– Kroatiens Coach und Ivica Olic sind die großen Gewinner der Playoffs
Zagreb (dapd). Am Ende der eiskalten Nacht von Zagreb wurde es dann doch noch feurig. An allen vier Seiten des Stadions Maksimir sprühten die Funken des Feuerwerks, mittendrin sprangen sie im Kreis, die „Vatreni“, wie die kroatischen Fußball-Auswahlspieler genannt werden, was übersetzt passenderweise etwa „die vor Leidenschaft Brennenden“ heißt. Nach dem beherzten Auftritt von Istanbul, der in einen 3:0-Sieg gemündet war, verlief das torlose Rückspiel in der kroatischen Hauptstadt am Dienstagabend bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auch spielerisch eher unterkühlt.
Trainer Slaven Bilic machte das nichts aus, im luftigen Anzug ohne Mantel bewältigte er die 90 Minuten, eifrig in der Coachingzone hin- und herlaufend. Auch die Lauffreude seiner Spieler stimmte erneut, jedenfalls nach zittriger Anfangsphase, weshalb sich die Kroaten völlig verdient für die EM 2012 qualifizierten. „Man hat der Mannschaft am Anfang schon angemerkt, dass wir Respekt vor einem frühen Gegentor hatten, was den Türken noch einmal Leben eingehaucht hätte“, erläuterte Bilic, „deshalb waren alle, die Spieler, ich und der Betreuerstab, sehr angespannt.“
Nach dem Spiel tat Bilic beim Tanz in den EM-Sommer eifrig mit. Der kroatische Trainer darf auch persönlich als Sieger der Neuauflage des Viertelfinales von Wien 2008 (4:2 nach Elfmeterschießen für die Türkei) gelten. „Es ist noch nicht vorbei, der Fußball ist unberechenbar“, hatte der 43-jährige ehemalige Bundesliga-Profi gleich nach dem deutlichen Hinspielsieg gemahnt. Zu früh jubeln, diesen Fehler wollte Bilic keinesfalls wiederholen. Damals, in Wien, war er nach Ivan Klasnics vermeintlichem Siegtor in der 119. Minute prompt auf die Jubeltraube seiner Spieler gesprungen. Doch dann kam Sentürks Ausgleich und das Ausscheiden im Elfmeterschießen. Und Bilic war in der Heimat plötzlich der, der die Mannschaft in ihrem gefährlich frühen Jubel unterstützt hatte.
Von Rache will Bilic nichts wissen
„Diesmal waren wir bis zum Ende konzentriert und haben nicht zugelassen, dass uns die Türkei rausschmeißt wie 2008 in Österreich“, sagte Darijo Srna. Bilic selbst wollte nach dem unfallfrei verlaufenen Rückspiel in Zagreb nichts wissen von einer besonderen Motivation. „2008 ist eine gute Geschichte für die Medien, aber wir wollten uns nur qualifizieren“, sagte der Coach, und etwas Ungeduld schwang in seiner Stimme mit. Schon wieder das leidige Thema! Das Wort „Rache“ habe im Sport keinen Platz, sagte Bilic.
„Heute ist Slaven ein König und wir sind eine Super-Mannschaft, so ist der Fußball“, fasste Bayern-Stürmer Ivica Olic augenzwinkernd die Gesetzmäßigkeiten zusammen und verwies auch auf den bevorstehenden Rauswurf von Bilics vormals hochgelobtem Gegenüber Guus Hiddink.
Großer Gewinner Olic
Neben Bilic ist Olic der große Gewinner dieser Playoffs. Vor mehr als einem Jahr hatte der Langzeitverletzte zuletzt in einer Startformation gestanden, am 9. Oktober 2010 gegen Israel. Und dann wieder in Istanbul, wo er in der zweiten Minute die Führung schoss. Er habe sich in drei Trainingseinheiten mit dem kroatischen Team richtig reingehängt, sagte Olic, und seinen Coach damit beeindruckt. „Dann hat er mir gesagt: ‚Ich muss dich bringen, es ist egal, dass du solange nicht gespielt hast.‘ Natürlich war das auch viel Vertrauen von ihm.“
Der Dauerkämpfer sorgte mit Sturmpartner Mario Mandzukic vom VfL Wolfsburg dafür, dass das türkische Spiel bereits im Aufbau ins Stocken geriet und fuhr im Hin- wie Rückspiel unermüdlich Konter. In der Winterpause wird er Bayern München wohl verlassen, um im EM-Jahr genügend Einsätze zu bekommen.
Bilic kann sich mit seiner Mannschaft nun in Ruhe auf die EM vorbereiten. Sein Stern steigt wieder. Es wird bereits spekuliert, dass er nach dem Euro-Turnier im Sommer zu einem Premier-League-Klub nach England wechselt. Der nächste logische Karriereschritt, auch finanziell. Nach der Niederlage in Griechenland Anfang Oktober, mit der die Kroaten die direkte Qualifikation verspielten, schien er als Nationaltrainer bereits erledigt.
Unbekannt ist derzeit noch, ob sein Trainer als Gitarrist mit seiner Rockband Rawbau erneut einen Turniersong einspielt. So wie 2008, als das eingängige Stück „Vatreno ludilo“ („Feuriger Wahnsinn“) zur inoffiziellen kroatischen EM-Hymne wurde. „Bilic ist ein guter Mann“, sagt der Kioskverkäufer in Zagreb, „aber der Song, naja, der war okay.“ Kritik am Trainer muss man dieser Tage in Kroatiens Hauptstadt diplomatisch formulieren.