Kollege Fabian Lustenberger hatte mit „nicht gut“ noch die mildeste Formulierung parat. 0:2 hatten die Berliner zur Pause zurückgelegen, nach einem ersten Durchgang, bei dem sie ihre Zurückhaltung im Zweikampf nur durch die eigene Ideenlosigkeit im Spiel nach vorne übertrafen. „Wir haben keine Zweikämpfe gewinnen können, weil wir zu passiv gespielt und unsaubere Pässe gespielt haben“, befand Skibbe.
Hertha in den ersten 45 Minuten, das war ein Team, das den Ernst der Lage offenkundig völlig verkannte. Und sich einen absolut verdienten Zweitore-Rückstand einhandelte gegen einen Gegner, der nach der 1:5-Klatsche gegen Dortmund vor Wochenfrist sehr wohl auch seine zögerlichen Momente hatte. Hinterher freuten sich die Hamburger, dass es ihnen so einfach gemacht worden war: „Wir wollten offensiv auftreten, das haben wir auch getan. Unser Plan ist voll aufgegangen“, sagte Heiko Westermann. „Der Unterschied zu Dortmund war: Wir haben Fußball gespielt“, sagte Marcell Jansen, der das 1:0 erzielte. „Wenn ich viele Bälle bekomme, kann ich meine Stärken auch ausspielen.“ Viele Bälle bekam er, wie auch der sehr agile Rückkehrer Mladen Petric, dem kurz vor dem Halbzeitpfiff das zweite HSV-Tor gelang. „Wir wollen euch kämpfen sehen!“, hatten die Berliner Fans schon nach einer halben Stunde in die Eiseskälte gebrüllt.
Umso schlechter verdaulich wurde das alles für sie, weil sie dann doch noch die andere, bessere Seite der Hertha vorgeführt bekamen. Doch obwohl die Berliner in der zweiten Hälfte mit zunehmender Vehemenz das Tor ihrer Gäste bestürmten, gelang ihnen nicht mehr als Lasoggas Anschlusstreffer.
Zwischenzeitlich hatte man fast das Gefühl, die Hertha-Profis hätten vor dem Spiel beim Sportwettenanbieter ihres Vertrauens eine entsprechende Handicap-Wette abgeschlossen. Wenn dem so war, schauten sie ihrem Geld allesamt hinterher. Am Ende stand nur die nächste Heimniederlage und der ernüchternde Fakt, dass die Berliner nun auch offiziell die schlechteste Heimmannschaft der Bundesliga sind. Der FC Augsburg schob sich mit dem Punktgewinn gegen den 1. FC Kaiserslautern in dieser Wertung vorbei. Und auch in der Gesamtwertung wird der Boden nach unten immer dünner. Zwei Punkte sind es noch bis zum 16. Platz.
Zudem bricht Skibbe das verteidigende Personal weg: Innenverteidiger Christoph Janker fällt mit Jochbeinbruch sechs Wochen aus, Andre Mijatovic, für Janker erst ins Spiel gekommen, und Rechtsverteidiger Christian Lell fehlen beide in einer Woche gegen Hannover jeweils nach fünfter Gelber Karte. Zumindest bei Roman Hubnik, der mit dickem Knieverband in die Kabine gehumpelt war, gab es Entwarnung: Nur eine Prellung, am Dienstag soll er wieder trainieren.
Skibbe weiß, dass seine Improvisationskunst gefragt ist: „Für die kommende Woche wird es schwierig, einen Defensivverband aufzustellen, der in der Bundesliga das Tor auch mal dichthalten kann.“ Das jedoch dürfte die Grundvoraussetzung dafür sein, dass nach trainerübergreifenden acht Spielen ohne Sieg mal wieder drei Punkte in der Hauptstadt bleiben. Bis zum Frühling sollten sie damit nicht warten.