Ein letztes Mal träumen

– Arsenals Aushilfsheld Thierry Henry trifft bei seinem Abschiedsspiel in Mailand auf seinen Gegenentwurf Zlatan Ibrahimovic

Berlin (dapd). Für die Fußballfans des FC Arsenal war es ein Traum. Vereinsidol Thierry Henry kehrte nach fast fünf Jahren beim FC Barcelona und den New York Red Bulls zurück, erzielte in sechs Kurz-Einsätzen seit Mitte Januar drei Treffer, davon zwei spielentscheidende. Doch am Mittwoch geht seine Rückkehr auf Zeit beim Team von Arsene Wenger zu Ende, dann muss er zurück in die USA. In der Champions League trifft der Franzose zum Abschied auf den AC Mailand und den Gegenentwurf zu sich selbst: Zlatan Ibrahimovic.

Henry ist ein Typ Spieler, von dem Fans träumen. Auch wenn nicht bekannt ist, ob er hin und wieder in Gunners-Bettwäsche schlummert, so wissen wir doch: Thierry Henry ist Arsenal-Fan. Das hat er auch am Samstag noch einmal gesagt, nach dem Premier-League-Spiel beim AFC Sunderland. Der Einwechselspieler Henry hatte zuvor in der 90. Minute den 2:1-Siegtreffer erzielt, mit einer akrobatischen Einlage nach Flanke von Andrei Arschawin. Zum Jubel war er mit einem breiten Grinsen hinter dem Tor an der Fankurve vorbeigejoggt.

Henry ist schon jetzt der perfekte Aushilfsheld

Nach dem Spiel erzählte der 34-Jährige noch einmal die Geschichte seines Traum-Comebacks: „Ich war in Mexiko im Urlaub, habe gechillt. Dann rief der Boss an und fragte, ob ich zurückkommen will.“ So einfach ist das. Der Boss, Wenger, freute sich natürlich über Henrys Treffer und forderte eine Wiederholung in Mailand. „Er hat die Story der Legende in der Meisterschaft fertig geschrieben. Ich hoffe, er fügt ihr in der Champions League am Mittwoch noch etwas hinzu.“

Doch auch wenn das nicht klappt, Henry hat seine Rolle als Aushilfsheld schon jetzt perfekt ausgefüllt. Von seinem ersten Einsatz, als er Arsenal gegen Leeds mit einem typischen Henry-Innenseitentreffer in die nächste FA-Cup-Runde schoss, bis zum Tor in Sunderland, seinem 229. für die „Gunners“ seit dem Sommer 1999, als er von Juventus Turin kam. Zwischendurch betonte Henry immer wieder, er sei nur da, um zu helfen. Stets lobte er die Mitspieler, wie am Wochenende, als er sagte, Arschawins Flanke sei einfach „zu einladend“ gewesen, um sie nicht zu verwandeln. Das nennt man wohl Bescheidenheit.

Ibrahimovic flog bereits achtmal vom Platz

Womit wir bei Zlatan Ibrahimovic wären. Der besitzt unzweifelhaft viele Eigenschaften, die für ihn sprechen, Torgefahr zum Beispiel. Demut gehört eher nicht dazu. Ibrahimovic protzt mit seinem Reichtum, macht sich gerne über Gegner lustig, spricht von sich selbst auch schon mal in der dritten Person, und reißt Sprüche, die viele als Arroganz auffassen. Kurzum: Der Schwede genießt einen zweifelhaften Ruf.

In der Serie A ist er derzeit – mal wieder – gesperrt, weil er beim Spiel gegen Neapel einem Gegenspieler ins Gesicht geschlagen hatte. Es war bereits sein achter Platzverweis als Profi. In der Champions League darf er aber spielen. Und wird gegen Henry und Kollegen versuchen, seine sportliche Erfolgsbilanz auszubauen. Die ist im Gegensatz zu seinem Image makellos: 21 Treffer in 26 Pflichtspielen in dieser Saison, davon vier Tore in vier Champions-League-Einsätzen.

Henry selbst hat das San Siro in guter Erinnerung. Vor neun Jahren traf er dort für Arsenal zweimal – beim 5:1-Sieg gegen Inter. Nach dem Spiel am Mittwoch geht es dann zurück nach New York. Was bleibt ist ein wahr gewordener Traum. Oder um es mit Henrys Worten zu sagen: „Das war alles ziemlich unwirklich.“

Gegen das Trauma Henry

– Irland will in den EM-Playoffs gegen Estland das Handspiel des Franzosen vergessen

Berlin/Tallinn (dapd). Der irische Alptraum besteht aus einem langen Freistoß, einer Ballannahme plus Querpass und einem Abstauber auf der Torlinie. Der Torschütze (William Gallas) wird bald ebenso vergessen sein wie der Freistoßausführende (Florent Malouda). Der Name des Zwischenmannes aber wird wohl auf ewig in den Pubs von Dublin widerhallen. Thierry Henry. Sein Handspiel vor dem 1:1-Ausgleich in der Verlängerung brachte die wackere irische Fußballnation um den Lohn ihrer Mühen, die WM-Teilnahme 2010.

Ziemlich genau zwei Jahre später wollen Irlands Fußballer das Kapitel Henry für sich abschließen. Sie wollen Estland in zwei Playoff-Spielen am Freitag (in Tallinn) und Dienstag (in Dublin) schlagen und an der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine teilnehmen. Es wäre das erste Mal seit 1988, das zweite Mal überhaupt.

„Jeder hat diese Narbe. Die Wunde ist noch da“, sagte Verteidiger Stephen Kelly irischen Medien. „Wenn wir uns jetzt qualifizieren, wird sich das hoffentlich wie ein Pflaster darüberlegen und wir können es vergessen, es wird erledigt sein. Es ist uns frisch im Gedächtnis und wir sind alle sehr darum bemüht, so etwas nicht nochmals geschehen zu lassen.“

„Die Jungs waren sehr aufgebracht“

Irland spielt gegen Estland, aber auch gegen das Trauma Henry. Es wollte nicht in die Dickschädel dieser stolzen Sportsmänner, dass diese offensichtliche, himmelschreiende Ungerechtigkeit unbestraft blieb. „Die Jungs waren darüber damals sehr aufgebracht“, sagt Paul McShane, der damals im Pariser Stade de France eingewechselt wurde. „Hoffentlich haben wir diesmal ein bisschen Glück auf unserer Seite.“

Alles hatten sie damals versucht, doch noch Gerechtigkeit zu erfahren. Zunächst plädierten sie für ein Wiederholungsspiel, später dafür, als 33. Mannschaft für die WM zugelassen zu werden. Doch die FIFA beharrte unerbittlich auf der Tatsachenentscheidung von Schiedsrichter Martin Hansson aus Schweden.

Auch über die erst nachträglich beschlossene Setzliste, die die großen Nationen bevorzugte, protestierten die Iren vor zwei Jahren. Diesmal haben sie selbst von dem Ranking profitiert. Als 13. der UEFA-Rangliste wurden sie der Nummer 37 in Europa zugelost.

Irland ist Favorit – das ist ungewohnt

Das Team von Giovanni Trapattoni ist gegen Estland Favorit, auch weil das Rückspiel in der eigenen Hauptstadt stattfindet. Eine ungewohnte Situation. Schon warnt Keeper Shay Given, der vor zwei Jahren den besten Blick auf Henrys Hand hatte und am vehementesten protestierte, vor ungebührlicher Euphorie: „Unsere Spieler und Fans müssen realistisch bleiben. Wir dürfen uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“, sagte der 35 Jahre alte Torwart der „Irish Times“, der darauf hinwies, dass die Esten in ihrer Gruppe immerhin Serbien und Slowenien schlugen.

Im Auswärtsspiel sind die Iren dezimiert, die Verletzten John O’Shea, Shane Long und Liam Lawrence fehlen ebenso wie der gesperrte Kevin Doyle und Leon Best. „Wir dürfen keine Angst haben, wir müssen daran glauben und zuversichtlich sein, dass wir diesmal an der Reihe sind. Es ist eine große Chance für uns“, sagte Given.

Wenn er und seine Kollegen sie tatsächlich nutzen, könnte es sein, dass die künftigen Generationen in Dublins Pubs statt über diesen Henry viel lieber über die irischen Heldentaten reden: Wisst ihr noch, damals, in Polen und der Ukraine?