Für Europa nicht genug

– Klose-Klub Lazio Rom gegen Atletico Madrid ohne Chance – Konzentration nun ganz auf die Liga

Berlin/Rom (dapd). Es lief die 19. Minute, als Miroslav Klose das Stadio Olimpico auf Betriebstemperatur brachte. Kaum war der Deutsche zur 1:0-Führung in den Abpraller von Atletico-Keeper Courtois gegrätscht, lärmten die Lazio-Fans wie die Wilden. Fahnen wurden selig geschwenkt. Die schöne Europapokal-Stimmung im Stadio Olimpico währte gute fünf Minuten. Doch dann durfte Adrian weitgehend ungestört auf Vorlage von Falcao den Ausgleich für die Gäste aus Madrid erzielen. Acht Minuten vor der Pause traf Falcao selbst – Lazios Europa-Ambitionen waren da bereits Geschichte. Am Ende stand nach einem weiteren Falcao-Tor eine völlig verdiente 1:3 (1:2)-Heimniederlage in der ersten K.o.-Runde der Europa League.

Die bittere Lehrstunde, die Madrids Offensive um den kolumbianischen Nationalstürmer Falcao und den Ex-Bremer Diego den Römern erteilte, stand in starkem Kontrast zur Gala des AC Mailand gegen den FC Arsenal am Mittwoch. In der Liga liegt Spitzenreiter Milan nur fünf Punkte vor dem Dritten Lazio, in den internationalen Begegnungen dieser Woche wurde klar, wie viel Lazio zu einer europäischen Topmannschaft fehlt.

Sicher, Coach Edy Reja beklagte sich nicht ganz zu Unrecht über die Personalprobleme, die ihn erneut zu Umstellungen zwangen. Unterm Strich aber bleibt die Erkenntnis, dass Lazio wohl vor allem dank Ausnahmestürmer Klose in der Liga auf Champions-League-Kurs ist. In der Europa League dagegen, in der man bereits in der Gruppenphase mit einem Bein im Aus gestanden hatte, reichen weder die spielerische Klasse noch die Tiefe des Kaders aus. „Klose macht den Fans falsche Hoffnungen“, schrieb daher auch die „Gazzetta dello Sport“, und weiter: „Der Unterschied zwischen beiden Teams war beinahe peinlich, Atletico entblößte alle aktuellen Defizite der Römer.“

Kloses „Stempel“ hilft herzlich wenig

Für die Lazio-Fans muss es in der Tat fast schmerzhaft gewesen sein, mit anzusehen, wie ihre völlig verunsicherte Defensive bis zur Halbzeit Kloses Führung wieder zunichtemachte. „Bester Römer war Klose, der wie immer seinen Torschein abstempelte. Das half dieses Mal allerdings herzlich wenig“, urteilte die Römer Tageszeitung „Il Messaggero“.

Diego, der sich nach 72 Minuten seinen verdienten Applaus von den mitgereisten Hundertschaften abholen durfte, konnte zusammen mit Adrian und Doppeltorschütze Falcao fast ungestört ein feines Kombinationsspiel aufziehen, während bei Lazio zu keinem Zeitpunkt ein geregelter Aufbau zustande kam.

Vielleicht ist es unterm Strich ein heilsames Ausscheiden für die Römer, das in einer Woche in Madrid dann formalisiert werden sollte. Denn nun kann sich das Team, das sich Ende Januar gegen den AC Mailand bereits aus der Coppa Italia verabschiedet hatte, ganz auf die Liga konzentrieren.

Ähnlich darf man wohl auch die Aussagen von Lazios Mittelfeldspieler Matuzalem verstehen. Er verwies darauf, dass der 3:2-Sieg gegen Cesena in der vergangenen Woche, der in 60-minütiger Unterzahl nach 0:2-Rückstand zustande kam, vielleicht doch zu viel Kraft gekostet habe: „Uns hat es an Konzentration gefehlt.“ Die dürfen die Laziali nun bündeln – nachdem sie am kommenden Donnerstag die leidige Pflicht in Madrid absolviert haben.

Ein Wiedersehen zum Jubiläum

– Kloses 80. internationaler Vereins-Einsatz bei Europa-League-Spiel gegen Atletico Madrid mit Diego

Berlin/Rom (dapd). Im Kabinengang des Römer Stadio Olimpico werden sich am Donnerstagabend zwei Spieler besonders herzlich begrüßen. Gemeinsam haben sie schon die eine oder andere Schlacht im Europapokal geschlagen: Miroslav Klose, Lazio Rom, trifft in der ersten K.o.-Runde der Europa League auf seinen alten Bremer Weggefährten Diego, Atletico Madrid.

Für Klose ist das Hinspiel in Rom sein 80. internationaler Einsatz. Zu einem Titel jedoch hat es bislang nicht gereicht, weder mit Kaiserslautern noch mit Bremen oder Bayern.

Ein paar Mal war der heutige Lazio-Angreifer immerhin schon nah dran. Mit den Bayern stand er 2010 im Champions-League-Finale gegen Inter Mailand, kam jedoch erst nach dem 0:1 ins Spiel und konnte die 0:2-Niederlage dann auch nicht verhindern. Zum Erreichen des Endspiels hatte er nur ein Tor beigetragen, dafür ein wichtiges: Den 2:1-Siegtreffer gegen Florenz, der am Ende den Ausschlag gab fürs Weiterkommen im Achtelfinale.

27 Treffer hat Klose bislang in den beiden europäischen Wettbewerben erzielt, die ja eigentlich drei sind. Denn als der junge Stürmer im Herbst 2000 seine ersten internationalen Spiele bestritt, hieß die Europa League bekanntlich noch UEFA-Cup. Mit zwei Treffern in Saloniki und einem blitzsauberen Tor beim 3:0 gegen Glasgow brachte der damals 22-Jährige seine Karriere beim 1. FC Kaiserslautern in Schwung. Erst im Halbfinale war gegen Deportivo Alaves Schluss. Wie sieben Jahre später auch mit den Bayern gegen Zenit St. Petersburg.

Als Kloses schlimmster Tag im Europacup darf aber jenes Halbfinal-Rückspiel mit Werder Bremen gegen Espanyol Barcelona am 3. Mai 2007 gelten. Nach dem 0:3 im Hinspiel schien Hugo Almeida mit seinem frühen 1:0 den Boden für ein weiteres „Wunder von der Weser“ bereitet zu haben. Dann flog Klose vom Platz. Gelb-Rot. In der 19. Minute. Wegen einer Schwalbe. Mit der Mischung aus seinem Übereifer und dem mangelndem Fingerspitzengefühl des Referees gewissermaßen eine Vorwegnahme seines Platzverweises gegen Serbien im WM-Spiel 2010.

Diego lobt Klose

Doch zurück in die Gegenwart. Diego, der damals gegen Espanyol ebenfalls auf dem Platz stand, ist mittlerweile also selbst in Spanien gelandet. Mit Atletico ist er allerdings noch nicht so recht in Tritt gekommen. In den letzten drei Ligaspielen gelang den Madrilenen nur ein eigenes Tor. In der mit Udinese Calcio, Celtic Glasgow und Stade Rennes durchaus gut bestückten Europa-League-Gruppe setzte man sich allerdings klar durch. Da tat sich Lazio deutlich schwerer, allerdings meist ohne Klose, der nur zu zwei Einsätzen über mehr als 45 Minuten kam.

Vor dem Wiedersehen lobte der Brasilianer den Deutschen: „Ich kenne Miro gut. Er ist in der Lage, mit einer Einzelaktion die Partie zu entscheiden. Seine Dynamik und Schnelligkeit sind immer noch außergewöhnlich“, wurde Diego im „Corriere dello Sport“ zitiert, der Kloses Stellenwert für Lazios Europa-Ambitionen klar umriss: „Die Hoffnungen der Römer auf ein Weiterkommen klammern sich an die Treffer von seinem deutschen Ass. Klose ist Symbol, Vorbild und Ausnahmespieler einer hungrigen Elf in Liga und Europa.“

Da kann es nicht schaden, dachten sich wohl die Spanier, sich noch ein bisschen zusätzlichen Beistand zu sichern. Am Mittwochmorgen sicherte sich der Atletico-Tross daher im Vatikan eine Audienz plus Gruppenfoto mit Papst Benedikt.

Hellblau ist die Hoffnung

– Miroslav Klose will beim Römer Derby am Sonntag unbedingt spielen – Bei Lazio ist er aufgeblüht

Berlin (dapd). Dabei sein ist alles. Wie gut das passt. Die Gründer von Lazio Rom schenkten Miroslav Kloses Klub vor 111 Jahren das Hellblau der griechischen Nationalflagge, als Referenz an die olympische Bewegung. Dabei sein ist alles, auch für Klose, der seinen Knieproblemen zum Trotz am Sonntag unbedingt Fußball spielen will. Dann trifft Lazio auf den ewigen Stadtrivalen AS. Für den deutschen Nationalstürmer wäre es das erste ganz große Highlight seit seiner Alpenüberquerung im Sommer.

Klose will dabei sein. Immer. „Für mich war es wichtig, in einer Mannschaft gebraucht zu werden“, sagte er unlängst als Erklärung für seinen Wechsel von Bayern München in die Serie A der „Rheinpfalz“, die dort erscheint, wo sie Klose immer noch am liebsten haben, den Pfälzer Bub aus Kusel.

Bei Lazio Rom wird Klose gebraucht. Immer. Trainer Edoardo Reja hat ihn bislang stets von Anfang an gebracht. Der Deutsche dankt es ihm. Drei von sieben Lazio-Toren hat Klose in der Liga erzielt – und auch in der Europa League bislang bei jedem Einsatz getroffen. Fünf Pflichtspieltreffer – dafür brauchte er bei den Bayern zuletzt ein ganzes Jahr. Weil man ihm dort das Gefühl gab, nicht gebraucht zu werden. Eingewechselt wurde er, irgendwo in der Grauzone zwischen 63. und 83. Minute. Nichts für einen wie Klose.

Denn bloß dabei zu sein, reicht ihm natürlich nicht. Er will laufen, kämpfen, treffen, den sprichwörtlichen Unterschied machen. Wenn man sieht, wie sich Klose im hellblauen Jersey über den Platz bewegt, aufrecht, explosiv, gefährlich, und das vergleicht mit dem gebeugten, schon abwesenden Klose, der in seinem vorerst letzten Bundesliga-Spiel das leere Tor aus Meterweite verfehlte – dann will man nicht glauben, dass das derselbe Fußballspieler ist.

„Das Spiel des Jahres für die Stadt“

An der Seite von Sturmpartner Djibril Cisse blüht Klose auf, aber auch ohne ihn, wie im Europa-League-Spiel bei Sporting Lissabon, als er zur Halbzeit plangemäß für den Franzosen ausgewechselt wurde, vorher aber schnell noch sein Törchen machte.

Nun also das Römer Derby. Die weinrote Roma hat die letzten fünf gewonnen. „Es ist das Spiel des Jahres für die Stadt“, sagt Thomas Berthold, AS-Spieler von 1989 bis 1991. „Mit einem Derbysieg kannst du alles wieder gut machen, du kannst mit einem Spiel die ganze Saison retten.“

Zu retten gilt es für die zwei Erzfeinde neben der Herrschaft über die Stadt einstweilen auch den Kontakt nach oben. Beide Klubs stehen nach durchwachsenem Start drei Punkte hinter Tabellenführer Juventus.

Berthold weiß, dass nichts die Gemüter der Römer so bewegt wie dieses Spiel. Er hat es selbst erfahren, am intensivsten kurz vor der Fußball-WM 1990. Die Roma gewann damals das Derby mit 1:0, Lazio beendete die Partie mit acht Feldspielern. Schon während des Spiels, für das man ausnahmsweise ins Stadio Flaminio auswich, weil das Olympiastadion umgebaut wurde, hätten die Anhänger die riesigen Plexiglasscheiben zwischen den Blocks mit Steinen und anderem Werkzeug abgetragen, erinnert sich Berthold: „So schnell wie wir war wahrscheinlich noch nie eine Mannschaft nach dem Schlusspfiff vom Platz.“

„Er hat super eingeschlagen“

Die Serie A verfolgt Berthold noch immer genau – wie auch Kloses Werdegang in Italien: „Er hat super eingeschlagen, ich freue mich sehr für ihn. Er ist ein toller Stürmer, ein toller Profi, Rom wird ihm generell guttun, das mildere Klima, die fantastische Lebensqualität.“ Kein Zweifel: Der 33 Jahre alte Klose hat diese Luftveränderung gebraucht.

Und wenn es mit einem Einsatz am Sonntag klappt, dann ist nicht auszuschließen, dass ein Deutscher mal wieder ein Römer Derby entscheidet. So wie vor 21 Jahren, als in der 30. Minute ein gewisser Rudi Völler den Siegtreffer für die Roma erzielte.

Mit Verbrechern und Verrätern

– Polens Fußball debattiert über die Zusammensetzung der Nationalmannschaft

Berlin (dapd). Polens Fußballer schnuppern dieser Tage schon mal ein bisschen EM-Atmosphäre. Vor der Partie gegen Deutschland haben sie sich im edlen Fünf-Sterne-Hotel Dwor Oliwski 15 Autominuten außerhalb des Danziger Stadtzentrums einquartiert, der offiziellen Mannschaftsherberge des DFB für das Europa-Turnier im kommenden Jahr. Auch wenn es eigentlich um nichts geht, ist das Länderspiel der polnischen Elf gegen Deutschland am Dienstag (20.45 Uhr) schon ein bisschen die Probe für den Ernstfall, ein Dreivierteljahr vor der EM im eigenen Land.

Die Zahlen machen erst einmal keinen großen Mut. Platz 65 der FIFA-Weltrangliste belegt Deutschlands östlicher Nachbar. Und wie jeder Gastgeber haben die automatisch gesetzten Polen das Problem einer aufgeblähten Phase von Testspielen. Wegen der deutlich verpassten Qualifikation für die WM in Südafrika hat diese bereits im Herbst 2009 begonnen. In diesem Jahr stehen bislang knappe Siege unter anderem gegen Norwegen und Georgien Niederlagen in Litauen und Frankreich gegenüber. Im Juni immerhin schlug die „Kadra“ das große Argentinien – allerdings nur eine B-Elf. Am Freitag gab es in Warschau ein 1:1 gegen Mexiko.

Wer darf die Weiß-Roten repräsentieren?

Gegenstand einer hitzigen Debatte unter den 38 Millionen Nationaltrainern ist aber vielmehr die Frage, wer die Weiß-Roten vor den Augen Europas repräsentieren soll und darf. Lukas Piszczek ist bis zur EURO ziemlich sicher wieder mit dabei, die Sperre des Dortmunders wegen angeblicher Verstrickung in einen Bestechungsfall läuft Ende des Jahres aus. Zusammen mit seinen Teamkollegen Jakub Blaszczykowski und Robert Lewandowski sowie dem Top-Keeper Wojciech Szczesny vom FC Arsenal bildet er das Korsett jener Mannschaft, die ihr stolzes Land im Sommer nach Möglichkeit nicht blamieren soll.

Die Abwehr gilt seit langem als Schwachstelle. Großer Hoffnungsträger ist Sebastian Boenisch von Werder Bremen. Seine ersten beiden Spiele vor einem Jahr begeisterten die Polen, doch seitdem fällt er verletzt aus. Im August gegen Georgien debütierte dann Eugen Polanski von Mainz 05 – große Euphorie löste das nicht aus. Polanskis Aussagen, er fühle sich eher als Deutscher denn als Pole und er könne die Nationalhymne nicht mitsingen, wurden von den polnischen Medien genüsslich ausgeschlachtet. Unabhängig davon wirft man dem gegen Deutschland verletzt fehlenden Polanski Opportunismus vor, weil der langjährige deutsche U-Nationalspieler es nicht in Joachim Löws Auswahl geschafft hat. Nicht eben förderlich für den Ton der Diskussion waren die Äußerungen des ehemaligen Nationaltorwarts Jan Tomaszewski, die Landesauswahl würde bald nur noch aus „Verbrechern und Verrätern“ bestehen.

Deutsche und Kolumbianer als Hoffnungsträger

Nationaltrainer Franciszek Smuda aber würde zusätzlich gerne Manuel Arboleda in die Nationalelf berufen. Anders als Boenisch und Polanski hat der 32 Jahre alte kolumbianische Innenverteidiger keine polnischen Vorfahren. Und anders als der ehemalige Nationalspieler Emmanuel Olisadebe, der eine Polin heiratete und schnell Staatsbürger wurde, zeigt der Mann von Lech Posen nach Ansicht vieler Polen wenig Interesse am Land, in dem er seit fünf Jahren Fußball spielt.

Jacek Purski von der polnischen Organisation gegen Neofaschismus „Nigdy Wiecej“ („Nie wieder“) beschreibt die feinen Unterschiede: „Die Kritik an den Deutschen hält sich in Grenzen, die Leute schätzen ihre Qualität. Manch einer sagt sogar, okay, wir haben Klose und Podolski verloren, jetzt bekommen wir eben ein paar aus Deutschland zurück. Im Fall von Arboleda wird die Debatte auch teilweise rassistisch.“

Unabhängig von Ressentiments wegen seiner Herkunft ist der verschlagene Verteidiger, vom Image her eine Art Maik Franz Polens, bei den Gegenspielern in der Liga und damit auch im Kreis der Nationalspieler ziemlich unbeliebt. Was die Sache nicht eben einfacher macht.

Grzegorz Lato, WM-Dritter mit Polen 1974 und heute Präsident des polnischen Fußballverbands PZPN fasste diese Woche im Gespräch mit der „Mittelbayerischen Zeitung“ den Status quo zusammen: „Unsere Legionäre helfen uns natürlich, aber es ist ein langer Weg, bis Polen wieder das Niveau der siebziger Jahre erreichen kann.“