– Vor dem Boxkampf Marco Huck gegen Denis Lebedjew
Berlin (Tsp) – Der Mann mit der Mütze sagt nur zwei Sätze. „Ich bin nicht besonders gesprächig. Alles, was ich kann, werdet ihr am Samstag im Ring sehen.“ Denis Lebedjew hinterlässt einen klaren Eindruck vor seinem Kampf gegen Marco Huck heute Abend (22.15 Uhr, live in der ARD). Der 31-jährige Russe ist nach Berlin gekommen, um zu boxen. Den Rest überlässt er seinem Gegner.
Es geht um den WM-Gürtel im Cruisergewicht nach Version der WBO. Der liegt einen Meter links von Lebedjew, sorgsam für die Kameras drapiert, genau vor Huck. Der Champion ist im Gegensatz zu Lebedjew vor allem deshalb gekommen, um zu provozieren. Noch bevor die Veranstaltung beginnt, überreicht er dem Herausforderer einen Plastikgürtel, „damit du am Samstag auch einen hast“, sagt er und lacht Lebedjew herausfordernd an.
Der verzieht keine Miene. „Es ist für uns eine sportliche Veranstaltung“, sagt sein Manager Wlad Hrunow mit ruhiger Stimme.
Während Huck in seinem schwarzen Anzug mit dem pinken Schlips eine Art Klassenclown gibt („Auf den Fotos war er nicht so hässlich!“), schweigt Lebedjew in seinen dunklen Trainingsklamotten – und starrt. Mal in Richtung seiner Übersetzerin, mal hinüber zu Huck, mal ins Publikum. Starrt und schweigt. Nur einmal kommt ein Hauch von Emotion über den blassen Boxer mit dem markanten Profil. „Wir haben vor niemandem Angst“, hat sein Trainer Waleri Below gerade gesagt, da deutet Lebedjew mit den Händen Applaus an und nickt zustimmend, der Schirm seiner schwarzen Baseballmütze wippt zwei-, dreimal schnell auf und ab. Dann starrt er wieder.
Hucks Leute fühlen sich bei dieser Rollenverteilung sichtlich unwohl – und versuchen ihren Boxer ins rechte Licht zu rücken. „Er meint, das gehört dazu. Er ist da unbelehrbar“, sagt sein Promoter Wilfried Sauerland zu den Mätzchen. Auf ihn kommt ein Kampf zu, den Promoter hassen, einer, „bei dem man nicht weiß, wer sich am Ende durchsetzen wird“. Sollte Huck seinen Titel verlieren, bleiben dem Sauerland-Stall noch weniger Helden. Sauerland weiß das, auch wenn er die besondere Bedeutung herunterspielt. „Jeder Kampf ist ein wichtiger Kampf. Egal wie es läuft, es wird bei uns hinterher kein Desaster ausbrechen.“
Doch natürlich ist es ein besonderer Kampf. Vor allem wegen Helsinki. Es ist das Wort, das die Gesichter der Leute von „Sauerland Event“ dieser Tage schlagartig verdüstert. „Wo immer ich hingehe, werde ich darauf angesprochen“, erzählt der Promoter, der in die „Hall of Fame“ des Boxens aufgenommen wurde: „Alle fragen sich, warum er nicht wenigstens gekämpft hat?“ Arthur Abraham, der für Helsinki verantwortlich ist, hat mit seiner verheerenden Niederlage im Super-Six-Turnier gegen Carl Froch Fassungslosigkeit in seinem Umfeld ausgelöst. Deshalb sagt sein Trainer Ulli Wegner, der auch Huck coacht, vor dem letzten Kampf des Jahres einen Satz besonders laut: „Es geht um meine Ehre.“ Die Worte bleiben für einen Moment im Raum stehen, heiser, bitter.
Fast 40 Jahre ist Wegner im Geschäft, etwas wie vor drei Wochen in Finnland hat er noch nie erlebt. Er will nicht mehr darüber reden, und lernen könne Huck von Abrahams Auftritt schon mal „überhaupt nichts“. Nicht mal die DVD desKampfes hat er sich hinterher angeschaut. „Die liegt noch auf meinem Küchentisch.“ Nun hofft er, genau wie Sauerland, dass Huck den seltsamen Schweiger aus dem Osten besiegt.
„Er darf sich nicht provozieren lassen und in einen Konter laufen“, sagt Wilfried Sauerland: „Wenn Marco konzentriert durchboxt, gewinnt er den Kampf klar.“ Vor Lebedjew hat er großen Respekt. „Ich habe ihn schon oft boxen sehen. Da steckt schon was dahinter“, sagt Sauerland. „Man bekommt schon das Kribbeln, wenn er in den Ring kommt.“ Denn dann trägt Denis Lebedjew, dieser schweigsame Fighter, ungeschlagen in 21 Kämpfen, immer eine Fallschirmspringeruniform.