– Fußballprofis tun sich mit Twitter wahnsinnig schwer – es sei denn, sie sind nicht echt (Tagesspiegel, Sport)
Es war ein Dienstagmorgen, und Robin Dutt hatte beste Laune. „500 Follower!“, schrieb er stolz bei Twitter: „Bei 1.000 krempele ich den DFB um.“ Ganz klare Ansage, garniert noch mit dem Schlagwort „#revolution“. Entsetzte Gesichter wird es an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, im Hauptquartier des Deutschen Fußball-Bunds, dennoch kaum gegeben haben. War natürlich nicht der echte Dutt. Und auch der humorige Kommentar zu Roman Weidenfellers Geburtstagsfoto, „We have a grandios Apfelkuchen gebacken“, stammte leider nicht vom DFB-Sportdirektor.
Nein, das Profil @Robin_Dutt ist ein Fake, es wird von einem der vielen anonymen Spaßmacher betrieben, die sich im Netz tummeln. Und Profile pflegen, die scheinbar Joachim Löw, Oliver Kahn oder Michael Ballack gehören. Wer sich nicht so gut auskennt, der kann sich zunächst einmal leicht in die Irre führen lassen – denn die Profilfotos sind echt, die Namen meist auch, Ausnahmen wie „Loddar Maddäus“ bestätigen die Regel. Immer zahlreicher werden sie, die falschen Fußball-Promis im Internet, und nur der geübte Nutzer entlarvt sie schnell: Ihnen fehlt das hellblaue Gütesiegel mit dem Häkchen hinter dem Namen, mit dem Twitter die echten Profile bekannter Menschen hervorhebt.
Wer nun ein bisschen in dieser Subkultur herumstöbert, dem Bundestrainer tief in die Mundart blickt oder mit Fredi Bobic in die Kabinengeheimnisse des VfB Stuttgart einsteigt, der ertappt sich irgendwann bei dem Gedanken, dass es doch eigentlich ein bisschen schade ist. Wäre es nicht eine Freude für alle Beteiligten, wenn tatsächlich der echte Kahn twittern würde: „Ich bin zu geil, ich bin zu geil, ich bin zu geil für diese Welt!“ Oder wenn Bayerns Jérôme Boateng, von dem man ansonsten noch nicht allzu viel Selbstironisches vernommen hat, seinen Hintergrund mit den „Bild“-Fotos der sommerlichen Lobby-Bekanntschaft Gina-Lisa Lohfink bestücken würde wie es sein unechtes Pendant @ChezRomeBoateng ganz lässig tut?
Ein ziemlich utopisches Szenario, zugegeben. Man müsste sich dafür schließlich nicht nur den Autorisierungseifer von Klubs und Verbänden, sondern auch die hysterischen Reaktionen vieler Medien wegdenken, die jeden noch so kleinen Satzfetzen aufklauben und nach ihrem Gusto breitschlagen.
In England ist man der Utopie jedoch ein ganzes Stückchen näher. Hier twittern aktuelle und ehemalige Profis häufiger und tendenziell weniger steif. Und manchmal sogar mit einigermaßen Witz. Ex-Nationalspieler Robert Huth beispielsweise hat in über zehn Jahren auf der Insel offenbar einiges an landestypischem Humorverständnis aufgenommen. Seine Selbstbeschreibung bei Twitter lautet: „Innenverteidiger für Stoke City. Ziemlich kleiner Kopf für solch einen mächtigen Kiefer.“ Und als Teamkollege Ryan Shawcross Anfang des Jahres einen neuen Vertrag unterschrieb, freute sich Huth über „garantierte fünf Eigentore pro Saison für die nächsten sechs Jahre“. Natürlich, bitte mal alle kurz entspannen: ein Spaß!
Und wenn nicht, sind hübsche Kontroversen inbegriffen: Dem emsigen Twitterer Rio Ferdinand brachte eine diffamierende Nachricht gegen Ashley Cole in der Rassismus-Kontroverse um John Terry eine happige Geldstrafe durch die FA ein. Und in welch Abgründe man mittels Twitter-Kurznachrichten binnen Minuten stürzen kann, bewiesen erst Mitte Januar Dietmar Hamann und Joey Barton, die einen bald legendären Streit ausfochten, in dessen Folge Hamann sich „Koksnase“ und sein Leben einen „Autounfall“ nennen lassen musste.
Ungeachtet aller Geschmacklosigkeiten ist all das immer noch deutlich unterhaltsamer als die Belanglosigkeiten, die die meisten deutschen Fußball-Profis in der Regel veröffentlichen. Sie scheinen irgendwo zwischen den strikten Auflagen ihrer Geldgeber und dem eigenen diffusen Mitteilungsbedürfnis gefangen. Heraus kommen dann neben Reklamehinweisen auf das neue Schuhmodell des Sponsors meist Tweets wie „5:2 – das hat Spaß gemacht“ (Mesut Özil) oder „Guten Morgen 🙂 Good Morning :)“ (André Schürrle).
Doch offenbar gibt es selbst dafür einen Markt. Özils „News“ lesen immerhin knapp 1,3 Millionen Menschen mit. Für diejenigen jedoch, die sich gerne an frühere, zotige Zeiten erinnern, sei auf das Profil von Peter Neururer hingewiesen, das zwar gefälscht ist, aber komplett auf authentischen Zitaten des Alttrainers basiert. „Karriere, Leben – bei mir ist alles irre“, liest der Fan dort und lechzt und schreit sofort wieder reflexhaft nach den Typen, den echten, den wahren, all den Bonbon-Ristics und Mundart-Steppis, die es doch früher haufenweise gab. Und weiß doch, dass sie nie mehr wiederkommen werden. Vielleicht ja auch gut so. Aber vielleicht hilft dieses aus der Zeit gefallene Beispiel auch, nicht alles immer so wahnsinnig ernst zu nehmen, ein Stück zurückzukehren vom Hype, von der Hysterie zu etwas mehr Normalität und Gelassenheit. Denn schon Neururer wusste: „Spieler sind kein Material, sondern Menschen.“