Die letzte Schlacht

– Heute vor 35 Jahren: Ali gegen Frazier III

Vielleicht sind nie zwei Boxer gemeinsam so nahe an die Grenze zum Sterben herangetreten wie Muhammad Ali und Joe Frazier in ihrem dritten Kampf. „Es war wie der Tod“, sagte Ali hinterher. Frazier sagte nichts. Er lag praktisch blind in seinem Hotelzimmer, beide Augen zu einem winzigen Schlitz verengt. Später erklärte er fassungslos, er habe seinen Gegner „mit Schlägen getroffen, die Stadtmauern eingerissen hätten“.

Der „Thrilla in Manila“, der heute vor 35 Jahren stattfand, war einer der brutalsten und spektakulärsten Boxkämpfe aller Zeiten. Ein 14-ründiger atemloser Schlagabtausch zwischen dem eleganten Distanzboxer Ali und dem Infight- und Hakenspezialisten Frazier, Kampfname „Smokin’ Joe“, bei 40 Grad Hitze und drückender Luftfeuchtigkeit, an dessen Ende Frazier, der Unterlegene, ohne Sicht weitermachen wollte, und Ali, der Sieger, in seiner Ecke vor Erschöpfung zusammenbrach.

Die später so hasserfüllte Beziehung hatte freundschaftlich begonnen. Im August 1970 fuhren die beiden in Fraziers Cadillac Cabrio von Philadelphia nach New York und plauderten über Männerthemen: Gewichtsprobleme, die Gefahr des Motorradfahrens – und darüber, wer den anderen wie besiegen würde. Frazier war Champion, Ali seit seiner Kriegsdienstverweigerung titel- und arbeitslos. Ein Kampf noch nicht in Sicht. „Kein Mensch bezahlt, um zwei Freunde boxen zu sehen“, sagte Ali beim Aussteigen. „Schwergewichtler können keine Freunde sein“, schreibt er an anderer Stelle in seiner Autobiografie. „Sie sind Dinosaurier, Raubtiere. König kann nur einer sein.“

Aus den beiden Freunden wurden bittere Feinde

Fünf Jahre später, in Manila, war die Freundschaft lange vorbei. „Plump“, „hässlich“ und „ignorant“ zieh Ali, mittlerweile wieder Weltmeister, seinen Herausforderer. Er, Ali, der Nein zu Vietnam und zur Unterdrückung durch die Weißen gesagt hatte, sei der wahre Repräsentant des schwarzen Amerikas. Frazier dagegen, der sich Alis Titel in dessen Abwesenheit gesichert hatte, sei nur eine Marionette der Weißen, ein unterwürfiger „Onkel Tom“. Ali nannte Frazier „Gorilla“ und machte klar, dass er sich für eloquenter, besser aussehend und den besseren Boxer hielt: „Joe Frazier ist so hässlich, sein Gesicht sollte der Artenschutzbehörde übergeben werden.“ Ein rücksichtsloser Feldzug gegen Fraziers Selbstwertgefühl, weit über die üblichen Grenzen der Fight-Promotion hinaus.

Im Ring stellte sich heraus, dass der Weltmeister nur einen schlafenden Riesen geweckt hatte. In den ersten vier Runden nahm Frazier Alis Schläge mit stoischer Ruhe. Dann fing er an, seinen gefürchteten linken Haken zu schlagen, mit dem er Ali im ersten Kampf auf die Bretter geschickt hatte. Die Moral des Champions war vorerst gebrochen, der geplante frühe K. o. verpasst. „Joe, ich dachte, du hast es nicht mehr drauf“, raunte Ali vor der siebten Runde. „Da bist du falsch informiert, mein Hübscher!“, gab Frazier lächelnd zurück. Von da an rangen zwei Dinosaurier ums Überleben. Frazier dominierte die mittleren Runden, bis Ali schließlich mit schierer Willenskraft in der unerträglichen Schwüle wieder die Kontrolle übernahm. Ab Runde 13 wurde Frazier schwer getroffen. Sein Mundschutz flog durch den Ring, das Gesicht schwoll von harten Kopftreffern an, das linke Auge schloss sich komplett. „Es ist vorbei“, sagt ihm sein Trainer Eddie Futch vor der 15. Runde und drückt ihn zurück auf den Hocker. „Niemand wird vergessen, was du hier heute geleistet hast.“ In der gegenüberliegenden Ecke erhebt sich Ali, hebt die schlaffe Rechte zum Jubel und bricht zusammen. „Mein schwerster und härtester Gegner war Joe Frazier“, wird er später sagen, „er hat mir alles abverlangt.“

Ihre Wege kreuzen sich seitdem selten. Heute wie damals lebt Frazier im bitterarmen Norden von Philadelphia, in einem kleinen Raum hinter seinem Boxstudio. Ali dagegen ist auf der ganzen Welt zu Hause, nicht erst seit er 1996 mit zitternder Hand das Olympische Feuer der Spiele von Atlanta entfachte. Es ist umstritten, ob die Schläge, die er besonders in den letzten Jahren seiner Karriere auch von Frazier einstecken musste, das Parkinsonsyndrom, an dem er leidet, verstärkt oder gar verursacht haben.

Die Beleidigungen durch Ali (heute 68) haben Frazier, inzwischen 66 Jahre alt, tief getroffen und für lange Zeit verbittert. Und doch sitzt tief drinnen auch Mitgefühl. Als er in der 2009 erschienenen Dokumentation „Facing Ali“ auf den schlechten Gesundheitszustand seines alten Feindes angesprochen wird, senkt Joe Frazier seinen Blick. „Es ist traurig“, hebt er an, stockt dann und vollendet den Satz mit feuchten Augen. „Es ist traurig, weil er ein großartiger Mensch ist. Ich wünschte, er könnte das Leben führen, das wir führen. Er hätte das verdient.“ Dann geht der Blick des Dinosauriers wehmütig in die Ferne, vielleicht bis nach Manila.