Respekt am Grill und auf dem Platz

– Der Berliner Fußball-Verband müht sich um Integration – immer wieder kommt es zu Rassismus und Gewalt

Berlin (dapd). Die Frau im Kopftuch wird freudig begrüßt, kurz darauf brutzelt saftiger Sis Kebab neben goldenen Maiskolben auf dem Grill, dazu gibt es deutschen Kartoffelsalat. Und dann beginnt das Spiel, das die afrikanischen, türkischen oder deutschen Eltern der Nationalspieler vor dem Fernseher verfolgen. „Mas Integracion“, der Imagefilm des DFB war vier Jahre lang vor jedem Länderspiel zu sehen und ist sicher einer der meistgesehenen TV-Spots aller Zeiten.

Eine multikulturelle Nationalelf eines perfekt integrierten Landes – die Realität ist wie so oft ein bisschen weniger bunt und schön als der Film. So brach nach der EM eine krude Debatte über das Mitsingen der Hymne von Spielern mit Migrationshintergrund los.

In Berlin, wo am Donnerstag Bundeskanzlerin Merkel mit deutschen Fußballgrößen die Integrations-Initiative „Geh Deinen Weg“ vorstellt, sind rund 40 ethnische Fußballvereine angemeldet. Sie heißen BSV Hürtürkel, FK Srbija, SD Croatia oder SC Al-Quds. Im Liga-Alltag kommt es immer wieder zu Gewalt und Rassismus, von deutschen Vereinen gegen Migrantenklubs – oder von verfeindeten Ethnien gegeneinander. So wurden Anfang Juni ein Spieler und der Trainer von Hürtürkel nach antisemitischen Beleidigungen gegen den jüdischen Verein TuS Makkabi mit mehrmonatigen Sperren belegt, der Verein erhielt eine Geldstrafe und Punktabzug.

Alexander Sobotta leistete viereinhalb Jahre im Integrationsprogramm des Deutschen Fußball-Bund (DFB) Pionierarbeit, der 34-Jährige ist jetzt selbstständig im Bereich „Diversity Management“ tätig. Für seine Diplomarbeit besuchte er türkische Vereine in Berlin. Sein Fazit fiel „differenziert“ aus. Es gebe Klubs, die sich öffnen wollten und Sozialarbeit leisteten, sagt er, bei Türkiyemspor spielten Fußballer aus rund 20 Nationen. Aber es gebe auch Gegenbeispiele. „Gerade kleinere Vereine sind immer noch Anlaufstellen für Menschen aus der gleichen Herkunftsregion.“

Das bestätigt Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). Problematisch sei vor allem, die Vereinsvertreter dazu zu bewegen, für Ämter und Gremien zu kandidieren. „Oft konzentrieren sie sich sehr auf sich. Ich sage immer, ‚Leute, bringt euch ein‘, aber sie kapseln sich ab.“ Häufig käme ein Sprachproblem dazu, obwohl Spieler und Betreuer meist schon in der dritten Generation in Deutschland lebten. „Es vermischt sich aber erfreulicherweise mehr und mehr“, sagt der 54-Jährige der dapd.

Zwtl.: Ehrenamt unter Migranten rasant ansteigend

Das ehrenamtliche Engagement unter Migranten ist im Fußballbereich derweil rasant im Anstieg. Von 2007/08 bis 2009/10 wuchs ihr Anteil an der Gesamtzahl laut „Sportentwicklungsbericht“ des DOSB von 7,2 auf 13 Prozent – fast zehn Prozent mehr als im Gesamtsport. Zum Vergleich: 19 Prozent der DFB-Mitglieder haben einen Migrationshintergrund. In Berlin sitzt der Deutsch-Türke Mehmet Matur als Integrationsbeauftragter im Verbandspräsidium. „Er kennt Gott und die Welt bei den Vereinen“, sagt Sobotta.

In der Vergangenheit war der BFV für schleppende Aufarbeitung von Gewalt- und Rassismusfällen kritisiert worden. Das harte Urteil gegen Hürtürkel in diesem Jahr soll auch Symbolwirkung entfalten. „Wir haben die Regeln erheblich verschärft. Wir erwarten Respekt voreinander auf den Plätzen“, sagt Präsident Schultz.

Dass es unter Migranten eine höhere Gewaltbereitschaft gebe, wie oft unterstellt wird, verneint er. „Wir haben das von der Uni Potsdam untersuchen lassen. Sie haben genau so viele Deutsche, die ausrasten, wie Personen mit Migrationshintergrund.“ Er betont jedoch auch, dass es sich bei Einwanderern der dritten Generation auch um Deutsche handele: „Das sind ja keine Leute aus Anatolien, sie sind hier geboren und aufgewachsen. Da hat die Gesellschaft etwas verpasst. Wir als Sport sind nicht der Reparaturbetrieb.“

Separate Ligen sind für Bernd Schultz keine Lösung. „Wir müssen in einer Weltstadt wie Berlin die vielen Kulturen und Nationen in den Vereinen unter ein Dach bekommen.“ Aber auch der Dachverband sei gefragt: „Es muss Aufgabe des DFB bleiben, sich dieser gesellschaftlichen Themen auch weiterhin anzunehmen.“ Multi-Kulti-Grillfeste sind im Berliner Verband übrigens bereits Realität, auch wenn sie bei Problempaarungen unter Umständen vom BFV verordnet werden – Integration auf Befehl sozusagen.