Hiddink beschwört zum Abschied eine jugendliche Zukunft

– Der scheidende türkische Nationaltrainer schwärmt von den jungen Deutsch-Türken – Kein „Houdini-Trick“

Zagreb (dapd). Alle warten auf das, was nun kommen wird. Auf das, was kommen muss. „Schalten Sie ihre Mobiltelefone aus!“, hat der Pressesprecher des türkischen Verbandes soeben der dicht gedrängten Versammlung befohlen, und auch Guus Hiddink leistet Folge. Verstohlen steckt der Cheftrainer sein abgeschaltetes Handy in die Innentasche seines Sakkos. Das Dienstgerät ist aus, das Spiel ist es schon länger, die Türkei in den EM-Playoffs klar an Kroatien gescheitert. Hiddink wird nun tun, was alle erwarten: Seinen Rücktritt bekannt geben.

Allein, diesen Gefallen tut der Niederländer den Medienvertretern nicht, an diesem Dienstagabend in Zagreb, exakt eine Woche nach seinem 65. Geburtstag. Erst auf Nachfrage sagt er überhaupt etwas zu seiner Zukunft: „Die Möglichkeit ist groß, dass dies mein letztes Spiel mit der Türkei war“, sagt Hiddink. Später spricht er allgemein von einer „Auszeit“, die er sich nehmen wolle, „um selbst in meinem Alter darüber nachzudenken, wie meine Zukunft aussieht“. Mit feiner Ironie lässt der Niederländer im Moment des Scheiterns die türkische Presse ins Leere laufen. Erst am kommenden Tag wird sie die Nachricht bekommen, nach der es sie dürstet.

Am Dienstagabend jedoch nutzt Hiddink noch die ungeteilte Aufmerksamkeit, um seine eigene Botschaft zu platzieren. Dieses Rückspiel in Zagreb, bei dem sein Team nach dem 0:3 von Istanbul unterm Strich chancenlos geblieben ist, begreift er nicht als Ende, sondern als Anfang. „Ich denke, wir können stolz auf dieses junge Team sein, und Sie sollten es auch sein“, sagt der Coach und blickt mit wachen Augen in die Runde. Acht Neue hatte Hiddink gegenüber dem Hinspiel in die Startelf genommen, teils um die vielen Gelbgesperrten zu ersetzen, teils wohl auch, um ein klares Zeichen für die Jugend zu setzen. „Wenn Sie heute von Versagen sprechen, weiß ich nicht, ob Sie einen realistischen Blick auf den Fußball haben“, bügelt er einen türkischen Journalisten ab. Kurze Pause. „Ich bezweifele es.“

Hiddink schwärmt von den Deutsch-Türken

Besonders lobt Hiddink die Deutsch-Türken. Er bedaure, dass Nuri Sahin und Mehmet Ekici nicht hätten dabei sein können. „Ömer Toprak machte sein erstes Spiel. Gökhan Töre ist erst 19 Jahre alt. Sie haben sich sehr gut verkauft“, sagt Hiddink. Der 22-jährige Leverkusener Verteidiger hatte bei seinem ersten Einsatz für das Heimatland seiner Eltern gleich in der Startelf gestanden, HSV-Dribbler Töre war bereits nach 36 Minuten ins Spiel gekommen. „Als ich dieses Projekt angefangen habe, hatten wir einige Ziele. Hauptsächlich ging es darum, das Team jünger zu machen“, sagte Hiddink. „Wenn das mit der Qualifikation für die EM einhergegangen wäre, umso besser. Aber das war keine unmittelbare Forderung. Deshalb habe ich mir nichts vorzuwerfen.“

Nach fast 30 Jahren im Trainergeschäft ist ihm natürlich bewusst, dass solche Zielsetzungen für die Öffentlichkeit wenig taugen, und besonders wenig in der traditionell fußball-hysterischen Türkei. Seinen vielleicht letzten öffentlichen Auftritt als Nationalcoach nutzt der Holländer auch deshalb dazu, für Nachhaltigkeit zu werben. Er kritisiert die Arbeit der türkischen Vereine, lobt „Frankreich, besonders Deutschland und Holland“, wo die Vereine gezwungen seien, jungen Spielern eine Chance zu geben. „In der Türkei basiert derzeit alles auf einzelnen Erfolgen: Haben wir es geschafft oder nicht?“

Kein „Houdini“ in Zagreb

Das sei nicht der Weg, mahnt Hiddink und wird dann noch fast philosophisch: „Die Ausbildung der Jungen ist der Schlüssel. Wir dürfen uns nicht beherrschen lassen von den Emotionen des Tages.“

Vier Tage hatte Hiddink nach dem 0:3-Debakel von Istanbul Zeit, sich auf diesen Auftritt vorzubereiten. Ebenso wie seine junge Elf hatte er nichts zu verlieren. Seine Ideale hat er noch einmal vehement verteidigt. Sein Amt konnte er nicht retten. Dazu hätte es schon des von ihm nach dem Hinspiel beschworenen „Houdini-Tricks“ bedurft. An den aber hat vielleicht nur manch Abergläubischer auf den Rängen geglaubt, in dem Moment, als Selcuk Sahin kurz nach der Halbzeit seine feuerroten Handschuhe genau auf der Begrenzung des Mittelkreises liegen ließ. Eine Art Voodoo-Ritual, das die Kroaten doch noch entscheidend lähmen würde? Am Ende nur eine Vergesslichkeit beim Schuhe schnüren.