Kosova! Kampion!

Sechs Jahre gibt es das Kosovo, doch die Anerkennung des kleinen Landes verläuft schleppend. Das erste offizielle Länderspiel geriet deswegen zum Volksfest. Auch wenn der Gegner nur Haiti hieß. (11FREUNDE, April 2014)

Eine Haiti-Flagge, ruft Alban, wäre es nicht großartig, wenn wir jetzt eine Haiti-Flagge hätten?

Mit breiten Schritten geht er durch die Innenstadt von Mitrovica, der Regen kommt in feinen Fäden herunter, vor dem alten Kaufhaus trommeln und singen sie schon, und Alban Muja freut sich über seinen Einfall. Haiti, klar, ohne Gegner kannst du kein Fußballspiel machen, und noch gibt es auf der Welt nicht viele, die mit dem Kosovo spielen wollen. Haiti aber will, als Gegner, also eigentlich: Verbündeter, und hat damit das erste offizielle FIFA-Länderspiel des kleinen Balkanlandes ermöglicht, seit sechs Jahren erklärtermaßen unabhängig, aber noch kein Mitglied der internationalen Gemeinschaft, auch nicht im Fußball.

Ein erster Schritt ist das, dank Beschluss des Weltverbands. Da muss man dabei sein.

Willkommen in meiner Heimatstadt, Mann, hat Alban nach dem Aussteigen gesagt, die Arme so weit, als müsste die ganze Welt hineinpassen. Ein glücklicher Kosovare mit Schiebermütze, Vollbart und buntem Halstüchlein. Vorher war er in seinem klapprigen Fiat Punto die 50 Kilometer von der Hauptstadt Pristina nach Mitrovica gefahren, mit kreischenden Scheibenwischern, in der rechten Hand eine qualmende Lucky, in der linken meist das Telefon, alle fünf Minuten rief jemand an, wo treffen wir uns, seid ihr schon unterwegs, auf der Ablage über dem Handschuhfach die Sportzeitung mit den großen Lettern auf dem Titelblatt: Auf geht’s, Kosovo!

Es ist nicht nur ein Fußballspiel, sagt Alban, für uns ist das ein historisches Datum. Für mich sowieso, ich kenne das Stadion, ich habe dort ja selbst gespielt.

Es regnet also, am Morgen des historischen Tages, aber das Wetter muss ja nicht immer ein Zeichen sein für irgendwas. Braune Bäche laufen quer über die abschüssigen Straßen, die Scheiben beschlagen von innen. Der Uni hat Alban heute abgesagt, nicht zum ersten Mal fällt sein Seminar aus, aber zum ersten Mal, wenn er im Land ist und nicht in Berlin, New York oder Ljubljana, er ist viel gereist in den letzten Jahren.

Alban Muja, geboren am 10. September 1980 in Kosovska Mitrovica, ist einer der bekanntesten jungen Künstler seines jungen Landes, im Mai vergangenen Jahres hat ihm die Nationalgalerie in Pristina eine Einzelausstellung gewidmet, sein Name stand auf Plakaten in der ganzen Stadt. Nicht dass ihn nicht auch vorher schon jeder gekannt hätte. Geht er durch die Straßen der Hauptstadt, vergehen kaum je fünf Minuten, bevor er kurz anhalten muss, hallo, wie geht’s, si jeni? A jeni mirë?

Alban Mujas Kunst erzählt viel vom Kosovo: Er hat die neun Jungen fotografiert, die alle den gleichen Vornamen tragen, Tonibler, benannt nach Großbritanniens ehemaligem Premier, albanische Version, Tony Blair wird hier als Retter verehrt, genau wie Bill Clinton, dem sie gleich ein Denkmal gebaut haben in Pristina. Alban hat die junge Frau interviewt, deren Vater sie Palestina genannt hat. Und eines seiner Werke zeigt auch die Ibar-Brücke seiner Heimatstadt, über die niemand mehr gehen will. »Museum of Contemporary History«, so hat Alban das Bild genannt. »Sie verbindet nicht«, sagt er, »sie trennt.«

Die Brücke mit dem aufgeschütteten Erdwall mitten auf der Fahrbahn ist das Symbol geworden für Mitrovica, den Spielort, geteilt zwischen Albanern im Süden und Serben im Norden, und für den langen Weg, den das Kosovo noch vor sich hat. Serbien erkennt die Unabhängigkeit seiner alten Provinz nicht an, Serbien hat Russland im Rücken, und Russland ist UN-Veto-Macht. FIFA-Mitglied werden kann aber nur, wer Mitglied in einer Konföderation ist. Und UEFA-Mitglied werden kann nur, wer UNO-Mitglied ist. So sind die Statuten.

Deswegen wehen auch nur drei Flaggen an den vier Masten des alten Trepca-Stadions, die rote von Haiti, die blaue der FIFA und das gelbe Fair-Play-Banner. Der linke Mast aber bleibt kahl, die blaue Fahne mit dem gelben Umriss des Kosovo nicht aufzuhängen, das war der Kompromiss. »Aber ich habe eine«, ruft Alban und schwenkt sein kleines Papierfähnchen, das sie an alle verteilt haben, die eins wollten. Und dann geht das Feuerwerk los, blau und gelb schießt das Pulver hinter der Tribüne hervor, untermalt von lauten Krachern, und die Leute zücken ihre Handys. Kaum ist der letzte Kanonenschlag verhallt, kommen die beiden Mannschaften auf den matschigen Platz gelaufen, die elf Kosovaren ganz in Weiß, das sieht schön aus im Grau des Tages.

»Es fühlt sich so an«, sagt Enis Alushi, »als würden nicht wir elf Fußball spielen, sondern die ganze Nation.« Der Tag vor dem Spiel: Alushi, 28 Jahre alter Mittelfeldspieler des 1. FC Kaiserslautern, sitzt am Kopfende eines Betts im Hotel Emerald, wo das Team Kosovo untergebracht ist, 15 Kilometer außerhalb von Pristina, direkt an der Ausfallstraße, hinter einer Tankstelle. »Wir machen das auf dem Zimmer«, hat er gesagt. »Eigentlich sollen wir zwischen den Einheiten keine Interviews geben.«

Das Treffen hat also ein bisschen was Konspiratives, Alushi zuppelt noch schnell die Tagesdecke über das Bett, über dem Fußhocker liegen zwei Stutzen zum Trocknen. Es ist eigentlich das Zimmer von Albert Bunjaku, ebenfalls 1.  FCK. Der kommt nach ein paar Minuten hereingeschlendert, Kaffeetasse in der Hand, auch er in weißer Trainingsjacke. »Kosova« steht auf dem Rücken.

Eine knappe Stunde, inklusive Fotos, dann ist Mittagessen. Nicht viel Zeit. Ohnehin nicht ganz leicht, mit professionellen Fußballspielern über ernste Dinge zu reden, sie lernen auf diesem Niveau schon in der Jugend zu reden, ohne etwas zu sagen. Aber um Politik muss es nun mal gehen, heißt doch schon das Stadion nach Adem Jashari, dem ehemaligen UCK-Kommandeur, hier verehrt als Kriegsheld, als Märtyrer. Das Stadion liegt am Ufer des Ibar und seine Sitze sind grün.

»Politik spielt für uns Sportler keine Rolle«, sagt Enis Alushi gleich zu Beginn. »Aber wir wissen, dass es viel Politik gab in den letzten Jahren, damit wir überhaupt auf dem Platz stehen dürfen.«

Auch für Alushi ist es eine Heimkehr, wie Alban Muja ist er in Mitrovica geboren, am 22. Dezember 1985. Hier steht das Haus, in dem er aufwuchs, bis zu dem Tag knapp acht Jahre später, als die Eltern über Nacht die Koffer packten und aufbrachen in das große Land, das Hoffnung versprach, auf nach Deutschland, »hier werden wir doch nicht mehr glücklich«.

Das Haus, in dem Enis Alushi aufwuchs, gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht für ihn, es liegt auf der serbischen Seite. »Bis heute dürfen wir die alte Wohnung nicht betreten«, sagt er. Die Serben im Norden erkennen die Regierung in Pristina nicht an, sie wollen autonom sein oder, besser noch, zu Serbien gehören, vor der Ibar-Brücke stehen auch am Spieltag ein paar Panzerfahrzeuge, »Carabinieri« steht auf den Seiten. »Ich erinnere mich an meine Schulfreunde«, sagt Enis Alushi. »Ab dem Tag habe ich sie nie wiedergesehen. Es war eine gemischte Schule, ich hatte auch mit Serben zu tun, natürlich, als Kind ist man ja kein Politiker.«

Die sind natürlich heute da, die Politiker, das haben sie sich nicht nehmen lassen, die Präsidentin und der Premierminister, selbst zum Abschlusstraining ist Hashim Thaci ja bereits gekommen, das auf einem fleckigen Platz direkt neben dem Braunkohlekraftwerk stattfand, das ganz Kosovo versorgt und dessen Produktivität man dort auch auf den Lippen schmecken kann. »Ihr seid unser Stolz«, hat Thaci zu den Spielern gesagt. »Ihr seid unsere Zukunft, willkommen zu Hause.« – »Ist das erbärmlich«, hat einer der lokalen Fotografen gesagt. »Naja, bald sind Wahlen.«

Die Realität ist hier oft noch dunkler als der Qualm des Kraftwerks, das Land lebt von der internationalen Gemeinschaft, von den Geldsendungen der Exil-Kosovaren, eine halbe Million leben alleine in Deutschland und der Schweiz, und von den EU-Fördergeldern, rund 70 Millionen Euro jährlich. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International steht Kosovo derweil auf Platz 111 von 175, zusammen mit Äthiopien und Tansania. Schlimmer ist da nur, überhaupt nicht aufzutauchen in einem Ranking, denn während Haiti als stolzer 79. der FIFA-Rangliste anreist, sucht man die Kosovaren dort noch vergeblich.

»Ich musste überhaupt nicht überlegen«, hat Enis Alushi gesagt. »Ich wusste schon, wenn die Anfrage kommt, würde ich ja sagen.« Und nun läuft er da unten über den tiefen Rasen, die Stutzen schon voller Matsch, eben hat er nach einem schier aussichtslosen Ball gegrätscht, kurz vor der Auslinie, und ihn noch bekommen, und jetzt macht Enis Alushi, die Nummer fünf des Kosovo, linkes Mittelfeld, eins, zwei, drei, vier Übersteiger und die 17.000 Kosovaren werden wieder laut, die ersten Minuten des Spiels haben sie noch ziemlich still im Regen gestanden, es ist ja für alle das erste Mal.

»Kosova! Kosova!«, rufen sie nun, und hinter der gegenüberliegenden Fankurve sieht man die Hügel von Nord-Mitrovica, an den Hängen stehen Häuser aus rotem Backstein, und rechts ist das Wahrzeichen der Stadt zu sehen, die riesige Steinlore aus Beton, denn hier, in den Minen von Trepca, lagern Blei, Zink, Silber, Gold, Nickel, Bodenschätze, die Jugoslawien einst reich gemacht haben, damals, als noch mit voller Kapazität gearbeitet wurde, die Minen liegen genau an der Grenze zwischen dem Norden und dem Süden.

»Vielleicht ist es ein kleines Zeichen an andere Nationen«, hat Enis Alushi gesagt, kurz vor dem Mittagessen, »an die, die uns immer noch nicht akzeptieren wollen. Dass wir nicht aufgeben, dass wir unsere Akzeptanz haben wollen und gerade an diesem Ort unser Debüt feiern.«

»Mitrovica war multi-ethnisch«, sagt Alban. »12 bis 15 Prozent waren Nicht-Albaner. Eine Teilung in Nord und Süd gab es nicht, das Wort existierte nicht mal in unserem Vokabular.«

Auf einer Ibar-Brücke, über die er damals täglich ging, fand er statt, der Moment, an dem Alban merkte, dass etwas in eine völlig falsche Richtung läuft. Auf dem Heimweg, nachts, hielten ihn drei Polizisten an. »Woher kommst du so spät«, fragten sie, und Alban Muja entschuldigte sich, sein Serbisch sei nicht so gut. Da schlug ihm der Polizist mit der flachen Hand ins Gesicht. »Sieh zu, dass dein Serbisch besser wird bis zum nächsten Mal«, sagten sie, dann ließen sie ihn laufen.

Die Worte sind alle noch da. »Künstler, male ein Porträt von mir!«, sagte der Befehlshaber zu Albans Vater. »Oder … du weißt schon. Befehl ist Befehl.« Und der Vater, im Klassenzimmer der Schule, die nun ein Internierungslager war, malte das Bild, Kreide auf Schultafel, ein schönes Porträt, und er wurde nicht zu den vier Männern gestellt, die verschwanden für immer. »Ich habe meinen Vater gar nicht wiedererkannt«, sagt Alban, »20 Kilogramm hatte er verloren in der Zeit in der Schule. Ich habe so viel gelernt in diesen Monaten, den ersten sechs Monaten des Jahres 1999. Ich habe gelernt, wie stark ein Mann sein kann, stärker als ein Stein.«

»18 Jahre war ich, aber sie hielten mich für 16«, sagt er. »Meine Eltern hatten mir noch die Haare kurz geschnitten, am Tag vorher, damit ich jünger aussah. Alle Männer sortierten sie aus, von 18 bis 55 Jahren, aber nicht mich, nicht mich.«
»Duam fitoru!«, ruft Alban jetzt zusammen mit den anderen 17 000, die Zigarette im Mundwinkel. »Duam fitoru!« Wir wollen einen Sieg! Er steht halb in einer Pfütze, das Leder seiner Halbschuhe saugt sich voll, aber das Team des Kosovo reißt die Leute jetzt mit, es wird immer stärker gegen Ende der ersten Halbzeit. Die Haitianer, deren rote Trikots ihnen kalt um die Körper schlackern, kommen kaum noch aus der eigenen Hälfte. Aber auch die beste Chance, ein schneller Gegenstoß, eingeleitet von Alushi, hereingegeben von Bunjaku, führt nicht zu einem Tor, das Bein eines Abwehrspielers ist irgendwie noch dazwischen. »Huuuuuuu!«, machen die Zuschauer.

Halbzeit. Die Polizisten auf der Tartanbahn, Gesicht zur Kurve, stehen schweigend da, manche lächeln. In der Reihe vor Alban hat ein Vater den Arm um seinen Sohn gelegt, er ist vielleicht zehn, elf Jahre alt. Vater und Sohn haben beide blaue Kosovo-Kappen auf, die wurden in der Innenstadt verkauft und vor dem Stadion. Der Vater lässt ein Foto machen. Vorne auf beiden Kappen sind sechs Sterne und der gelbe Umriss des Landes. »Geschichte wird nur einmal geschrieben!«, ruft einer von hinten, als die elf Weißen wieder rauskommen. »Ja«, sagt Alban und dreht sich zu ihm um, »aber Geografie ein paar Mal.« Dann freut er sich und zündet sich noch eine Zigarette an.

Dabei ist das Spiel nicht mal hier, im Kosovo selbst, unumstritten. Es gebe nur eine Kombëtare, sagen manche, nur eine Nationalmannschaft, und das sei die albanische. Einige Fans sind lieber nach Tirana gefahren, wo Albanien am Abend gegen Malta spielt. »Albanien ist auch immer mein Team gewesen«, sagt Alban, »aber Kosovo als Mannschaft zu haben ist noch bewegender.«

Für Albanien wird Alban Meha später ein Traumtor schießen, auch er ist in Mitrovica geboren, auch er spielt in Deutschland, beim SC Paderborn. Nein, keiner der albanischen Nationalspieler ist gekommen zu diesem historischen Spiel, auch Xherdan Shaqiri und die anderen Kosovaren aus der Schweizer Nati nicht. Die WM steht bald an, ihre Karrieren sind immer schon fernab der Heimat verlaufen. Und eine kosovarische Flagge im Wembley-Stadion zu schwenken, ist nun mal deutlich einfacher, als ein ganzes Leben aufzugeben für eine Mannschaft, deren Zukunft in den gelben Sternen steht. Absolut verständlich, sagen die einen. Dann sollen sie nicht so tun, die anderen.

Den Leuten im Stadiumi Olimpik Adem Jashari ist es in diesem Moment egal, der Regen hat aufgehört, die Mannschaft des Kosovo gibt eine gute Figur ab, sie kämpft um jeden Ball, kaum eine Rückennummer ist noch zu sehen von all dem Matsch, nur ein Tor will irgendwie nicht fallen. Aber hat nicht Haiti letztes Jahr auch unentschieden gegen das große Italien gespielt? La Ola rollt über die alten Steintribünen. »Kosova! Kampion!«

»Vielleicht«, hat Enis Alushi in seinem Hotelzimmer gesagt, »werden Shaqiri und die anderen, wenn sie sich das Spiel anschauen, ein bisschen neidisch auf uns sein.«

Er hat ein Haus gebaut, für seine Familie, auf dem Grundstück, das ihm seine Großmutter überlassen hat. Es liegt auf der anderen Seite der Brücke, in einer der wenigen ethnisch durchmischten Nachbarschaften. »Das Haus ist bezugsfertig«, sagt Enis Alushi. »Jetzt habe ich hier wieder ein Heim, und ich benutze die Brücke noch.«

Man kann sein Glück nicht immer erzwingen, man braucht Geduld, als kleines Land und als Fußballteam. Und so ist vielleicht dieses torlose Unentschieden, das sich die kosovarische Nationalmannschaft am Ende in ihrem ersten offiziellen Spiel erkämpft und, ja, auch erspielt hat, dann doch das korrekte Ergebnis. Sie haben ihren Willen gezeigt, sie haben die Leute begeistert, ein bisschen zumindest, aber die Zukunft braucht Zeit. Sie müssen sich gedulden.

Alban Muja geht in der drängenden Menge voran, seinen zusammengefalteten Regenschirm über dem Kopf schwenkend wie ein Touristen-Guide, »European Union« steht auf dem Schirm, aber das sieht man jetzt nicht mehr. »Wäre besser gewesen, wenn es nicht geregnet hätte«, sagt er, »aber was soll’s. Schnell nach Hause, dann schaffen wir noch die zweite Halbzeit von Albanien.«

Stell dir vor, es ist Derby…

– Hertha gegen Union, die Rivalität lebt in der vierten Liga fort – im ganz Kleinen. Ein Ortsbesuch

Es sind wirklich viele Polizisten da. Sehr viele Polizisten. Wannen, die am Falkplatz stehen. Wannen, die vor der Haupttribüne stehen. Wannen, die quer im Weg stehen. Ja, sogar: Ein Wasserwerfer. An allen Einlasstoren: Schwarze Uniformen über Schutzpolstern. Derbykleidung.

Hertha gegen Union. Charlottenburg gegen Köpenick am Mauerpark. Hat doch was, oder? Auch wenn es, hier in der vierten Liga, nur das kleine Derby ist, das der U23-Teams, „der Zweeten“, wie die Leute auf der Tribüne sagen.

Ein sind wirklich ein paar Fans gekommen. Vielleicht nicht so viele wie Polizisten, aber immerhin. Die Minuten vor dem Anpfiff. Zeit des Pop. Lana del Rey spielt Videospiele, Lykke Li folgt Flüssen. Hier folgt man den Blauen oder den Roten. Unten knippern zwei Hertha-Fans ein Banner an den Zaun. „Supporters U23“ steht drauf. Nach wenigen Sekunden nehmen die beiden es wieder ab. Dann hängen sie es falsch herum wieder auf. Die Schrift steht nun auf dem Kopf. Vielleicht ein Statement. Man wüsste gerne, wofür.

Der Stadionsprecher verliest die Aufstellungen. Applaus bei Herthas Nummer 30: „Andreas, Zecke, Neuendorf!“ Der Altmeister sitzt auf der Bank. Kann aber jederzeit kommen. Eine 37 Jahre alte Kampfansage.

Es plätschert dann so ein bisschen dahin. Irgendwann: Freistoß Hertha. „Ronnyyyyyy!“, brüllt einer los. „Ronnyyyyyy!“, antworten ein paar andere. Gelächter. Wer weiß, wo der Brasilianer gerade ist, hier ist er natürlich nicht. Union macht kurz darauf das 1:0. Wichtiger Treffer im Abstiegskampf. „Cottbus hat schon gegen Halberstadt verloren“, sagt einer auf der Tribüne.

Foul, ein Roter am Boden. „Scheiß Unioner!“, ruft ein Glatzkopf. „Hau ihm auf die Fresse!“ Kann man sehr gut hören im ziemlich leeren Jahnsportpark. „Genau! Immer ruff!“, antwortet ein Unioner. Gelächter. Gut zu wissen: Keiner nimmt hier irgendwen ernst.

Und dann ist Ronny plötzlich doch da. Unten am Zaun. Das Trikot mit der Nummer 12 spannt. Ronnys Körper ist eher birnenförmig. Ronny hat einen Rucksack dabei, daraus holt er Schal um Schal und knotet sie sich an die Unterarme. Irgendwann hat er an jedem mindestens fünf. Halbzeitpfiff. Ronny klatscht.

Pausen-Unterhaltung auf dem Klo: „Ey, nicht vordrängeln!“ – „Jaja, okay.“ – „Ehrlich, das ist U23. Hier fällste uff.“

Union ist auch danach besser, Herthas Abwehr ist weiter desolat, bald steht es 2:0. Ein alter Mann mit Arcor-Kappe ruft: „Wir steigen auf und ihr bleibt hier!“ Stille. Dann ruft er: „Wir fahren nach Bayern und ihr nach Ingolstadt!“ Ronny wedelt mit einem Deutsche-Bahn-Fähnchen. Er ist nur von hinten zu sehen. Aber er sieht traurig aus. Wie einer eben, der an einem Donnerstagabend in einem leeren Stadion sitzt und mit einem Deutsche-Bahn-Fähnchen wedelt.

Andreas Neuendorf zieht sich die Trainingsjacke aus. Es ist jetzt Zecke-Zeit. Er steht schon auf der Tartanbahn, da fällt das 3:0. Zecke streicht sich über den Scheitel. Er weiß, er ist keine Kampfansage mehr, er ist jetzt nur noch eine Durchhalteparole.

Sagt ein Vater zu seinem Sohn: „Wären wir mal lieber nach nebenan gegangen.“ Nebenan, in der Schmeling-Halle, spielen gerade die Berlin Recycling Volleys. Da ist immer was los. Klatschpappen und alles. Hier singen jetzt 50 Mann: „Eisern Berlin!“ Eine vorbei laufende Polizistin beschwert sich über den Kaffeepreis. Rechts starten die Maschinen vom Flughafen Tegel in den Abendhimmel. Links steht ein Baukran. Vielleicht, denkt man sich, kriegt jede Stadt dann doch die Derbys, die sie verdient.

Vater und Sohn packen ihre blau-weißen Schals in die Tasche und gehen nach Hause. Das Spiel ist aus. Die Fans wollen noch abklatschen. Man kann sie zählen. Es sind genau sieben. Die Spieler huschen schnell vorbei. Nur Zecke bleibt länger stehen. Er unterhält sich mit den Jungs vom verkehrten Banner. Ein paar Meter weiter steht Ronny. Er hat seine Hand durch den Zaun gestreckt und wartet geduldig.

A grandios Apfelkuchen

– Fußballprofis tun sich mit Twitter wahnsinnig schwer – es sei denn, sie sind nicht echt (Tagesspiegel, Sport)

Es war ein Dienstagmorgen, und Robin Dutt hatte beste Laune. „500 Follower!“, schrieb er stolz bei Twitter: „Bei 1.000 krempele ich den DFB um.“ Ganz klare Ansage, garniert noch mit dem Schlagwort „#revolution“. Entsetzte Gesichter wird es an der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, im Hauptquartier des Deutschen Fußball-Bunds, dennoch kaum gegeben haben. War natürlich nicht der echte Dutt. Und auch der humorige Kommentar zu Roman Weidenfellers Geburtstagsfoto, „We have a grandios Apfelkuchen gebacken“, stammte leider nicht vom DFB-Sportdirektor.

Nein, das Profil @Robin_Dutt ist ein Fake, es wird von einem der vielen anonymen Spaßmacher betrieben, die sich im Netz tummeln. Und Profile pflegen, die scheinbar Joachim Löw, Oliver Kahn oder Michael Ballack gehören. Wer sich nicht so gut auskennt, der kann sich zunächst einmal leicht in die Irre führen lassen – denn die Profilfotos sind echt, die Namen meist auch, Ausnahmen wie „Loddar Maddäus“ bestätigen die Regel. Immer zahlreicher werden sie, die falschen Fußball-Promis im Internet, und nur der geübte Nutzer entlarvt sie schnell: Ihnen fehlt das hellblaue Gütesiegel mit dem Häkchen hinter dem Namen, mit dem Twitter die echten Profile bekannter Menschen hervorhebt.

Wer nun ein bisschen in dieser Subkultur herumstöbert, dem Bundestrainer tief in die Mundart blickt oder mit Fredi Bobic in die Kabinengeheimnisse des VfB Stuttgart einsteigt, der ertappt sich irgendwann bei dem Gedanken, dass es doch eigentlich ein bisschen schade ist. Wäre es nicht eine Freude für alle Beteiligten, wenn tatsächlich der echte Kahn twittern würde: „Ich bin zu geil, ich bin zu geil, ich bin zu geil für diese Welt!“ Oder wenn Bayerns Jérôme Boateng, von dem man ansonsten noch nicht allzu viel Selbstironisches vernommen hat, seinen Hintergrund mit den „Bild“-Fotos der sommerlichen Lobby-Bekanntschaft Gina-Lisa Lohfink bestücken würde wie es sein unechtes Pendant @ChezRomeBoateng ganz lässig tut?

Ein ziemlich utopisches Szenario, zugegeben. Man müsste sich dafür schließlich nicht nur den Autorisierungseifer von Klubs und Verbänden, sondern auch die hysterischen Reaktionen vieler Medien wegdenken, die jeden noch so kleinen Satzfetzen aufklauben und nach ihrem Gusto breitschlagen.

In England ist man der Utopie jedoch ein ganzes Stückchen näher. Hier twittern aktuelle und ehemalige Profis häufiger und tendenziell weniger steif. Und manchmal sogar mit einigermaßen Witz. Ex-Nationalspieler Robert Huth beispielsweise hat in über zehn Jahren auf der Insel offenbar einiges an landestypischem Humorverständnis aufgenommen. Seine Selbstbeschreibung bei Twitter lautet: „Innenverteidiger für Stoke City. Ziemlich kleiner Kopf für solch einen mächtigen Kiefer.“ Und als Teamkollege Ryan Shawcross Anfang des Jahres einen neuen Vertrag unterschrieb, freute sich Huth über „garantierte fünf Eigentore pro Saison für die nächsten sechs Jahre“. Natürlich, bitte mal alle kurz entspannen: ein Spaß!

Und wenn nicht, sind hübsche Kontroversen inbegriffen: Dem emsigen Twitterer Rio Ferdinand brachte eine diffamierende Nachricht gegen Ashley Cole in der Rassismus-Kontroverse um John Terry eine happige Geldstrafe durch die FA ein. Und in welch Abgründe man mittels Twitter-Kurznachrichten binnen Minuten stürzen kann, bewiesen erst Mitte Januar Dietmar Hamann und Joey Barton, die einen bald legendären Streit ausfochten, in dessen Folge Hamann sich „Koksnase“ und sein Leben einen „Autounfall“ nennen lassen musste.

Ungeachtet aller Geschmacklosigkeiten ist all das immer noch deutlich unterhaltsamer als die Belanglosigkeiten, die die meisten deutschen Fußball-Profis in der Regel veröffentlichen. Sie scheinen irgendwo zwischen den strikten Auflagen ihrer Geldgeber und dem eigenen diffusen Mitteilungsbedürfnis gefangen. Heraus kommen dann neben Reklamehinweisen auf das neue Schuhmodell des Sponsors meist Tweets wie „5:2 – das hat Spaß gemacht“ (Mesut Özil) oder „Guten Morgen 🙂 Good Morning :)“ (André Schürrle).

Doch offenbar gibt es selbst dafür einen Markt. Özils „News“ lesen immerhin knapp 1,3 Millionen Menschen mit. Für diejenigen jedoch, die sich gerne an frühere, zotige Zeiten erinnern, sei auf das Profil von Peter Neururer hingewiesen, das zwar gefälscht ist, aber komplett auf authentischen Zitaten des Alttrainers basiert. „Karriere, Leben – bei mir ist alles irre“, liest der Fan dort und lechzt und schreit sofort wieder reflexhaft nach den Typen, den echten, den wahren, all den Bonbon-Ristics und Mundart-Steppis, die es doch früher haufenweise gab. Und weiß doch, dass sie nie mehr wiederkommen werden. Vielleicht ja auch gut so. Aber vielleicht hilft dieses aus der Zeit gefallene Beispiel auch, nicht alles immer so wahnsinnig ernst zu nehmen, ein Stück zurückzukehren vom Hype, von der Hysterie zu etwas mehr Normalität und Gelassenheit. Denn schon Neururer wusste: „Spieler sind kein Material, sondern Menschen.“

Rache oder Blut

– Ägyptens Ultras und die Revolution (erschienen im 11FREUNDE-Sonderheft ‚Rebellen‘, März 2013)

Der Abend des 1. Februar 2012 muss schön gewesen sein, im malerischen Küstenort Port Said. Ende eines milden Spätwintertags an der Mittelmeerküste, 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Kairo. Langsam versinkt die Sonne. Dann wird es schwarz über Äygpten.

Das Meer ist keine 300 Meter entfernt vom Stadion, nur einmal quer über die vierspurige Hauptstraße und durch die geschwungene Anlage eines Urlaubsressorts, dann sieht man schon die Wellen, die geduldig an den Sandstrand schwappen. Um die Stunde, als in den Urlauberhotels für gewöhnlich das Abendessen aufgetragen wird, sterben in der Arena des Al-Masry Sporting Club die ersten Menschen.

Sie sind im Zug und in Bussen aus Kairo angereist, um ein Fußballspiel zu sehen. Sie sind Fans von Al-Ahly, dem größten, beliebtesten, erfolgreichsten Klub des Landes. Nun werden sie zertrampelt, von Ihresgleichen, zerquetscht an den von außen verschlossenen Eisentoren, erschlagen werden sie und erstochen. Über tausend Menschen werden verletzt. 74 kehren reglos nach Kairo zurück, spätnachts, verschnürt in weißen Säcken. Der jüngste von ihnen: Gerade 15 Jahre alt. Zurück bleibt ein Meer aus Schuhen, verstreut in den Gängen des Stadions. Männerschuhe, schwarz, braun, in hellen Farben auch. Die Schuhe der Toten.

Der 1. Februar 2012 hat schnell einen festen Platz unter den schlimmsten Stadionkatastrophen eingenommen, doch das führt in die Irre. Es ging nicht um Fußball an diesem Abend, nicht um die alte Rivalität zwischen Al-Masry und Al-Ahly, zwischen den Grünen und den Roten. Jedenfalls nicht in erster Linie. Es ging, das war den meisten sofort klar, um viel mehr. Es ging und geht auch um die Macht am Nil.

„Was sich in Port Said abgespielt hat, war politisch“, sagt James Dorsey. „Fußball in Ägypten ist per definitionem politisch. Eine Polizeimacht, die nicht an Sicherheit interessiert ist, ist per definitionem politisch.“ Dorsey ist Universitätsprofessor in Singapur und publiziert einen viel beachteten Blog über die „turbulente Welt des Nahost-Fußballs“. Auch er weiß nicht die Antwort auf die Frage, wer verantwortlich ist für den blutigen Februartag. „Die kennt wohl keiner“, sagt er. Seine Deutung: „Es ist wohl ein völlig außer Kontrolle geratener Versuch gewesen, die Ultras einen Kopf kleiner zu machen. Es wurde ein Bumerang.“

Die flackernden Fernsehaufnahmen der Katastrophe zeigen deutlich, wie passiv sich die wenigen Sicherheitskräfte verhalten, die sich im Stadioninneren befinden. Vor der Al-Masry-Kurve eine dünne Polizeikette, doch in ihr klafft ein Loch, durch das Hunderte Gewaltbereiter, Bewaffneter ungehindert strömen. Dunkler Schwarm der Jäger. Die Profis von Al-Ahly, rote Trikots, schwarze Hosen, hetzen wie getriebenes Vieh um das Torgestänge, flüchten sich in Todesangst in den Kabinengang. Hier wird Kapitän Mohammed Aboutreika später einen sterbenden Fan in den Armen halten und fragen: „Ist ein Menschenleben so wenig wert?“

Für die „Ultras Ahlawy“, wie sich der harte Kern der Ahly-Fans nennt, ist die Antwort klar. „Diese Leute sind furchtlos“, sagt Dorsey. „Wenn es sie ihr Leben kostet, dann kostet es sie eben ihr Leben. Es macht ihnen nichts aus, und die Polizei respektiert sie dafür.“ So geht die krude ägyptische Logik, vor und nach dem Sturz Hosni Mubaraks.

„Sie wollten uns bestrafen und exekutieren für unsere Beteiligung an der Revolution gegen die Unterdrückung.“ So formulieren es die „Ultras Ahlawy“ kurz nach der Tragödie in einem Statement. Sie geloben einen „neuen Krieg, um unsere Revolution zu verteidigen.“

Um das zu verstehen, was in Port Said geschehen ist, muss man zurück gehen, und zwar genau ein Jahr. Am 1. Februar 2011 schaut die Welt nach Kairo. CNN, BBC, Al-Jazeera berichten schon den ganzen Tag live vom Tahrirplatz im Herzen der Hauptstadt, auf dem sich seit Tagen Tausende Ägypter versammelt und verschanzt haben, mit dem Ziel, das Regime des Hosni Mubarak zu stürzen. Der wirft einen seiner letzten Trümpfe in den Ring: die Kavallerie. Männer auf Pferden und Kamelen sprengen in die Menschenmenge und knüppeln wie wild auf die Demonstranten ein. Die Menschen weichen zurück, panisch fliehen sie vor den trampelnden Hufen und den tanzenden Knüppeln. Unwirkliche, archaische Gewalt. Nach einigen Schrecksekunden aber geht das Fußvolk zum Gegenangriff über, einige der Reiter werden herunter aufs Pflaster gerissen und ihrerseits schwer verprügelt. Die „Kamelschlacht“, wie sie bald heißt, ein Schlüsselakt der Revolution. An vorderster Front mit dabei: Die Ultras von Al-Ahly, gestählt in jahrelangem Stadion- und Straßenkampf mit der Polizei. „Schwingende Knüppel und Tränengas sind für uns nichts Neues“, sagte ihr Sprecher hernach 11FREUNDE. „Es war ganz selbstverständlich, dass wir ganz vorne mit dabei waren, als die Menschen auf der Straße kämpften.“

Neben dem Nachwuchs der Muslimbrüderschaft sind die Ultras Ahlawy und ihre einstigen Rivalen von Zamalek die wichtigsten Gruppen beim Sturz Mubaraks. „Es gibt nur eins, was größer war als der Hass zwischen Al-Ahly und Zamalek“, sagt der Experte James Dorsey: „Der Hass auf das Regime.“ In den ersten Tagen erobern diese jungen Männer Tahrir, preschen vor, werfen Steine und retournieren Tränengas-Patronen, springen wieder zurück, dann wieder vor. Zermürbende Choreografie, immer wieder, bis die Bresche da ist. Vorbereitet sind sie ohnehin bestens, sie haben Zwillen, genügend Steine. Und Sodawasser zum Augenauswaschen. Verwundete transportieren sie auf Motorrädern ab. „Die Ultras haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, die Barriere der Angst zu durchbrechen“, sagt Dorsey. „Sie waren die Verteidigungslinie der Bewegung.“

Zwei Jahre später weht ihre Flagge noch immer auf dem Tahrirplatz, ebenso wie die von Zamalek. Ihr Kampf ist lange nicht vorbei.

Die „Ultras Ahlawy“ sind eine mächtige Organisation, und sie sind gut vernetzt. Ihre Facebook-Seite, „UA07“, Initialen plus Gründungsjahr, wird regelmäßig mit Nachrichten gefüttert, sie hat über 700.000 Likes. Das Profilbild im Januar 2013: eine schwarze Fläche. Darüber eine Faust mit brennender Fackel, die arabischen Worte „Al-qusas au al-dam“, das heißt: Rache oder Blut. Auf Englisch darunter, etwas weniger martialisch: „Justice or Revenge“. Der 26. Januar ist das Datum, auf das sie hinfiebern, dann werden die ersten Urteile erwartet gegen die Jäger von Port Said. Wie hart werden sie bestraft? Drei Tage vorher erklärt Staatspräsident Mohammed Mursi die toten Ahly-Fans zu „Märtyrern der Revolution“ und erfüllt damit eine der Forderungen der Ultras.

„Wir wollen keine Märtyrer sein“, hatten sie noch unmittelbar nach dem Sturz Mubaraks gesagt. Mit Port Said aber ändert sich alles. Schon in der Nacht nach der Katastrophe haben sie sich Rache geschworen, als die Überlebenden im fahlen Licht des Ramses-Bahnhofs von Zehntausenden empfangen wurden, die sich auf die Bahnsteige und auf Zugdächer quetschten. Nun singen die Ultras bei ihren Märschen durch die Straßen von Kairo: „Ich höre die Rufe der Märtyrermütter: ‚Wer gibt mir die Rechte meines Sohns?’“

Es geht den Ultras auch um Reformen, vor allem des Sicherheitsapparats. Es waren die Polizisten, die in Mubaraks System den einfachen Leuten in den Armenvierteln Kairos das Leben zur Hölle machen konnten. Sie waren das Gesicht, die Exekutive des Gewaltherrschers, und sie sind immer noch da in den Augen der Ultras, die die Zerschlagung der alten Machteliten fordern. Nicht nur vor Gericht, auch auf der Straße. Ende September 2012 stürmen sie die Redaktionsräume des TV-Senders „Modern Sport“ in der Kairoer Medienstadt. Ende November liefern sie sich blutige Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften, auf der prestigeträchtigen Mohammed-Mahmoud-Straße nahe von Tahrir. Muslimbruder Mursi ist ihr neues Ziel. Neues Gewand, altes Herrschaftsdenken? „Nieder mit Mohammed Mursi Mubarak“, rufen die Demonstranten. Die Ultras kämpfen sogar gegen den eigenen Verein, der als größter Klub Ägyptens ganz selbstverständlich verbandelt ist mit den alten Strukturen. Sie erreichen, dass Klubpräsident Hassan Hamdys Reisepass eingezogen, sein Konto eingefroren wird. In typischer altägyptischer Ämterteilung war er auch Chef der Werbeabteilung der staatlichen Zeitung „Al Ahram“. Sie erreichen, dass kein Fußball gespielt wird, solange der Prozess über die Verantwortlichen nicht zu Ende gebracht ist.

Nur ein Spiel wird ausgetragen auf nationalem Level seit Port Said, am 9. September schlägt Al-Ahly das Team von ENPPI 2:1 im Supercup. Kapitän und Rekordspieler Mohammed Aboutreika ist der einzige Profi, der sich dem Boykott der Ultras anschließt. Aboutreika, in dessen Armen ein Ahly-Fan in Port Said gestorben sein soll, ist eine Ausnahme unter den Spielern, die Mehrheit positioniert sich nicht. „Die Ultras haben sich immer als einzige loyale Anhänger des Klubs verstanden“, sagt Dorsey. „Die Spieler waren Söldner. Die Funktionäre waren Regierungslakaien.“

Die Ultras Ahlawy erheben einen großen Anspruch bei der Ausdeutung der Revolutionsziele. Analog zu dem riesigen Banner vom Kairoer Derby, kurz nach ihrer Gründung im September 2007: „We are Egypt“, stand darauf. Sie sind ein Faktor, nach wie vor, auch und gerade auf der Straße. „Can’t stop Ultras“, erklären sie ihren Plakaten.

Und dann kommt der 26. Januar. Es wird ein weiterer blutiger Tag im nach-revolutionären Ägypten. 21 Todesurteile spricht das Gericht im Fall Port Said aus – das Fernsehen transportiert die Bilder live ins ganze Land. In Port Said und weiteren Städten brechen schwere Unruhen aus, es gibt Hunderte Verletzte, mindestens 30 Tote. Mursi verhängt den Ausnahmezustand. Die Ahly-Ultras feiern derweil mit Feuerwerk und Gesängen. Rache oder Blut. „Heute hat die Gerechtigkeit begonnen, aber sie ist noch nicht vollständig“, schreiben sie auf ihrer Seite. „Ruhm allen Märtyrern!“

Das große Missverständnis

– DFB und Fans entfremden sich immer mehr – neue Eskalationen drohen

Berlin (dapd). Vor einem Jahr hatten sie noch an einem Tisch gesessen, am Dienstag sprachen sie auf zwei streng getrennten Podien. Schon rein optisch wurde die Diskrepanz deutlich: Im Berliner Hotel Intercontinental saßen die Vertreter von Fußballverbänden und Politik in ihren dunklen Anzügen, kurz zuvor hatten im Hotel Palace eine Ecke weiter die kunterbunt gekleideten Fanvertreter zu einer etwas chaotischen Gegenveranstaltung geladen. Im Sommer 2011 haben sich die beiden Seiten noch scheinbar konstruktiv ausgetauscht. Im Sommer 2012 reden sie aneinander vorbei.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sagte nun „Gewalt und Pyrotechnik“ auf den Rängen der deutschen Arenen den Kampf an und formulierte eine „Null-Toleranz-Politik“, die künftig beherzigt werden soll. Fanverteter, die hinterher von einem „Schlag ins Gesicht“ sprachen, hatten schon vorher kritisiert, dass sie nicht eingeladen worden waren zum Sicherheitsgipfel von DFB, Innenpolitik und den drei Profiligen. „Wir sind diejenigen, die am nächsten dran sind an der Kurve, wir erreichen diese Leute“, hieß es von der Organisation ProFans.

DFB und DFL aber setzen nach zahlreichen Vorfällen in und um die Stadien in den letzten Monaten nicht mehr auf den Dialog. Das Wort kam nur in einem Nebensatz von Ligaboss Reinhard Rauball vor, in der offiziellen Pressemitteilung versteckt es sich im allerletzten Statement. Stattdessen wird die Leine straff angezogen. Stadionverbote sollen bald wieder für fünf statt wie seit 2007 nur für drei Jahre ausgesprochen werden, „bei ganz schweren Fällen sind sogar zehn Jahre geplant“, sagte Rauball. Welche Vergehen gemeint sind, müsse noch „festgelegt werden“.

Doch werden verschärfte Sanktionen die Gewaltproblematik beheben können? Wird das strikte Verbot von Pyrotechnik, das von offizieller Seite bekräftigt wurde, die Feuer in den Kurven löschen?

Nein, findet Harald Olschok vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW): Davon auszugehen, dass die Anhebung der Stadionverbotsdauer eine große Wirkung habe, sei „naiv“, sagt Olschok der dapd. „Um es populistisch zu sagen: Durch die Einführung der Todesstrafe verhindere ich keine Morde.“ Nein, findet auch Rene Lau von der AG Fananwälte. „Mit Stadionverboten bekommt man keine Befriedung hin. Das meiste passiert ohnehin außerhalb der Stadien“, sagt er der dapd. Die Fanprojekte der Klubs erhielten „keinen Cent mehr“ als bislang, stattdessen sei das eingetreten, was von Fanseite befürchtet worden sei: „Repressalien und verschärfte Bestimmungen“, sagt Lau. „Es herrscht Resignation bei den Fans, teils auch Wut.“

Diese Stimmung war schon vor der Bekanntgabe der Sicherheitsmaßnahmen greifbar gewesen. Mit auf dem Podium saß in Jannis Busse einer, der vor einem Jahr noch mit den DFB-Sicherheitsbeauftragten über Pilotprojekte zur Legalisierung von Pyrotechnik verhandelt hatte. Zu Saisonbeginn kündigte der DFB die Gespräche plötzlich auf, nach der mit wildem Bengalo-Einsatz begleiteten Randale beim Pokalspiel Dortmund-Dresden im Oktober formulierte der Verband schließlich ein klares „Nein“ zur Pyrotechnik.

„Man hat uns abgefertigt“, sagt Busse. Folge: Es brannte umso mehr auf den Rängen. Fananwalt Lau hofft, dass es nun nicht zu vermehrter Gewalt kommt. „Aber die Fans werden ihrem Ärger Luft machen, mit Transparenten und Choreografien.“

Die Zukunftsprognose zeichnet sich dunkel. Am Freitag beginnt mit dem Spiel der Traditionsklubs Arminia Bielefeld und Alemannia Aachen bereits die Drittliga-Saison. Die Stimmung auf den Stehplätzen dürfte nicht ruhiger werden. Zusätzlich zu notorisch gewaltbereiten Gruppen kommt eine wachsende Zahl verbitterter Ultras, die sich von den Verbänden vor den Kopf gestoßen fühlen.

Der DFB hat allein in den vergangenen zwei Monaten 20-mal Klubs für Bengalo-Einsatz, Platzstürme und Gewalt bestraft. Die Rekordmarke von über einer Million Euro an Strafgeldern aus dem vergangenen Jahr wird 2012 erneut übertroffen werden. Die von vielerlei Seite angemahnte „Versachlichung“ der Problematik, etwa der Differenzierung der Platzstürme in Düsseldorf und Karlsruhe, in ihrer Motivation völlig unterschiedlich, findet derweil nicht statt. Man spricht eben nicht mehr miteinander.

Das Ultra-Jahr

– Gewalt-Eskalationen stellen den harten Kern der Fanszene vor eine Zerreißprobe

Berlin (dapd). Es war nur eine vermeintlich kleine Ungenauigkeit. Ein Nürnberger Hooligan sei am Kölner Hauptbahnhof vor einen einfahrenden ICE gestoßen worden und habe dabei einen Arm verloren, berichteten zahlreiche Medien Mitte November. Dass es sich bei dem Schwerverletzten nicht um einen „Hooligan“ handelte, sondern um das Mitglied einer Nürnberger Ultra-Gruppierung, stellte am Montag darauf Nürnbergs Sportvorstand Martin Bader klar, einer der höchsten Vereinsverantwortlichen. „Pauschale Vorverurteilungen helfen niemandem weiter“, erklärte Bader und forderte, bei der Debatte um Gewalt im Fußball zu mehr Sachlichkeit zurückzukehren.

Der Herbst 2011 war, auch über Verwechslungen mit Hooligans hinaus, keine gute Zeit für die deutschen Ultras. Zunächst scheiterte die Initiative zur Legalisierung von Pyrotechnik, dann eskalierte das Verhältnis mit den Ordnungskräften. Ein Böllerwurf beim Drittliga-Derby Osnabrück gegen Münster verletzte mehrere Polizisten, teils schwer. Schließlich randalierten mitgereiste Dresdner beim DFB-Pokalspiel in Dortmund, unterlegt mit Feuern im Block. Unter anderen Umständen lediglich zwei schlimme Einzelfälle, so aber Symptome des Gewaltproblems der Kurven in deutschen Stadien. In Dortmund konnte ein großes TV-Publikum zur Primetime zusehen. Pyrotechnik und Gewalt waren nun eins. Und Ultras waren eben Hooligans.

„Die einzige Überschneidung zwischen Hooligans und Ultras ist, dass einige Ultra-Gruppen Gewalt tolerieren, zum Beispiel zur Verteidigung. Gewalt auszuüben, ist aber keinesfalls Bedingung, um Mitglied zu sein. Für die Hooligans war und ist Gewalt das zentrale Element“, erklärt dagegen Fanforscher Jonas Gabler, der mit „Die Ultras“ eine viel beachtete wissenschaftliche Arbeit zum Thema verfasst hat. Die Vermengung der Begriffe führt er vor allem auf Unwissenheit zurück. „Ultra ist ein relativ junger Begriff. Wer ihn zum ersten Mal hört, ordnet ihn in die extreme Ecke ein, was vom Wortstamm her sogar stimmt“, sagt Gabler.

Dabei gehe es diesen Fans eigentlich primär um anderes: „Ein Ultra ist ein extremer Fan, der sich sehr mit seinem Verein identifiziert. Das übergeordnete Ziel ist ein möglichst guter Support, laut und abwechslungsreich. Der Ultra will seine Gruppe, seinen Verein und seine Stadt repräsentieren“, erklärt Gabler. Verhaltensweisen wie „Revierverteidigung“ und „Autonomiestreben“ würden sich meist anschließen. „In letzter Zeit gab es natürlich auch einige Vorfälle, bei denen Gewalt von Fangruppen ausging.“

Die Szene ist heterogen, was auch die kritische Einschätzung eines Berliner Ultras belegt: „Viele Gruppen beschäftigen sich mit Nebensächlichkeiten. Es geht nur noch um Gewalt, Außendarstellung, Posen, Selbstdarstellung, darum, wer die Härtesten oder Gefährlichsten sind.“ Das ständige Image-Gehabe gehe jedoch am eigentlichen, nach innen gerichteten Ultra-Gedanken weit vorbei.

Die Ultra-Bewegung steht derzeit vor einer Zerreißprobe. Dabei hatte das Jahr 2011 hoffnungsvoll begonnen. Im Januar übergab die Initiative „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ ihre Verhandlungsvorschläge an den damaligen DFB-Sicherheitsbeauftragten Helmut Spahn. Über 100 Ultra-Gruppierungen hatten sich zusammen getan, sich von gefährlichen Böllern und fliegenden Bengalos distanziert. Nach zwei Treffen im Mai und Juli wollte der Verband plötzlich nichts mehr von eventuellen Zugeständnissen wissen, Verhandlungspartner Spahn, der „ergebnisoffene Diskussionen“ angekündigt und auch geführt hatte, war mittlerweile beruflich nach Doha gewechselt.

Das abrupte Ende des Dialogs findet Jonas Gabler „auf jeden Fall verwunderlich“, weil sich der DFB auf Gespräche eingelassen habe und Gesprächsnotizen besagen würden, „dass es schon konkrete Abmachungen gab, die im Nachhinein negiert wurden“.

Die Initiatoren waren verbittert. „Alles, was wir geglaubt hatten, erreicht zu haben, war ja letztendlich das Papier nicht wert, auf dem es stand“, bilanzierte Sprecher Jannis Busse, ein Ultra von Hannover 96. Die gemäßigten Stimmen innerhalb der Bewegung wurden nun übertönt. Ein Teil der Kurven reagierte durch vermehrtes Abbrennen, was wiederum Ordner und Polizei verstärkt auf den Plan rief. Pfefferspray-Einsatz in Hannovers Kurve, Bremer Fans, die einschreitende Ordner in Hoffenheim attackierten – auf beiden Seiten war man nun nicht mehr zimperlich. „Ich finde das sehr bedauerlich und von beiden Seiten sehr unglücklich“, sagt der Anwalt der Kampagne, Benjamin Hirsch. „Bei dem Phänomen der Ultras haben wir es mit einem sehr sensiblen Gebilde zu tun, das teilweise ein sehr großes Problem mit Institutionen hat. Man sieht jetzt, was für Probleme auch in diesem ganzen Umfeld schlummern. Man hat die einmalige Chance gehabt, einige der bedeutendsten Ultraszenen unter einen Hut zu bekommen“, sagt Hirsch.

Jonas Gabler spricht von „einer Art Machtspielchen, das die Polizei annimmt. Die Eskalation spitzt sich zu.“ Und so ist der Ausblick düster. 2011 sollte das Jahr der Ultras werden. Und es wurde es auch, nur auf eine ganz andere Art als gewünscht. 2012, hofft Gabler, könnten beide Seiten dennoch zum Dialog zurückfinden. Auch aufseiten der Ultras gebe es nicht wenige, die trotz der Enttäuschung über die Pyro-Initiative erkennen würden, dass sich nur mit Gesprächen etwas erreichen ließe. Außerdem sei Pyrotechnik nicht das einzige Thema, über das man wieder in den Dialog treten könne. Beim Fankongress im Januar sieht Gabler eine Chance. Erwartet werden auch Vertreter des DFB.

Feinde fürs Leben

– Derbys bringen das Schlimmste und Schönste des Sports hervor – „Chaos, dazu sind sie da“

Berlin (dapd). Miroslav Klose ist unsterblich. Aus einem ganz einfachen Grund: Nicht als WM-Torschützenkönig oder Mann, der bald Gerd Müller abgelöst haben wird. Sondern als der Stürmer, der Lazio Rom zur Stadtherrschaft geschossen hat. Mit seinem Siegtor in der Nachspielzeit des Derbys gegen AS hat sich der Deutsche, den sie nun liebevoll „il panzer“ nennen, im Oktober auf ewig die Herzen der Laziali gesichert.

Fußball-Derbys befördern die Extreme dieses Sports an die Oberfläche. Bei Derbys werden Helden gemacht, doch die schönste Nebensache der Welt kann genauso schnell zur schlimmen Hauptsache werden. Bleiben wir zunächst in Rom: Im April 2010, Lazio verlor 1:2, gab es böse Ausschreitungen auf den Rängen – und nach dem Schlusspfiff auch wildes Geschubse auf dem Platz. Ein internationaler Live-Kommentator ordnete das Geschehen lakonisch ein: „Und natürlich endet das Derby im Chaos. Dafür sind sie da.“

Chaos und Gewalt, die ewigen Begleiterscheinungen dieser allzu oft als Ventil aller möglicher reellen oder längst verblichenen Feindschaften dienenden Spiele. „Knietief in Katholikenblut“ waten beispielsweise die Anhänger der Glasgow Rangers dem „Old Firm“, dem legendären Match gegen Celtic, entgegen. Diese Zeile jedenfalls schmettern die Fans des Protestanten-Klubs in der martialischen Hymne „The Billy Boys“ ihren besten Feinden in Grün-Weiß entgegen. Konfessioneller Hass, der selbst die UEFA auf den Plan rief.

In Griechenland nutzen Fans von Panathinaikos Athen und Rivalen wie Olympiakos Piräus oder AEK Athen selbst Frauen-Volleyballspiele, um aufeinander einzuhauen und zu -stechen. Im polnischen Krakau gab es erst Anfang des Jahres einen Toten bei Auseinandersetzungen zwischen Wisla und Cracovia.

Wann ist ein Derby ein Derby?

Nicht nur Zerstörungswut, auch Kreativität entsteht in diesen Extremsituationen. Das zeigt das Beispiel der Dortmunder Fans, die einst tatsächlich ein Flugzeug anmieteten, um damit ein Transparent mit der Aufschrift „Ein Leben lang keine Schale in der Hand“ durch den Himmel über der Schalker Arena zu ziehen.

Doch wann ist ein Derby ein Derby? Wichtigstes Kriterium ist zunächst die örtliche Nähe der beiden Klubs, auch wenn es hier gewichtige Ausnahmen gibt: Über 600 Kilometer fahren die Mannschaften von Real Madrid und FC Barcelona zu den Auswärtspartien des spanischen „Clasico“, der sich vor allem aus kulturellen und politischen Gegensätzen aus der Franco-Zeit speist.

Besonders nah sind sich dagegen die Teilnehmer des Merseyside-Derbys, der FC Liverpool und der FC Everton, deren Vereinsgelände weniger als eine englische Meile auseinanderliegen.

Neunzig Minuten Klassenkampf

Ebenso oft werden soziale Differenzen zwischen den Klubs bemüht. Beim „Superclasico“ von Buenos Aires zwischen den proletarischen Boca Juniors und dem reichen River Plate tobt in regelmäßigem Abstand also 90-minütiger Klassenkampf. Inwiefern dieses einmal kultivierte Bild überhaupt noch gültig ist, spielt keine Rolle. Derbys leben eben hauptsächlich von der Tradition, die Jahr um Jahr erneuert wird.

Auf dem und abseits des Spielfelds geht es daher auch um spektakuläre Aktionen, die allen unvergesslich bleiben. In diese Kategorie fällt sicherlich der geisteskranke Coup der Fans von Inter Mailand, die es 2001 zum Derby gegen den AC fertigbrachten, eine ganze Vespa in den Block zu schmuggeln und den Motorroller in den Unterrang purzeln zu lassen.

Während es an der Echtheit von Duellen wie AC gegen Inter nichts zu deuteln gibt, existieren jedoch auch Derbys, die eigentlich gar keine sind. Das Zweitligaspiel des FSV Frankfurt gegen die Eintracht Ende August (Endstand 0:4) erregte die Gemüter kaum. Die wahren Konkurrenten in der Region sehen die Eintracht-Fans dann doch eher in Offenbach oder Kaiserslautern. Die TSG Hoffenheim schließlich hat mangels Historie in den oberen Ligen überhaupt noch keine Derby-Erfahrung. Auch Feindschaft muss man sich eben erst erarbeiten.

Für die Wand

– Union Berlin wirbt bei seinen Fans für die neue Stadionanleihe

Berlin (dapd). Das erwartungsvolle Raunen endet abrupt, als die Profi-Mannschaft des 1. FC Union Berlin pünktlich um 13.30 Uhr den Raum betritt. Es brandet nun lauter Applaus auf, der in rhythmische, stehende Ovationen mündet. Dabei stehen diesmal gar nicht die Spieler des Fußball-Zweitligisten im Mittelpunkt. Sie sitzen in den folgenden Stunden in Reihe zwei und drei, teils mehr, teils weniger gelangweilt. Union feiert sich selbst an diesem Sonntagmittag, sich und seine Ideale. Die Vereinsführung präsentiert den über 2.000 erschienenen Mitgliedern das Konzept, ihnen die Mehrheit des Stadions An der Alten Försterei in Aktienform anzubieten.

Zeitgleich will Union mit einer neuen Tribüne bis Sommer 2013 endlich zum modernen Fußball aufschließen. Schon als die Fans, die sich stolz „Unioner“ nennen, draußen noch Schlange gestanden haben, war drinnen, an den Wänden der Ballsporthalle Hämmerlingstraße, die Animation der geplanten neuen Haupttribüne an die Wand geworfen. Einen Steinwurf weiter soll sie dann mal stehen: Ein schicker dreistöckiger Backsteinbau mit aufragenden Dachträgern, der die drei bereits sanierten Tribünen verbindet. Die 3D-Ansicht erinnert ein bisschen an die Stadionausbau-Option früher Fußball-Manager-Computerspiele. Da konnte der Spieler selbst das Stadion formen, wie er wollte.

Völlig abseits der Köpenicker Realität ist das nicht. Die Fans haben hier schließlich bereits drei Viertel des Stadions weitgehend eigenhändig runderneuert. 140.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden kamen in der Saison 2008/09 zusammen. Ein Beispiel mit großer Außenwirkung.

Zingler sagt, was den Fans gefällt

Präsident Dirk Zingler weiß das, weshalb er auch gleich zu Beginn die Verbindung herstellt. Das Tortenstück der derzeit 57 Prozent an Vereinsanteilen am Stadion kommentiert er so: „Hier steckt die Leistung der Stadionbauer drin, hier sind eure 140.000 Stunden drin. Dafür müssen wir noch lange Dankeschön sagen.“ Nun soll jeder Fan sich also ein Stück Alte Försterei zu Hause an die Wand hängen können. In Form einer Aktie. Eine lohnende Geldanlage dürfte sie dagegen für die wenigsten werden. Aber darum soll es auch gar nicht gehen.

Zingler ist verkabelt wie ein Fernsehmoderator, er trägt seriösen grauen Zwirn über dunklem Hemd und Krawatte. Zingler spricht Schlagworte aus, die den Fans gefallen. Sie lauten „Unabhängigkeit“, „Mitbestimmung“ und „Teilhabe“. Er kann sich Seitenhiebe nicht verkneifen gegen die „Kommerz-Vereine“, das Stichwort „Red Bull“ fällt, auch „Event-Stimmung“. Die Unioner raunen. In einem Werbe-Clip für die Aktie weist Zingler eine Stadionumbenennung in „Hakle-feucht-Arena“ entnervt zurück. Die Unioner johlen.

„Wir haben uns gefragt, wem gehört das Stadion An der Alten Försterei“, ruft Zingler schließlich in den Raum, und eine Frau aus dem Publikum ruft prompt zurück: „Uns!“ Genau darum gehe es, sagt Zingler. Jeder Unioner soll sich seinen Kleinstanteil an der persönlichen Pilgerstätte sichern können. Eine Treppenstufe wäre das vielleicht, oder ein halber Wellenbrecher. Keiner darf mehr als zehn Aktien besitzen. „Eine Fremdübernahme ist unmöglich“, ruft Zingler auf Nachfrage. Kritik vonseiten der Fans gibt es kaum am Sonntag.

Fünf Millionen Euro sollen sich durch die Zeichnung von 10.000 Aktien in die Kassen des Zweitligisten ergießen. Und damit laut Zingler auch die finanzielle Unabhängigkeit beim Neubau der Haupttribüne erhöhen. Sie soll 15 Millionen Euro kosten.

Runter von der Hühnerleiter

Für die aktuelle Miniatur-Tribüne und die angrenzenden Örtlichkeiten ist das Wort provisorisch noch untertrieben. VIPs werden in angrenzenden Zelten abgespeist, Pressevertreter sitzen auf einer Hühnerleiter unterm Dach und nach dem Spiel steigt aus den Fensterschlitzen der Umkleide-Container der Dampf der Duschen in die Mixed Zone. Wenn man sich auf die Zehenspitzen stellte, könnte man wohl Kapitän Torsten Mattuschka beim Einseifen zuschauen. „Es wird deutlich bessere Bedingungen geben, als man es jetzt gewohnt ist“, sagt Dirk Thieme, der Vorstandsvorsitzende der Stadiongesellschaft.

Während diese Form von Fanaktien in Deutschland Seltenheitswert hat, sind Stadionanleihen nichts Neues. Erst am Donnerstag begann die Zeichnungsfrist bei Unions Zweitligakonkurrenten FC St. Pauli. Anteile im Wert von 1,8 Millionen Euro kauften die Fans bis Sonntagnachmittag. Die kreative Geldbeschaffung (hier in Anteilen von 100, 500 oder 1910 Euro) soll in Hamburg vor allem dem Ausbau des Trainingszentrums dienen. Vor sieben Jahren hatten Paulianer Fans den Verein mit Retter-T-Shirts, Retter-Aktionen und Retter-Spenden vor der Insolvenz bewahrt.

Dass auch Union für seine Fans eine echte Herzensangelegenheit ist, zeigt sich auf der sonntäglichen Versammlung während der zwischenzeitlichen Fragerunde. „Hallo, ick bin Smiley“, meldet sich ein Fan mit Käppi und Schal zu Wort und präsentiert den Vereinsverantwortlichen statt einer Nachfrage einfach einen Strauß Rote Rosen. Näher kommt man sich an diesem Nachmittag nicht mehr.

Der Tiroler Weg

– Hierzulande stocken die Verhandlungen um Pyrotechnik – bei Wacker Innsbruck dürfen die Fans schön länger legal zündeln

Berlin (dapd). Die Problembeziehung steht vor dem Aus: Im Juli noch saßen Fanvertreter und Deutscher Fußball-Bund an einem Tisch und verhandelten über eine „Roadmap“ in Sachen Pyrotechnik. Nun werfen die Fans dem DFB Wortbruch vor. Der wiederum hat erklärt, „zu keinem Zeitpunkt Zusagen“ für eine mögliche Legalisierung gemacht zu haben und monierte „21 registrierte Verstöße“ während des „Waffenstillstands“ zu Saisonbeginn. Vermehrte Vorfälle in den letzten Wochen mit teils Schwerverletzten haben die Initiative weiter zurückgeworfen. Es scheint ausgeschlossen, dass die angestrebten Pilotprojekte das OK des Verbands erhalten werden.

Das Nachbarland Österreich hat eine ähnliche Geschichte bereits hinter sich, mit Annäherung, enttäuschten Erwartungen und erneuter Entfremdung. Doch findet sich hier auch ein Gegenbeispiel für die These, dass kontrolliertes Abbrennen in einem vollen Block nicht möglich sei: Beim Bundesligisten Wacker Innsbruck dürfen die Fans bereits in Absprache mit den lokalen Behörden Pyrotechnik benutzen.

Clemens Schotola ist Journalist beim österreichischen Fußballmagazin „ballesterer“ und Szenekenner bei Wacker Innsbruck. Der 32-Jährige bestätigt, dass bei Wacker schon seit rund fünf Jahren eine lokale Ausnahmegenehmigung Anwendung findet. „Am Tivoli darf auf der Nordtribüne Pyrotechnik gezündet werden, unter bestimmten Voraussetzungen“, sagt er.

Die Bengalischen Feuer müssen ein CE-Kennzeichen haben, wie im österreichischen Pyrogesetz festgelegt. Außerdem dürfen die Innsbrucker Fans ihre Fackeln nur im möglichst zuschauerfreien Raum mit genügend Sicherheitsabstand anwenden, konkret unten am Zaun. „Das ist ohnehin da, wo man sie als Ultra zünden will“, sagt Schotola. Die Behörden sind im Vorfeld genau informiert über die Anzahl der Fackeln und nehmen diese ab, im Gegenzug dürfen die Fans auch während des Spiels zünden. Feuerwehr und Security stehen mit Sandkübeln für den Notfall bereit.

Seit Einführung dieser lokalen Praxis habe es nur einen Verstoß bei Wacker gegeben, sagt der Szenekenner. In der Saison 2004/05 warf ein Fan eine Fackel unkontrolliert in den Innenraum. „Er wurde von der Fanszene rausgefischt und rausgeworfen“, sagt Schotola und nennt das die „Selbstreinigungskräfte der Kurve“. Sie hat auch Eintracht Frankfurts Klubchef Heribert Bruchhagen in dieser Woche angemahnt, nachdem Fans beim Spiel in Dresden wilde Zündelei beklatscht hatten. Dass unabhängig von Verboten bei mehreren Tausend Besuchern immer eine gewisse Gefahr besteht, betonen auch die deutschen Ultras. „Passieren kann immer etwas“, sagt etwa Jannis Busse von der deutschen Initiative. Der DFB betont seinerseits, dass die Sicherheit der Besucher höchste Priorität habe.

Der Wille zur Zusammenarbeit sei entscheidend, sagt Wacker-Fan Schotola: „Der Verein muss wollen, die lokalen Behörden müssen wollen. Und die Fans müssen wollen.“ Auch in Österreich hatte sich eine landesweite Fan-Initiative formiert, nachdem im Januar 2010 ein verschärftes Pyrotechnikgesetz in Kraft getreten war. Nach anfangs erfolgversprechenden Verhandlungen mit Liga und Verband seien die Fans an die Behörden verwiesen worden. „Im Endeffekt ist es an den Auflagen gescheitert“, sagt Schotola. Dazu habe ein Drei-Meter-Sicherheitsabstand gehört, den die Ultras als „unrealistisch“ zurückwiesen. „Heute wird vor allem auswärts wieder viel wild gezündet“, sagt Schotola. Was per se eine größere Gefährdung der Umstehenden mit sich bringe als kontrolliertes Abbrennen, da der Zündler die Fackel möglichst schnell wieder loswerden wolle, um unerkannt zu bleiben.

Ähnlich wie nun in Deutschland hat sich die Lage auch in Österreich nach dem Scheitern der Verhandlungen wieder verschärft. Beim Wiener Derby im Mai bewarfen Rapid-Fans, die das Spielfeld gestürmt hatten, den Austria-Block mit Bengalos, mindestens zwei Fans wurden verletzt. Unter dem Vorfall litt erwartungsgemäß der Ruf des harten Fankerns generell, so auch der Ultras. „Wenn du eine sichtbare Gruppe bist, wirst du immer Ziel von Pauschalisierungen“, sagt Schotola. Er selbst wurde angeklagt, weil zwei Wacker-Fans beim Spiel bei Austria Wien im August 2010 Knallkörper geworfen hatten und Schotola als einziger Ansprechpartner und Verantwortlicher bei den Behörden registriert war. Erst in zweiter Instanz wurde er freigesprochen.

In Deutschland hat die Zahl der gefährlichen Vorfälle in den letzten Wochen wieder zugenommen. Besonders der Knallkörperwurf beim Derby Osnabrück-Münster sorgte für Wirbel, 24 Personen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Mitgereiste Rostocker produzierten beim Spiel in Frankfurt ebenfalls reichlich Negativ-Schlagzeilen durch Raketenabschüsse. Ein Zuschauerausschluss für zwei Auswärtsspiele war in beiden Fällen die Folge, veranlasst durch den DFB.

In Österreich liegen die Gespräche zwischen Offiziellen und Fans – genau wie hierzulande – auf Eis. Außerhalb von Innsbruck ist die Lage oft ähnlich wie vor Formierung der Initiative. Eine Fortsetzung der Problembeziehung unter schlechten Vorzeichen droht auch in Deutschland.

Hochfrequenz in Hoffenheim

– Fan-Beschallung gegen BVB: Polizei und Ordnungsdienst offenbar eingeweiht – Apparat war schon Anfang 2011 viermal aufgebaut

Berlin/Sinsheim (dapd). Der idyllische Kraichgau soll ja eigentlich einer der ruhigeren Landstriche Deutschlands sein. Doch seit Anfang der Woche ist es mit der Ruhe in und um Sinsheim erst einmal vorbei. Grund: Seltsamer Lärm bis an die Schmerzgrenze im Gästeblock bei der Bundesligapartie zwischen der TSG Hoffenheim und Borussia Dortmund am vergangenen Samstag. Dieser kam allerdings nicht nur von den zahlreichen Dortmunder Fans, sondern auch aus einer seltsam anmutenden Apparatur, die sich unterhalb deren Tribünenbereich befand. Wenn der BVB-Anhang den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp in Sprechchören oder Gesängen mit Schmähungen bedachte, erklang ein schriller Signalton.

Die TSG Hoffenheim hatte am Montag mitgeteilt, ein Mitarbeiter habe „eine entsprechende Apparatur eigenmächtig zum Einsatz gebracht“, als „Gegenmittel“ gegen die Anti-Hopp-Gesänge. Alle Klubverantwortlichen distanzierten sich in der Pressemitteilung ausdrücklich von der Aktion und entschuldigten sich bei den Dortmunder Fans.

Die Heidelberger Polizei hat Ermittlungen wegen Körperverletzung eingeleitet. Bis zum frühen Dienstagnachmittag seien fünf Anzeigen und fünf weitere Hinweise per E-Mail von betroffenen Fans eingelaufen, sagte Sprecher Harald Kurzer auf dapd-Anfrage. Der Hoffenheimer Angestellte habe die Apparatur am Dienstag auf die Dienststelle gebracht. Es handele sich um „zwei über einen Verstärker betriebene Druckkammer-Lautsprecher“.

Am Dienstag aktualisierte der Klub auch sein Statement: Der Mitarbeiter habe die Apparatur bereits bei vier Spielen der Saison 2010/11 aufgebaut, „wohl aber nicht immer zum Einsatz gebracht“. Es handele sich um die Heimspiele gegen Köln (19. Februar), Mainz (26. Februar), Dortmund (12. März) und Frankfurt (16. April).

Frankfurter Fans beschreiben ähnlichen Vorfall

Axel Hoffmann befand sich im April im Frankfurter Block: „Als die üblichen Gesänge kamen, gab es kurzzeitig einen merkwürdigen Ton im Stadion, der für uns in dem Moment gar nicht greifbar war. Ich habe es zuerst mit dem Gepfeife der Einheimischen assoziiert, aber es war klar, dass es das nicht ist“, sagte er der dapd.

Die Beschreibung der Störquelle durch einen User in einem Fanforum auf eintracht.de deckt sich mit dem hochauflösenden Foto der Lautsprecher-Vorrichtung, aufgenommen am Samstag, das die Dortmunder Fanseite schwatzgelb.de der dapd zur Verfügung gestellt hat. Neben der Apparatur sind drei Personen zu erkennen, zwei von ihnen sitzen auf einer Bierbank.

BVB-Fanprojekt: „Die Polizei wusste davon“

Aussagen von Beobachtern am Samstag lassen Zweifel an der vom Klub verbreiteten Einzeltäter-Version aufkommen. Auf der BVB-Seite hat man ein koordiniertes Vorgehen mehrerer Personen beobachtet. Thilo Danielsmeyer vom Dortmunder Fanprojekt stand am Samstag unmittelbar vor dem Gästeblock. Er sagt, dass mehrere umstehende Personen über Sinn und Zweck des Beschallungsapparats im Bilde waren. „Die Polizei wusste davon. Der Ordnungsdienst hat es auch gewusst“, sagte Danielsmeyer der Nachrichtenagentur dapd.

Ein Verantwortlicher habe ihm das System sogar erklärt. „Er dachte sich gar nichts dabei. Er sagte: Hinter dem Tor sitzt einer und macht ein Zeichen, sobald Schmährufe ertönen“, sagte Danielsmeyer. Dann habe jemand den Signalton ausgelöst: „Das Gerät wurde definitiv von weiter weg bedient.“

Die Polizei bestätigte am Dienstag, die Apparatur sei von der gegenüberliegenden Stadionseite über ein rund 60 Meter langes Kabel betrieben worden. Der Beschuldigte habe ausgesagt, die Anlage mit einem Bekannten gebaut und eigenverantwortlich betrieben zu haben.

Dass Polizisten die Lärmquelle wahrgenommen haben, hält Sprecher Kurzer für gut möglich. „Ich gehe schon davon aus, dass Beamte, die im Bereich der Gästefanbetreuung tätig waren, dieses Gerät und seine Funktionsweise wahrgenommen haben“, sagte Kurzer der dapd. Für die Einsatzleitung könne er dies jedoch ausschließen. „Von uns wusste keiner etwas“, sagte Kurzer, der darauf hinwies, dass die Polizei innerhalb des Stadions „gar keine Funktion“ habe, außer bei Schlägereien und sonstigen Notfällen.

Danielsmeyer geht davon aus, dass „auch Entscheidungsträger“ von dem Lärmmacher wussten: „Der Bereich vor dem Gästeblock ist der sensibelste Bereich, den es im Stadion gibt. Normalerweise wird da selbst das kleinste Fitzelchen, das auf dem Boden liegt, weggemacht. Bei uns in Dortmund wüsste das zumindest ein Vorstandsmitglied.“

„Soundcheck“ in der Arena vor dem Einlass

Dass es beleidigende Schmähungen gegen den in einigen Fankreisen massiv abgelehnten Klub-Mäzen Hopp gegeben hat, ist unstrittig. „Es waren Beleidigungen unter der Gürtellinie, darüber müssen wir nicht streiten“, sagte Nicolai Mäurer von schwatzgelb.de der dapd.

Mäurer bestätigt Augenzeugenberichte, wonach es bereits vor dem offiziellen Einlass Stunden vor der Partie am Samstag einen gut hörbaren „Soundcheck“ mit dem durchdringenden Signalton in der Arena gegeben haben soll. „Es haben Leute gesagt, dass sie das Geräusch schon vor dem Einlass hören konnten“, sagte Mäurer.

Es könnte noch eine Weile dauern, bis wieder Ruhe einkehrt im schönen Kraichgau nach den Störgeräuschen, die am Samstag aufhorchen ließen. Derzeit breitet sich die Schallwelle noch aus.