Wie ein Hurrikan

– „Booster“-Skandal um Miamis Football-Team erschüttert amerikanischen College-Sport

Berlin/Miami (dapd). Exzessiver Luxus, Nachtclubs, Prostitution und Abtreibung – schon für sich alleine genommen verspricht jedes dieser Schlagworte in den USA eine interessante Debatte. Wenn sie alle zusammen in einem Enthüllungsartikel auftauchen, dazu noch in Verbindung mit dem College-Sport, dem heißgeliebten Darling von „Average Joe“, dem amerikanischen Durchschnittsbürger – nun, dann bricht ein wahrer Wirbelsturm los.

Im Auge dieses Orkans befinden sich passenderweise die Hurricanes, so nennt sich das Football-Team der Universität von Miami, fünffacher nationaler Champion. Losgebrochen ist er am Dienstag, als die Webseite „Yahoo! Sports“ einen umfassenden Artikel veröffentlichte, der offenlegt, dass ein „booster“, also ein wohlhabender Gönner und Spender der Sportprogramme der Uni, über Jahre hinweg Athleten, die offiziell Amateurstatus haben, mit Luxus-Geschenken und umfangreichen Prämienzahlungen überhäuft hat. Das verstößt massiv gegen die Ethik-Grundsätze des College-Sports.

72 Footballer will Shapiro bespaßt haben

Nevin Shapiro, so der Name des schwerreichen Übeltäters, sitzt derzeit im Gefängnis, weil er ein Schneeballsystem mit einem Gesamtwert von knapp einer Milliarde Dollar betrieben haben soll. Hinter Gittern packte der „booster“ aus. Auf Basis von 100 Interviewstunden und elf Monaten Recherche hat „Yahoo! Sports“ in dieser Woche Shapiros Zuwendungen an die Sportler, vornehmlich Football-Spieler, aufgelistet: „Bargeld, Prostituierte, Vergnügungen in seinen Multi-Millionen-Dollar-Häusern und auf seiner Yacht, Besuche in Restaurants und Nachtclubs der Oberklasse, Schmuck, Auflaufprämien (sowie Prämien für Verletzungen von Gegenspielern), Reisen und, bei einer Gelegenheit, eine Abtreibung.“

72 Footballer will Shapiro zwischen 2002 und 2010 derart bespaßt haben. Sechs Trainer waren nach seiner Aussage eingeweiht. Die öffentliche Entrüstung der Amerikaner ist riesig, befeuert auch von den zahlreichen, ebenfalls veröffentlichten Party-Fotos von Shapiro mit College-Sportlern. Nicht wenige US-Sportfans schätzen die unter dem Schirm der National Collegiate Athletic Association (NCAA) organisierten College-Ligen als ehrlichen und bodenständigen Gegenentwurf zu den Milliarden-Unternehmen der Profiligen. Doch nach etlichen Regelbrüchen in der jüngeren Vergangenheit ist der Shapiro-Skandal nun der endgültige Beweis, dass dieses Bild weit weg ist von der Realität.

Miami als Wiederholungstäter

„Wenn uns der Skandal rings um Miami irgendetwas lehrt, dann dass die NCAA schon längst das leiseste Anzeichen von Kontrolle verloren hat über ihre Herde und dass ihr Regelwerk besser dazu benutzt würde, um damit Hamsterkäfige auszulegen“, schreibt Lynn Zinser in einem Kommentar für die „New York Times“.

Weil die Universität von Miami nach einem Skandal um das Baseball-Team Ende der 90er Jahre als Wiederholungstäter gilt und von 2003 bis 2005 unter Bewährung stand, macht nun sogar schon das böse Wort von der „Death Penalty“ die Runde. Gemeint ist die Zerschlagung des betroffenen Teams, die es in der Geschichte erst einmal bei einem College-Football-Team gegeben hat.

NCAA-Präsident Mark Emmert sagte der Zeitung „USA Today“, er würde sich nicht gegen diese drakonischste aller Strafen stemmen: „Wir brauchen Strafen, die als effektive Abschreckung wirken. Diejenigen, die Risiken und Vorteile gegeneinander abwägen, sollen wissen, was sie erwartet, wenn sie erwischt werden“, sagte Emmert.

„Kann nichts Schlechtes über ihn sagen“

Die Fans aus Miami sind entsetzt. „Wenn die NCAA das Team killt, werden sich ziemlich viele Leute die Kehle durchschneiden“, sagte Luther Campbell, Rapper und großer Hurricanes-Fan dem „Miami Herald“. Leichtere Strafen sähen unter anderem den Verlust einiger Sportstipendien vor, mit denen die Universitäten die besten High-School-Sportler ködern – oder den Ausschluss auf Zeit von den lukrativen „Bowls“, in denen die besten Football-Mannschaften gegeneinander antreten.

Auch andere Hochschulen sollen betroffen sein. Die namentlich genannten Sportler bestreiten die Vorwürfe. Bernard Thomas, ehemaliger Defensivspieler der Universität von Nebraska, der auf einem Foto mit Shapiro auf einer Yacht posiert, sagte der „Huffington Post“: „Er war cool. Er war ein netter Typ. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“ Und als das Foto aufgenommen wurde, sei er gar nicht mehr auf dem College gewesen. Andre Johnson, Wide Receiver der Houston Texans, sagte knapp: „Der Typ hat Probleme und versucht alle mit runterzuziehen.“ Doch so einfach wird der Wirbelsturm der Entrüstung wohl nicht abflauen.