»Happel guckte sehr, sehr böse«

– Walter Eschweiler (77) war einer der ersten Stars unter den Bundesliga-Schiedsrichtern. Ein Gespräch über die Gründerjahre der Liga, den Hass der Massen und den traurigen Stan Libuda (11FREUNDE #138)

Herr Eschweiler, was ist die wichtigste Eigenschaft eines Bundesliga-Schiedsrichters?
Gelassenheit. Ein Schiedsrichter muss auch in größter Hektik absolute Ruhe ausstrahlen. Das ist das Wichtigste. Und Menschlichkeit.

Menschlichkeit?
Man darf sich als Schiedsrichter nicht so tierisch ernst nehmen. Der Schiedsrichter ist dazu da, den Regeln Geltung zu verschaffen, in vernünftiger, menschlicher Form.

Wie macht man das?
Das geht schon los, wenn man sich das erste Mal im Kabinengang sieht und begrüßt. Seinerzeit gab es beim DFB die strikte Marschroute: Bei Anpfiff müssen die Trikots in der Hose und die Stutzen nach oben gezogen sein. Na, und dann kam ein Mann wie Paul Breitner…

… der langhaarige Rebell, der 68er…
Ich habe zum ihm gesagt: »Paul, tun Sie mir den Gefallen, stecken Sie es bitte rein, nur zum Anpfiff. Aber danach darf wieder alles sein wie vorher.« Das hat geklappt. Eine Sache der Einstellung.

Der Ton macht die Musik, ist es so einfach?
Meiner Meinung nach ja. Ich hatte natürlich noch den Vorteil als Rheinländer, die Situation mit einem netten, freundlichen Wort entkrampfen zu können.

Ein bisschen Selbstironie hilft?
Richtig. Die Zuschauer sind wirklich nicht gekommen, um den Schiedsrichter zu sehen. Sie wollen das Spiel sehen.

Sie pfiffen noch ganz in Schwarz. Haben die bunten Leibchen den Schiedsrichtern Autorität genommen?
Die Kleidung alleine macht es nicht. Es geht um das Auftreten.

Hilft ausreichende Körpergröße?
Das ja. Wenn Sie klein sind, haben sie es auf jeden Fall schwerer. Das ist ungerecht, aber so ist es.

Wie kamen Sie im Proletensport Fußball an als distinguierter Konsul vom Auswärtigen Amt?
Natürlich nicht nur positiv, das ist ja klar. Der Uwe Seeler sagte mal: »Diese Politiker aus Bonn, die sind nicht nur überbezahlt, die sehen auch ganz schön schlecht.« Als er aus drei Metern danebenschoss, sagte ich: »Ich kenne sogar Lizenzspieler, die ziemlich schlecht sehen.« Er lachte und gab mir die Hand.

Dennoch wurde aus Ihnen die »Diva vom Rhein«. Wie kam das?
Nach einem Spiel von Bayern München kamen die Reporter auf den Platz und es ging sofort in rüder Tonart los, warum dies und warum jenes. Ich sagte: Meine Herren, ich bin jetzt sehr verschwitzt. Warten Sie einen Moment, ich verkleide mich als Gentleman, dann können Sie mich alles fragen.

Das haben die ihnen übel genommen?
Der tiefere Sinn war, dass ich wusste, dass sie bald Redaktionsschluss hatten. Sie waren hartnäckig und folgten mir bis vor die Kabinentür. Ich schloss ab und sagte: Schieben Sie Ihre Fragen unten durch!

Können Sie sich an Ihr allererstes Bundesliga-Spiel erinnern?
Nein.

Wir helfen Ihnen. 20. August 1966, Dortmund gegen Düsseldorf, Stadion Rote Erde.
Oh, schön!

Das Tor für den BVB erzielte Siegfried Held auf Vorlage von Stan Libuda. War der so leicht aus dem Konzept zu bringen, wie alle sagen?
Ja, den musste man immer ein bisschen aufrichten, im Vorbeilaufen, dass das keiner merkt.

Das haben Sie übernommen?
Ja, sicher. Ich sagte ihm, dass es doch weitergeht, dass er sich nicht grämen soll. Ach, der Stan, der schaute immer so traurig.

Hat Libuda Ihnen Leid getan?
Schon, ja. Und wir wissen, was später mit ihm geschehen ist. Wissen Sie, die Spieler werden von allen möglichen und unmöglichen Leuten getreten, vom Trainer, vom Manager. Und wenn dann noch der Schiedsrichter kommt… nein!

Sie sind in über 150 Bundesliga-Spielen mit fünf Platzverweisen ausgekommen. Nach heutigen Maßstäben ein Witz.
Das würde heute auch noch gehen. Man sollte nicht zu früh mit den Karten beginnen. Sie bringen sich doch selbst in Zugzwang. Mein Bestreben war immer, mit vollständigen Mannschaften wieder vom Feld zu gehen.

Fünfmal Rot, da müssten Sie sich an jeden einzelnen erinnern können.
Ich erinnere mich an Rolf Rüssmann, das war im Spiel Fortuna Düsseldorf gegen Schalke. Der rief: Schiedsrichter, du dumme Sau! Für »dumm« hat er glaube ich vier Wochen, für »Sau« acht Wochen bekommen.

Zwölf Wochen für eine Beleidigung?
Aber ja, der hat reichlich bekommen, das wurde dann aber noch abgemildert. Und der andere, das war der Günter Neues, im Spiel Hamburg gegen Kaiserslautern…

… April 1979, richtig.
Da meinte der Toppmöller noch zu mir, der hätte mich nicht gemeint. Ich sagte: »Läuft denn hier sonst noch ein Schwarzer herum?«

Dann wäre da noch Klaus Winkler vom HSV, und Günter Sebert…
Ach ja, richtig! Stuttgart gegen Waldhof Mannheim. Das war Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Manfred Ritschel von Kickers Offenbach schmissen Sie schon in der 6. Minute runter.
Im Derby gegen Eintracht Frankfurt. Er war schon in der 2. Minute verwarnt und zog dann Jürgen Grabowski die Beine weg. Das war so schlimm, dass Nationaltrainer Helmut Schön nach unten kam, weil er dachte, die Beine sind gebrochen. Gott sei Dank war es nicht so.

Bei so was kannten Sie kein Pardon?
Ich habe mich direkt von ihm verabschiedet.

Die 60er und 70er Jahre war die Zeit der ganz harten Jungs.
In Kaiserslautern haben sie nach allem getreten, was sich bewegt hat. Rehhagel, Klimaschewski und wie sie alle hießen musste man schon beim Einlaufen das Passende sagen.

Als Drohung?
Ach was, als freundlicher Hinweis. Ich habe ja nicht das Recht, die Spieler anzuschreien.

Wer waren weitere Spezialisten?
Bei Werder Bremen wussten Sie: Drei Meter vor dem Strafraum standen Höttges und Piontek. Wer da durch kam, war amputiert. Aber die waren clever, die haben mit Ball gegrätscht. Das war schwer zu sehen. Beckenbauer hat immer einen ganz großen Bogen um die gemacht, der wusste Bescheid.

Für Walter Frosch führte der DFB extra die Gelbsperre ein.
Nun gut, der Walter wollte mangelndes Spielverständnis und fehlende Technik ausgleichen. Oft visierte er schon in den ersten Minuten die Knochen an, dann habe ich ihm gleich gesagt: »Junge, lass das! Ich sehe es.«

Vorbeugende Maßnahmen.
Ganz wichtig. Ich erinnere mich an ein Spiel, da war Uwe Seeler gerade wieder gesund nach langer Verletzung. Und da hatten sie einen jungen Hitzkopf auf ihn angesetzt, den Namen weiß ich leider nicht mehr. Dem sagte ich: »Junger Mann, ich kenne Ihre Weisung. Lassen Sie es sein. Es gibt nur Ärger.« Der kam nach dem Spiel und hat sich bei mir bedankt. Das freut natürlich.

Welche Regeländerung der letzten 50 Jahre war die wichtigste?
Die Rückpassregel. Das war ja furchtbar, diese Zeitschinderei. Und als Schiedsrichter konnten Sie nichts machen.

Ihr Kollege Bernd Heynemann sagt, ein Schiedsrichter brauche vor allem ein schlechtes Gehör.
Da hat er nicht ganz unrecht. Auf dem Fußballplatz wird so einiges gesagt. Man muss sich nicht immer angesprochen fühlen.

Der Schiedsrichter hat oft das ganze Stadion gegen sich.
Ist doch egal. Ich dachte mir nur immer, wie viele nette Leute doch wieder da sind.

Aber wenn die Fans mal wieder die »schwarze Sau« hängen sehen wollten, muss Sie das doch beeindruckt haben.
Kein Problem. Erstens bin ich kein Fabeltier, zum anderen höre ich das gar nicht. Es hat doch keinen Zweck. In dem Moment, in dem Sie da zuhören, sind Sie von der konsequenten Linie weg. Die Gefahr, Fehler zu machen, ist dann riesengroß.

Ist Ihnen nie ein Spiel entglitten?
Nein, Gott sei Dank nicht.

Wie haben Sie sich auf die Spiele vorbereitet?
Erstens mal habe ich unter der Woche immer meine Kondition gepflegt.

Wie denn?
Ganz einfach: Laufen! Mindestens 20 Runden auf der Bahn. Die ersten 300 Meter laufen, dann 50 Meter spurten und die letzten 50 gehen, damit sich der vorolympische Astralkörper erholt.

Andere Kollegen wie Wolf-Dieter Ahlenfelder nahmen das mit der Fitness nicht so genau. Haben Sie auch mal vor dem Anpfiff einen genommen?
Nie. Ich rauche und trinke nicht. Deshalb kann ich zu jeder Dopingkontrolle gehen.

Geschichten wie die von Ahlenfelder, der eine Halbzeit nach 30 Minuten abpfiff, sind selten geworden. Thomas Metzen sorgte 2008 noch mal für Aufsehen, als er gleichzeitig zwei Gelbe Karten zeigte.
Das ist ja Zirkus, das geht nicht. Wir hatten damals ein ähnliches Beispiel. Horst Herden aus Hamburg hatte mal die Karten in den Strümpfen. Der wurde sofort bestraft vom DFB.

In Ihrem letzten Bundesliga-Spiel pfiffen Sie 1984 den Hamburger SV. Auf der Bank: Ernst Happel.
Der war nicht der allergrößte Freund der Schiedsrichter.

Wie hat sich das geäußert?
Indem er sehr, sehr böse guckte und grantelte. Aber da er Dialekt sprach, hätten Sie einen Dolmetscher gebraucht. Ich hab ihn zwar schon verstanden, weil ich in der Wiener Botschaft in der Ausbildung war, aber da kamen dann wieder die berühmten drei Affen zum Zuge.

Ist Jürgen Klopp in dieser Hinsicht der Happel von heute?
Ach, das ist an für sich ein ganz lieber, netter Mensch. Er lebt das Spiel. Und sein bester Freund ist eben der vierte Mann. Da wünsche ich mir manchmal etwas Gelassenheit, auf beiden Seiten. Mancher Offizielle springt ja herum wie ein Scharfrichter.

Die Coaching Zone ist heute penibel markiert. Läuft der Fußball Gefahr, an zu vielen Regelungen zu ersticken?
Sie mussten das leider machen, wegen der verschiedenen Temperamente. Sonst geht es wie mir mit Tschik Cajkovski. Der stand bei einem Spiel in Stuttgart plötzlich vor mir, mitten auf dem Platz. Ich sagte dem Kugelblitz, dass ich ihn lobend im Spielbericht erwähnen würde. Bei der nächsten Begegnung knurrte er: »Du bist Hund. Du können lesen und schreiben.«

Hat Ihnen nie mal einer einen flotten Spruch übel genommen?
Nein, ich habe die ja nie angegiftet. Das lief immer höflich und anständig ab, auch im vollen Lauf. Das geht. Ist eine innere Einstellung. Ich bin ja nicht deren Vorgesetzter.

Spricht Otto Rehhagel eigentlich wieder mit Ihnen?
Selbstverständlich. Der hat wegen mir mal drei Monate Berufsverbot bekommen. Er war in Offenbach derart aufgehetzt und rief: »Der Schiri ist bestochen.« Ganz laut, das hat die ganze Tribüne mitbekommen. Das kann man nicht mehr überhören.

Rehhagel warf Ihnen vor, Sie hätten gelogen.
Ach was, eine reine Schutzbehauptung. Hat doch jeder gehört. Ein halbes Jahr später trafen wir uns zufällig und haben uns ausgesprochen.

Rehhagel nennt sich gerne »Kind der Bundesliga«. Sie auch?
Ich sehe mich als Schiedsrichter für den Fußball, nicht mehr und nicht weniger.

Sie pfiffen noch für 72 D-Mark. Heute bekommen Bundesliga-Schiedsrichter 4200 Euro pro Einsatz. Wäre ein zweiter Fall Hoyzer zu vermeiden, wenn Schiedsrichter noch mehr Geld bekommen würden?
Das glaube ich nicht. Da ist ein junger Mann ohne große Basis in Amateurklassen nach oben geschossen worden, sprich: Jugendwahn. Man hat ja inzwischen eingesehen, dass das nichts bringt. Sie müssen eine gewisse Zeit unterklassig pfeifen, um sich das Rüstzeug zu holen.

Wäre solch ein Fall in Ihrer Generation denkbar gewesen?
Das ist eine hypothetische Frage. Aber ich denke, unter den FIFA-Schiedsrichtern nicht.

Sie sind Jahrgang 1935, haben Krieg und Zerstörung als Kind miterlebt.
Ich habe auch Schulspeisungen erlebt, weil es zu Hause nichts zu beißen gab. Das prägt.

Wie?
Man ist dankbar für jeden Tag, den man erleben darf. Ist es nicht eine wunderbare Sache, wenn Sie mit einer Pfeife große Spiele leiten dürfen, in vollen Stadien, überall auf der Welt?

Was wünschen Sie Ihren Nachfolgern für die nächsten 50 Jahre?
Ich wünsche ihnen, dass sie immer das nötige Glück haben, denn das braucht man. Dass sie optimal vorbereitet sind und dass sie wissen, dass sie eine dienende Funktion haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und, bitte: Sie sollen sich nicht so tierisch ernst nehmen.

Schnee, der auf Zaudern fällt

– Erste Halbzeit schlecht, zweite Halbzeit gut – am Ende zieht der HSV vorbei

Berlin (dapd). Nur wenige Minuten nach dem Abpfiff der Bundesliga-Partie zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV schien es, als wollte der dafür Zuständige einen schützenden, weißen Mantel über das zuvor Gesehene legen. Es fing kräftig an zu schneien. Mit reichlich Verspätung fiel er, Flocke um Flocke, dieser erste Schnee des Winters, Ende Januar. Ähnlich lange wie der Winter auf seinen Schnee warten die Berliner Fans nun schon auf ein Erfolgserlebnis ihrer Mannschaft. Die hatte am Samstag versucht, das neunte Heimspiel der laufenden Bundesliga-Saison zu gewinnen. Zum siebten Mal klappte das aber nicht, die Anzeigetafel wies einen 2:1-Auswärtserfolg des HSV aus.

Warum dem so war, darüber waren sich die Beteiligten einig. „Ganz desolat“, hatte Trainer Michael Skibbe sein Team gesehen – in der ersten Halbzeit. Was seine Mannschaft sich da zusammengespielt habe, sagte Skibbe weiter, sei „weit unter Bundesliga-Schnitt“ gewesen. Will heißen: Bestenfalls zweitklassig. Darüber sei zu reden, grollte der bislang glücklose Nachfolger des kurz vor der Winterpause offiziell nicht aus sportlichen Gründen entlassenen Markus Babbel.

Das Reden erledigte Skibbe vor dem Auslaufen am Sonntag. „Ich habe der Mannschaft etwas ins Büchlein geschrieben bezüglich der ersten Halbzeit“, sagte der Coach nur, deutete die Gesprächsinhalte dann aber immerhin an: Dazu zählte er die „große Lethargie“ und den „fehlenden Mut, Fußball spielen zu wollen“.

Seine Spieler widersprachen nicht. „Desolat“ nannte Andreas Ottl die ersten 45 Minuten, sein Kollege Fabian Lustenberger hatte mit „nicht gut“ noch die mildeste Formulierung parat. 0:2 hatten die Berliner zur Pause zurückgelegen, nach einem ersten Durchgang, bei dem sie ihre Zurückhaltung im Zweikampf nur durch die eigene Ideenlosigkeit im Spiel nach vorne übertrafen. „Wir haben keine Zweikämpfe gewinnen können, weil wir zu passiv gespielt und unsaubere Pässe gespielt haben“, befand Skibbe.

Hertha in den ersten 45 Minuten, das war ein Team, das den Ernst der Lage offenkundig völlig verkannte. Und sich einen absolut verdienten Zweitore-Rückstand einhandelte gegen einen Gegner, der nach der 1:5-Klatsche gegen Dortmund vor Wochenfrist sehr wohl auch seine zögerlichen Momente hatte. Hinterher freuten sich die Hamburger, dass es ihnen so einfach gemacht worden war: „Wir wollten offensiv auftreten, das haben wir auch getan. Unser Plan ist voll aufgegangen“, sagte Heiko Westermann. „Der Unterschied zu Dortmund war: Wir haben Fußball gespielt“, sagte Marcell Jansen, der das 1:0 erzielte. „Wenn ich viele Bälle bekomme, kann ich meine Stärken auch ausspielen.“ Viele Bälle bekam er, wie auch der sehr agile Rückkehrer Mladen Petric, dem kurz vor dem Halbzeitpfiff das zweite HSV-Tor gelang. „Wir wollen euch kämpfen sehen!“, hatten die Berliner Fans schon nach einer halben Stunde in die Eiseskälte gebrüllt.

Umso schlechter verdaulich wurde das alles für sie, weil sie dann doch noch die andere, bessere Seite der Hertha vorgeführt bekamen. Doch obwohl die Berliner in der zweiten Hälfte mit zunehmender Vehemenz das Tor ihrer Gäste bestürmten, gelang ihnen nicht mehr als Lasoggas Anschlusstreffer.

Zwischenzeitlich hatte man fast das Gefühl, die Hertha-Profis hätten vor dem Spiel beim Sportwettenanbieter ihres Vertrauens eine entsprechende Handicap-Wette abgeschlossen. Wenn dem so war, schauten sie ihrem Geld allesamt hinterher. Am Ende stand nur die nächste Heimniederlage und der ernüchternde Fakt, dass die Berliner nun auch offiziell die schlechteste Heimmannschaft der Bundesliga sind. Der FC Augsburg schob sich mit dem Punktgewinn gegen den 1. FC Kaiserslautern in dieser Wertung vorbei. Und auch in der Gesamtwertung wird der Boden nach unten immer dünner. Zwei Punkte sind es noch bis zum 16. Platz.

Zudem bricht Skibbe das verteidigende Personal weg: Innenverteidiger Christoph Janker fällt mit Jochbeinbruch sechs Wochen aus, Andre Mijatovic, für Janker erst ins Spiel gekommen, und Rechtsverteidiger Christian Lell fehlen beide in einer Woche gegen Hannover jeweils nach fünfter Gelber Karte. Zumindest bei Roman Hubnik, der mit dickem Knieverband in die Kabine gehumpelt war, gab es Entwarnung: Nur eine Prellung, am Dienstag soll er wieder trainieren.

Skibbe weiß, dass seine Improvisationskunst gefragt ist: „Für die kommende Woche wird es schwierig, einen Defensivverband aufzustellen, der in der Bundesliga das Tor auch mal dichthalten kann.“ Das jedoch dürfte die Grundvoraussetzung dafür sein, dass nach trainerübergreifenden acht Spielen ohne Sieg mal wieder drei Punkte in der Hauptstadt bleiben. Bis zum Frühling sollten sie damit nicht warten.

Rauchzeichen in der Kurve

– Ultras und DFB verhandeln um Legalisierung von Pyrotechnik – derzeit gibt es einen Waffenstillstand

Berlin (dapd). Die Grafiker der Kampagne haben für das Logo jenes Farbschema ausgewählt, in das sich die Ultra-Bewegung gezwängt sieht: schwarz und weiß. Drei junge Männer, Kappe, Kapuze, Fanschal, halten drei Fackeln in die Höhe, deren Flammen sich zu einem gemeinsamen, großen Feuer umschlingen. Darunter das Motto: „Pyrotechnik legalisieren, Emotionen respektieren.“

Vereinstreue, Choreografien, Dauersupport auf der guten Seite, Gewaltbereitschaft, Kritikunfähigkeit und eben auch gefährliche Zündelei auf der anderen. Das sind die Attribute, die in der Bewertung dieser bis ins Extreme treuen Fans meist gegeneinander gestellt werden. Die Zwischentöne sind kompliziert.

Die deutschen Ultras haben sich für den komplizierten Weg entschieden. 56 der notorisch rivalisierenden Fangruppen sind gemeinsam losmarschiert im Herbst 2010. Auf der „Fandemo“ in Berlin im Oktober hatten sie sich schon ein bisschen beschnuppert, danach formierte sich das Bündnis, das sich vorgenommen hat, die Verwendung von Bengalischen Feuern aus der kriminellen Ecke zu holen.

Erster Bundesligaspieler hat sich solidarisiert

Über 100 Fanvereinigungen haben sich bereits solidarisiert, auch sechs Fußballklubs unterstützen die Aktion, darunter Zweitligist Dynamo Dresden. In der vergangenen Woche bekannte sich Mathias Abel vom 1. FC Kaiserslautern als erster Profi zur Initiative. „Pyrotechnik beflügelt die Mannschaft und die einzelnen Spieler. Kontrolliert kann es eine sinnvolle Sache sein“, sagte Abel.

Die Ultras haben es bis an den Verhandlungstisch mit dem DFB geschafft, schon das darf als Erfolg gelten. Denn der Verband vertrat in den letzten Jahren eine Politik der geringen Toleranz gegenüber Zündlern, denen im schlimmsten Fall Stadionverbote und Zivilklagen drohten. „Dass wir so schnell mit dem DFB zusammensitzen würden, hätten wir ehrlich gesagt nicht erwartet“, sagt Jannis Busse, ein Sprecher der Initiative von den Ultras Hannover, der dapd Nachrichtenagentur.

Zwei Treffen fanden nach dapd-Informationen bereits statt, beide in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main, das erste kurz vor dem Ende der vergangenen Saison, das zweite Anfang Juli. Zunächst ging es um gegenseitiges Beschnuppern, dann um einen konkreten Fahrplan.

Heraus kam zunächst ein Waffenstillstand. An den ersten drei Spieltagen verzichten die Ultras auf Pyro-Aktionen – als Zeichen des guten Willens. „Noch ist nichts erreicht, im Gegenzug haben wir dem DFB natürlich noch nicht die Freigabe von Pyrotechnik abgerungen“, sagt Jannis Busse. Doch die Ultras hoffen, dass der Verband, wenn die Kurven tatsächlich rauch- und böllerfrei bleiben, grünes Licht für den nächsten Schritt gibt. Der könnte so aussehen, dass Verein, Ordnungsamt und Fans eine „lokale Genehmigungspraxis“ erarbeiten. Es geht darum, wann und wo Pyrotechnik erlaubt wird, zum Beispiel in bestimmten Bereichen der Kurve vor dem Spiel.

„Paar Sturköppe, die von nichts abrücken“

Es wäre eine kleine Revolution in der Fankurve. „Nach jahrelangem Nicht-Verhältnis und Missverständnissen zwischen DFB und Ultras ist das jetzt ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Busse.

Der Ende August scheidende DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn war auf dapd-Anfrage in dieser Woche nicht zu erreichen. Auf Fanseite bekam man den Eindruck, dass der DFB von der geschickten Verhandlungsführung bei den beiden Treffen überrascht war. „Sie dachten wohl, da kommen ein paar Sturköppe, die von nichts abrücken wollen“, sagt ein Gesprächsteilnehmer.

Doch es gibt Entgegenkommen von den Fans: „Schluss mit Böllern, Kanonenschlägen und sonstigen Knallkörpern“, sagen sie. Vor den Gesprächen hatte Spahn unmissverständlich klargemacht, dass die Sicherheit der Zuschauer „oberste Priorität“ hat. Denn der weite Begriff der Pyrotechnik umfasst nicht nur schön und bunt qualmenden Rauch. Einige verstehen darunter auch das Detonieren von hochgefährlichen „Polenböllern“, im Ausland gefertigter Feuerwerkskörper mit höchster Sprengkraft.

Dass sich die „Initiative Pyrotechnik“ von diesen Krachern distanziert, ändert nichts an der latenten Gefahr. „Ganz unabhängig von einer Legalisierung kann immer etwas passieren“, sagt Jannis Busse. Erst am 34. Spieltag der vergangenen Saison schmiss ein Fan in der Kaiserslauterer Westkurve einen Böller in die Menge, es gab mehrere Verletzte.

Eine Fankurve sei kein Puppentheater, sagt einer der Unterstützer der Kampagne. Nicht jeder lasse sich von den Ultras was sagen. Alle Beteiligten wissen: Passieren kann immer was. Denn neben guten Vorsätzen gibt es auch bösen Willen.