– Neben Nowitzki ist Instinkt-Basketballer Jason Terry der Trumpf der Mavericks – NBA-Trophäe als Tattoo
Berlin/Dallas (dapd). Wie ein strahlender Lausbub saß der Mann mit dem feinen Bärtchen auf dem Podium und erzählte: „Es war wie damals auf dem Schulhof in Seattle, als wir unsere Idole in den Finals nachgeahmt haben. Alles steht auf dem Spiel. Hochsteigen. Versenken.“ Jason Terry zeigte sein listiges Lächeln, das er an diesem Abend kaum aus dem Gesicht bekam. Dass die Dallas Mavericks nach 1:2-Rückstand in der Best-of-seven-Serie nun mit einer 3:2-Führung zur Entscheidung des NBA-Finales nach Miami reisen, haben sie neben Nowitzki auch ihrem zweiten Veteranen zu verdanken.
Im vierten Spiel verwandelte Terry seine beiden Freiwürfe sechs Sekunden vor dem Ende und sicherte den Texanern damit nach Nowitzkis Korbleger den Sieg, das fünfte Aufeinandertreffen entschied er mit einem waghalsigen Drei-Punkte-Wurf „ins Gesicht“ von Superstar LeBron James. Ein Wurf wie auf dem Pausenhof. Die Doppeldeutigkeit von „playground“ im Englischen passt, denn obwohl sich mittlerweile 20.000 Leute um ihn drängen, begreift Jason Terry das Basketballfeld auch heute noch vornehmlich als seinen Spielplatz, als den Ort, an dem sich der 1,88 Meter kleine Instinkt-Basketballer austoben darf.
Terry wirkt mitunter wie Sport-Goofy
„Wenn ich Platz habe, lasse ich ihn fliegen“, beschreibt Terry seinen simplen Spielplan. Auch Terry selbst hat in den letzten beiden Spielen abgehoben. Jet, wie ihn die Mitspieler in Anlehnung an seine Initialen nennen, hat im American Airlines Center zu Dallas die nächste Brennstufe gezündet. Mit ausgebreiteten Armen, Flugzeugtragflächen imitierend, rannte der Guard nach seinen wichtigen Korberfolgen zurück in die eigene Hälfte, die Augen hoch in die Publikumsränge gerichtet. Seht ihr, heißt das, ich hab euch immer gesagt, dass ich’s kann.
Mit seinen bis zu den Knien hochgezogenen Strümpfen, dem am Körper schlackernden Trikot und seinem Stirnband wirkt Terry mitunter wie eine lebende Ausgabe des Comic-Trottels Sport-Goofy, und seine Blackouts in der Defensive sind ebenso legendär wie seine spielentscheidenden Aktionen. Im zweiten Spiel der Serie ließ er seinen Gegenspieler Mario Chalmers 24 Sekunden vor dem Ende mutterseelenalleine an der Dreipunktelinie stehen und machte damit Nowitzkis vorentscheidenden Dreier umgehend wieder zunichte. „Ich will gar nicht sagen, was er mir danach an den Kopf geworfen hat. Viele Schimpfwörter“, sagte Terry.
Nowitzki und Terry, das ungleiche Bruderpaar
Dirk Nowitzki und Jason Terry verbindet eine Beziehung wie zwischen zwei ungleichen Brüdern. Auf der einen Seite der stets ernste, fokussierte Deutsche, auf der anderen der Instinkt-Basketballer, dessen Handlungen zwischen Genie und Wahnsinn pendeln. Nichtsdestotrotz ist es eine enge Beziehung. Nowitzki weiß, dass er Terry braucht, auch wenn ihm das Geplapper auf die Nerven geht. „Er verpasst mir manchmal einen Maulkorb“, sagt Terry. „Er mag es nicht, wenn ich zu viel mit euch rede, weil ich unsere Strategie verrate.“
Doch wenn Terry in den entscheidenden Phasen so aufspielt wie zuletzt, ist er eine riesen Erleichterung für den von den Heat stets gedoppelten Superstar Nowitzki. „Jet war phänomenal“, sagte Nowitzki nach Terrys Gala im fünften Spiel. „Er war von Beginn an aggressiv. Das ist der Jet, den wir brauchen. Er muss angreifen. Das eröffnet auch allen anderen viele Chancen.“ Exemplarisch die Aktion vor Jason Kidds Drei-Punkte-Wurf zum 105:100, als Terry unwiderstehlich zum Korb zog und im letzten Moment den offenen Mitspieler bediente.
In solchen Fällen verzeiht ihm Nowitzki den ewigen „trash talk“. Nach dem dritten Spiel hatte Terry in typischer Selbstgewissheit verkündet, wenn beide Teams über 100 Punkte erzielen würden, könnten die Heat keinesfalls gewinnen. Das 112:103 am Donnerstag bestätigte ihn, was Terry genüsslich auskostete. „Wir alle wissen, dass Jet ein zuversichtlicher junger Mann ist“, sagte Nowitzki nach Spiel fünf mit feiner Ironie. „Er hat uns in der Kabine immer sehr viel zu sagen. Er redet sehr gerne und er hört sich gerne reden.“ Und dann lächelte der große Bruder.
Gemeinsame Agenda 2006
Nowitzki und Terry verbindet die gemeinsame Agenda. Es ist die Agenda 2006. Revanche zu nehmen für die 2:4-Finalniederlage gegen die Miami Heat, ist der Antrieb der ungleichen Brüder im Geiste. Im sechsten Spiel traf Terry damals nur neun von 36 Würfen, auch Nowitzki konnte in den Endspielen nicht so dominieren wie zuvor. In ihren Wegen mögen sich der wortkarge Deutsche und die Plaudertasche aus Seattle stark unterscheiden. Willenskraft und Überzeugung jedoch, dass es in diesem Jahr wirklich klappen kann mit dem ersehnten Ring, sind bei beiden gleich stark ausgeprägt. „Wir sind überzeugt, jetzt sind wir dran“, sagt Terry, der sich vor der Saison den NBA-Pokal auf den rechten Bizeps stechen ließ.
„Alle haben gelacht und dachten damals, das wäre ein Witz. Als sie dann sahen, dass ich es mir wirklich machen ließ, sagten sie auf einmal: ‚Der Junge meint’s ernst!'“ Und auch die Miami Heat haben spätestens jetzt gemerkt, dass es dem Hallodri aus Seattle wirklich ernst ist mit dem Titel. Mit erhobenem Zeigefinger verabschiedete sich Terry am späten Donnerstagabend von den jubelnden Fans. Noch ein Sieg, sollte das heißen. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, was es für uns bedeutet, zu diesem Spiel sechs aufzulaufen und den Job zu beenden“, sagte er. „Das ist groß. Historisch.“