Die ultimative Bestrafung

– Die Glasgow Rangers sind nur noch viertklassig – auf dem Spiel steht nun auch der schottische Fußball allgemein

Berlin/Glasgow (dapd). Wenn die Spieler der ruhmreichen Glasgow Rangers am 11. August die Saison 2012/13 beginnen, wird ihnen der raue Nordseewind ins Gesicht pfeifen. Man wird vielleicht ein paar Möwen kreischen hören, denn mehr als 4.000 Zuschauer werden sich nicht einfinden können im Stadion Balmoor des FC Peterhead im 17.000-Einwohner-Nest am östlichsten Punkt des schottischen Festlands.

Zum Saisonauftakt steht für den 54-fachen schottischen Meister nicht etwa ein undankbares Pokalspiel auf dem Land an, sondern harter Liga-Alltag. Die Glasgow Rangers sind seit Freitag viertklassig.

25 der 30 Fußballklubs des Landes votierten für den Zwangsabstieg der national erfolgreichsten Mannschaft der Welt von der Scottish Premier League in die unterste Liga, die Third Division. Aus Gründen der Chancengleichheit, teils wohl auch aus Rachegelüsten gegen den in der Vergangenheit überheblich wirtschaftenden Protestantenklub, der sich in den vergangenen Jahren finanziell übernommen hat. Ein Urteil mit krassen Konsequenzen: Zum einen beraubt es die schottische Liga jeglicher Spannung, denn Erzrivale Celtic hat nun keinen ernst zu nehmenden Konkurrenten mehr. Der bislang letzte Meister, der nicht Celtic oder Rangers hieß, war der FC Aberdeen – vor 27 Jahren. Zum anderen ist unklar, wann das „Old Firm“, das älteste Derby dieses Sports, zum 400. Mal ausgetragen werden kann.

Die letzte Hiobsbotschaft des schmerzhaften Niedergangs nahmen die Vereinsverantwortlichen derweil schon mit Gleichmut hin. „Wir sind dankbar, als Mitglied der SFL aufgenommen worden zu sein und akzeptieren die Entscheidung, uns in Division drei zu wählen“, sagte Rangers-Geschäftsführer Charles Green. „Wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir dort spielen würden, wo man uns hinschickt. Wir wollen nun nur zum Fußballspielen zurückkehren.“

Die vergangenen Monate hatten im Schatten des Insolvenzprozesses gestanden, den Verein belasteten zuletzt noch Steuerschulden von 21 Millionen britischen Pfund, umgerechnet rund 26 Millionen Euro. Zunächst wurden den Rangers zehn Punkte in der Meisterschaft abgezogen. Ende Juni wurde der Klub dann aus der Premier League verbannt und nun nur ganz unten wieder zugelassen. „Wir haben die ultimative Bestrafung bekommen“, sagte Green, der jedoch auch betonte, es habe zuletzt ein „überwältigendes Gefühl“ innerhalb des Klubs, aber auch bei den Fans gegeben, ohne Altlasten einen Neustart zu beginnen, eine Sehnsucht nach dem „clean sheet“, der weißen Weste.

Kein Zweifel: Die Rangers mit ihrer riesigen Fanbasis und dem ehrwürdigen Ibrox Park, werden wieder hochkommen, vielleicht ist für den Verein das harte Urteil tatsächlich mehr Chance als Bestrafung – auch leise Hoffnung auf die rasche Einführung einer „Premier League 2“ mit den Rangers gibt es noch. Doch ungeachtet dessen stellt sich die Frage: Was wird aus Schottlands Fußball ohne das „Old Firm“?

„Es tauchen zweifellos finanzielle Konsequenzen am Horizont auf“, sagte Stewart Regan, der Präsident des schottischen Fußballverbandes. Rund 20 Millionen Euro im Jahr lassen sich die Rechteinhaber die TV-Übertragungen kosten – doch wie lange noch? Denn was will der Zuschauer vor allem außerhalb Schottlands außer dem Derby Celtic-Rangers eigentlich sehen? Am meisten könnte also paradoxerweise Celtic leiden, während sich die Rangers in Ruhe wieder sammeln.

Wie zum Hohn gab es Ende März noch einmal ein großes Derby im Ibrox Park. Mit einem 3:2-Sieg vermasselten die bereits abgeschlagenen Rangers dem verhassten Rivalen den vorzeitigen Gewinn des 43. Titels. Legenden wie diese werden auf dem Dorfacker von Peterhead nicht zu schmieden sein.