„Es wird gerne gezockt in der Branche“

– Andreas Buck, Ex-Bundesliga-Profi und heute Investmentfachmann, über Fußballer und das liebe Geld

Berlin/Geislingen (dapd). Als Bundesliga-Profi sprintete er für Stuttgart und Kaiserslautern über den Platz, heute legt Andreas Buck als Investmentberater das Geld der Fußballer an. Der 44-Jährige spricht im Interview mit dapd-Korrespondent Johannes Ehrmann über Würfelspiele im Mannschaftsbus und faule Anlagen im Fußball-Geschäft.

dapd: Andreas Buck, Sie kommen aus dem schwäbischen Geislingen und sind nach Ihrer Profi-Karriere Vermögensberater geworden. War doch irgendwie klar, oder?

Andreas Buck: Klar, die Schwaben haben immer schon geschaut, dass das Geld im Hause bleibt. Aber ich hatte Mathe-Leistungskurs, mich haben Zahlen schon immer interessiert, und speziell Investment.

dapd: Zu Ihren Kunden gehören auch Fußball-Profis. Wie viele sind es derzeit?

Buck: Auf 50 kommen wir auf jeden Fall. Dazu zählen Giovane Elber und Andreas Brehme, aber auch aktuelle Bundesliga-Spieler. Wir bieten ja nicht nur Investment, sondern auch Versicherungen an und kümmern uns auch um Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft.

dapd: Fußballer und das liebe Geld – ein ganz spezielles Thema. Didi Hamann schreibt in seiner Autobiografie, dass er einmal fast 300.000 britische Pfund in einer Nacht verloren hat. Erstaunt Sie das?

Buck: Dieser Betrag erstaunt mich schon. In meinem ersten Jahr beim VfB Stuttgart habe ich aber erlebt, dass beim Würfeln hinten im Bus plötzlich locker mein Monatsverdienst im Pott war. Es ist kein Geheimnis, dass gerne gezockt wird in der Branche.

dapd: Über welchen Betrag ging es damals im Bus?

Buck: 10.000 Mark. Das war 1990 natürlich noch jede Menge Geld.

dapd: Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Wetten entwickelt?

Buck: Ich war für solche Spiele nie geeignet. Ich war nur einmal in meinem Leben in einem Casino, im Trainingslager des VfB Stuttgart. Am Roulette-Tisch standen sie alle und haben gezockt, alle Größen meiner Mannschaft. Ich wollte einfach mitspielen, habe auf Rot und auf Schwarz gleichzeitig gesetzt – und es kam die grüne Null! Das war ein Zeichen von ganz oben: Nie wieder.

dapd: Legendär sind die Poker-Abende im deutschen WM-Quartier 1982. Wie viel wurde und wird im Mannschaftskreis gezockt – und warum?

Buck: Wieviel? Weiß ich nicht. Das war nie meine Welt. Warum? Langeweile spielt sicher eine Rolle. Manchen wollen auch zeigen: Ich verdiene so viel, mir ist es total egal, jetzt so einen Betrag zu setzen. Macho-Gehabe ist da auch mit dabei.

dapd: Hamann zockte, um sich von seinen privaten Problemen abzulenken. Können wir uns Fußballprofis als sehr einsame Menschen vorstellen?

Buck: Das kann man schon. Es gibt ja keinen, dem man sich irgendwie mitteilen kann. Egal ob bei privaten Problemen oder wenn man mit dem Druck nicht klarkommt. Im Kollegenkreis würde man damit ja eine Schwäche offenbaren. Für viele ist es deshalb eine Ablenkung, um das Business Fußball aus dem Schädel rauszukriegen für eine Zeit.

dapd: Warum ist das notwendig?

Buck: Wenn man keinen Ball mehr trifft und trotzdem spielen muss, kann man das keinem erklären. In solchen Situationen ist man ganz alleine.

dapd: Stichwort falsche Freunde: Kamen auf Sie als Profi Leute mit falschen Versprechungen zu?

Buck: Jede Menge. Die warten nur darauf. Im Augenblick sehr in Mode: Sie stellen ein Geschäftsmodell vor, irgendwas, irgendeinen Schmarrn. Zum Beispiel eine vegetarische Burger-Kette – das floppt dann und der Spieler fängt von vorne an.

dapd: Also die moderne Version des klassischen Bauherrenmodells, mit dem reihenweise Profis pleitegingen.

Buck: Genau. Sie sagen ihnen, du brauchst ein zweites Standbein für die Zeit nach der Karriere – und damit kriegen sie die Jungs. Weil es sich ja gut anhört. Die Idee ist ja richtig, aber da geht es nur um den Geldbeutel des Anlageberaters.

dapd: Fußballer leben auf großem Fuß. In Prozent: Wofür gibt Otto Normalkicker seine Millionen aus?

Buck: Pauschal schwer zu sagen. Konsum und Lebenshaltung sind natürlich schon extrem hoch. Das meiste Geld geht jeden Monat sicher für Haus, Auto und Klamotten drauf. Aber trotzdem: Wenn die Spieler den Fehler mit den falschen Anlagen nicht machen, reicht das trotzdem noch. Dicke.

dapd: Sie haben in Stuttgart mit Eike Immel zusammengespielt. Er hat Millionen verdient und meldete 2008 Privatinsolvenz an. War Ihre Generation als erste, die extrem viel Geld mit dem Fußball verdiente, besonders gefährdet?

Buck: Ja, Eike, der saß auch am Tisch bei dem erwähnten Würfelspiel… Wir waren wohl schon besonders gefährdet. Wir haben zwar auch schon viel verdient, aber allzu viele Fehler durfte man sich nicht erlauben. Heute als Nationalspieler, der Eike ja auch war, kannst du auch viele, viele Anlagefehler machen – und du bist trotzdem durch. In heutiger Zeit würde er ja in seinen 17 Jahren, die er Bundesliga gespielt hat, locker 40 Millionen verdienen. Das ist ja Wahnsinn.

dapd: Gilt der Satz: Je mehr Geld, desto schneller will mancher es loswerden?

Buck: Das habe ich schon auch beobachtet. Der Bezug geht verloren. Wenn ich 40.000 Euro netto im Monat habe, kann ich auch mal 20.000 raushauen. Es kommen ja nächsten Monat wieder 40.000 rein.

dapd: Ist es schwierig, Profis zu überzeugen, dass sie sich keinen dritten oder vierten Sportwagen zulegen müssen?

Buck: Mitunter ist das wirklich schwierig. Ein Beispiel: Wir beraten auch Spieler aus Afrika. Da sitzen teilweise sechs Leute mit am Tisch, die alle eine andere Intention haben als wir. Sie wollen das Geld komplett verteilt haben. Da ist man ganz schnell der böse Bube, weil man dem Spieler angeblich was wegnehmen will.

dapd: Gibt es Dinge, die Sie noch überraschen können?

Buck: Nach der Karriere erhalten die Spieler teilweise viel Geld von der Berufsgenossenschaft, wenn sie früher länger verletzt waren. Und da ist wirklich erschreckend, wie viele sagen, dass sie es gut brauchen können. Von Spielern, bei denen man nie gedacht hätte, dass sie ein Problem bekommen könnten. Die sechs bis sieben Jahre in der Bundesliga gespielt haben.

dapd: Wo ist deren Geld in der Regel geblieben?

Buck: Ganz ehrlich: Da hake ich nicht nach.

Wie ein Hurrikan

– „Booster“-Skandal um Miamis Football-Team erschüttert amerikanischen College-Sport

Berlin/Miami (dapd). Exzessiver Luxus, Nachtclubs, Prostitution und Abtreibung – schon für sich alleine genommen verspricht jedes dieser Schlagworte in den USA eine interessante Debatte. Wenn sie alle zusammen in einem Enthüllungsartikel auftauchen, dazu noch in Verbindung mit dem College-Sport, dem heißgeliebten Darling von „Average Joe“, dem amerikanischen Durchschnittsbürger – nun, dann bricht ein wahrer Wirbelsturm los.

Im Auge dieses Orkans befinden sich passenderweise die Hurricanes, so nennt sich das Football-Team der Universität von Miami, fünffacher nationaler Champion. Losgebrochen ist er am Dienstag, als die Webseite „Yahoo! Sports“ einen umfassenden Artikel veröffentlichte, der offenlegt, dass ein „booster“, also ein wohlhabender Gönner und Spender der Sportprogramme der Uni, über Jahre hinweg Athleten, die offiziell Amateurstatus haben, mit Luxus-Geschenken und umfangreichen Prämienzahlungen überhäuft hat. Das verstößt massiv gegen die Ethik-Grundsätze des College-Sports.

72 Footballer will Shapiro bespaßt haben

Nevin Shapiro, so der Name des schwerreichen Übeltäters, sitzt derzeit im Gefängnis, weil er ein Schneeballsystem mit einem Gesamtwert von knapp einer Milliarde Dollar betrieben haben soll. Hinter Gittern packte der „booster“ aus. Auf Basis von 100 Interviewstunden und elf Monaten Recherche hat „Yahoo! Sports“ in dieser Woche Shapiros Zuwendungen an die Sportler, vornehmlich Football-Spieler, aufgelistet: „Bargeld, Prostituierte, Vergnügungen in seinen Multi-Millionen-Dollar-Häusern und auf seiner Yacht, Besuche in Restaurants und Nachtclubs der Oberklasse, Schmuck, Auflaufprämien (sowie Prämien für Verletzungen von Gegenspielern), Reisen und, bei einer Gelegenheit, eine Abtreibung.“

72 Footballer will Shapiro zwischen 2002 und 2010 derart bespaßt haben. Sechs Trainer waren nach seiner Aussage eingeweiht. Die öffentliche Entrüstung der Amerikaner ist riesig, befeuert auch von den zahlreichen, ebenfalls veröffentlichten Party-Fotos von Shapiro mit College-Sportlern. Nicht wenige US-Sportfans schätzen die unter dem Schirm der National Collegiate Athletic Association (NCAA) organisierten College-Ligen als ehrlichen und bodenständigen Gegenentwurf zu den Milliarden-Unternehmen der Profiligen. Doch nach etlichen Regelbrüchen in der jüngeren Vergangenheit ist der Shapiro-Skandal nun der endgültige Beweis, dass dieses Bild weit weg ist von der Realität.

Miami als Wiederholungstäter

„Wenn uns der Skandal rings um Miami irgendetwas lehrt, dann dass die NCAA schon längst das leiseste Anzeichen von Kontrolle verloren hat über ihre Herde und dass ihr Regelwerk besser dazu benutzt würde, um damit Hamsterkäfige auszulegen“, schreibt Lynn Zinser in einem Kommentar für die „New York Times“.

Weil die Universität von Miami nach einem Skandal um das Baseball-Team Ende der 90er Jahre als Wiederholungstäter gilt und von 2003 bis 2005 unter Bewährung stand, macht nun sogar schon das böse Wort von der „Death Penalty“ die Runde. Gemeint ist die Zerschlagung des betroffenen Teams, die es in der Geschichte erst einmal bei einem College-Football-Team gegeben hat.

NCAA-Präsident Mark Emmert sagte der Zeitung „USA Today“, er würde sich nicht gegen diese drakonischste aller Strafen stemmen: „Wir brauchen Strafen, die als effektive Abschreckung wirken. Diejenigen, die Risiken und Vorteile gegeneinander abwägen, sollen wissen, was sie erwartet, wenn sie erwischt werden“, sagte Emmert.

„Kann nichts Schlechtes über ihn sagen“

Die Fans aus Miami sind entsetzt. „Wenn die NCAA das Team killt, werden sich ziemlich viele Leute die Kehle durchschneiden“, sagte Luther Campbell, Rapper und großer Hurricanes-Fan dem „Miami Herald“. Leichtere Strafen sähen unter anderem den Verlust einiger Sportstipendien vor, mit denen die Universitäten die besten High-School-Sportler ködern – oder den Ausschluss auf Zeit von den lukrativen „Bowls“, in denen die besten Football-Mannschaften gegeneinander antreten.

Auch andere Hochschulen sollen betroffen sein. Die namentlich genannten Sportler bestreiten die Vorwürfe. Bernard Thomas, ehemaliger Defensivspieler der Universität von Nebraska, der auf einem Foto mit Shapiro auf einer Yacht posiert, sagte der „Huffington Post“: „Er war cool. Er war ein netter Typ. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“ Und als das Foto aufgenommen wurde, sei er gar nicht mehr auf dem College gewesen. Andre Johnson, Wide Receiver der Houston Texans, sagte knapp: „Der Typ hat Probleme und versucht alle mit runterzuziehen.“ Doch so einfach wird der Wirbelsturm der Entrüstung wohl nicht abflauen.