– Frankreich verfällt vor dem Duell mit Spanien in die schlechten Muster von einst
Donezk (dapd). Der Trainingstag des Franck Ribery dauerte nur wenige Minuten. Als einer der letzten kam er am Mittwoch mit Laufschuhen aus dem Mannschaftshotel, bereits bei den ersten Schritten verzog er das Gesicht. Als er sich zum Spielfeldrand geschleppt hatte, zuppelte sich der Angreifer des FC Bayern den linken Strumpf vom Fuß und streckte den Ärzten die gerötete Ferse hin. Die schickten ihn kurz darauf wieder zurück.
Freunde der Symbolik dürften an diesem Bild des Schmerzes Gefallen gefunden haben. Frankreichs Nationalteam steht im Viertelfinale der EM am Samstag in Donezk gegen Spanien, ja, aber Frankreich geht auch am Stock, irgendwie. Mit nur einem einzigen lasch-lustlosen Auftritt, dem 0:2 gegen Schweden, haben die französischen Fußballer die schöne Aufbruchsstimmung wieder hinfort gefegt. Und nun klopft vor dem wichtigsten Spiel der letzten Jahre die dunkle Vergangenheit an die Tür des französischen Quartiers. Am Donnerstag berichtete „L’Equipe“ groß von den Streitereien in der Kabine beim Spiel gegen Schweden. Titel des Artikels: „Nervenkrise“.
Nicht nur Samir Nasri und Alou Diarra sollen aneinandergeraten sein, sondern auch der frustrierte Rechtsaußen Hartem Ben Arfa und Trainer Laurent Blanc. Ben Arfa soll in der Hitze des Moments sogar seine Abreise vom Team angeboten haben. Blanc bestätigte, dass es in der Kabine „heiß“ gewesen sei, spielte den Vorfall aber herunter. „Das zeigt, dass es eine Reaktion gab – und ein bisschen Elektrizität.“ Mit einer „schönen Dusche“ habe man sich danach wieder abgekühlt, sagte Blanc und lächelte in die Runde. Kaum einer lächelte zurück.
Wenn auch die Vorfälle nicht im Ansatz die Brisanz des „Fiaskos von Knysna“ vor zwei Jahren in Südafrika haben (den auch „L’Equipe“ lostrat), so fürchtet sich Frankreich dennoch vor den „alten Dämonen“, wie es Florent Malouda ausdrückte. Allzu genau wollte er das dann vor den Medien lieber nicht ausführen. „Wir müssen reden und die Raketen wegschmeißen“, sagte er nur.
„Das ist nicht vergleichbar mit Knysna“, versuchte Assistenztrainer Alain Boghossian am Donnerstag die Wogen zu glätten. „Es gab ein paar Wortwechsel, aber das ist normal in einer Kabine. Das Gegenteil wäre unnormal.“ Er hoffe auf einen positiven Effekt der Auseinandersetzungen. Der wird auch nötig sein, wenn die Franzosen gegen den Ersten der Gruppe C am Samstag eine Chance haben wollen. Das spanische Uhrwerk wird nur mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung überhaupt aus dem Rhythmus zu bringen sein.
Malouda, der nach dem Spiel gegen Schweden noch wortlos durch die Mixed Zone gerauscht war, hatte am Tag darauf immerhin seine gute Laune wiedergefunden. Lächelnd gab er den Medien seine Antworten und fand sogar etwas Positives daran, dass die Serie von 23 Spielen ohne Niederlage nun vorbei ist: „Vielleicht war es besser, dass sie am Dienstag gerissen ist. Jetzt können wir gegen Spanien eine neue starten.“ Doch die Art und Weise der Niederlage erschreckte auch Malouda: „Alles das aufzugeben, was wir uns seit zwei Jahren erarbeitet haben, war schockierend.“
Frankreichs Equipe hat die Erwartungen wieder auf Null gestellt. Nun bleibt den Spielern vor dem Duell mit den derzeit größten Namen Europas wenig übrig als trotzige Ansagen: „Wir stehen im Viertelfinale. Wir haben nichts zu verlieren“, sagte etwa Laurent Koscielny, der für den gesperrten Philippe Mexes spielen wird.
Nicht alle haben den Glauben verloren. „Ich glaube wirklich, dass Frankreich die Spanier schlagen kann“, twitterte Patrick Vieira. Der Europameister von 2000 muss es wissen.