Der Wedding, dieser geheimnisvolle Stadtteil, steckt voller großartiger Geschichten. Nicht immer aber haben die Weddinger Lust, sie zu erzählen. Eine kleine Lektion Demut im Musikhaus an der Müllerstraße.
Zum ersten Mal las ich von ihr im Spätsommer vergangenen Jahres. „Wegen Flöten“, stand über dem Artikel, „84-jährige Musikladen-Besitzerin niedergestochen“. Eine Polizeimeldung direkt aus dem Wedding, aus der Müllerstraße, wo die alte Dame, so stand es zu lesen, seit 65 Jahren ihre Musikalienhandlung führe. Der Täter war geflohen, mit einer Flöte und einer Ziehharmonika, die Geschäftsinhaberin fand eine Kundin später hinter dem Verkaufstresen, aus mehreren Schnitten blutend.
Ein paar Monate später kam die Rede erneut auf den Musikladen, die Besitzerin, so erzählte mir einer, der den Wedding sehr gut kennt, sitze im Winter im Kalten in ihrem Laden, weil sie sich die Heizkosten nicht mehr leisten könne.
Aber sie sei immer noch da. Das ist der Wedding, sagte er, genau das. Da muss man doch mal hin. Da muss man doch mal was drüber machen.