Drei Schritte ins Glück

– In seinem wohl letzten Spiel verhilft Didier Drogba seiner Chelsea-Generation doch noch zum größten Titel

München (dapd). Drei Schritte nahm Didier Drogba Anlauf zum Glück, penibel genau abgezählt, wie immer. Drei entschlossene Schritte nach hinten, zwei minimale Tippelschritte zur Seite. Dann wurde Drogba ganz ruhig, ganz langsam hob er den Blick, während Manuel Neuer vor diesem entscheidenden Elfmeter auf der Linie auf und ab hüpfte, als sei er ein betrunkener Clown. Mit einem Ruck unterband Drogba diese Ablenkungen, lief an und schoss den Ball über das linke Standbein hinweg unhaltbar ins Netz – wie einen Trainingsschuss.

Didier Drogba, Stürmer des FC Chelsea seit acht Jahren, hatte in diesem Moment seine Mission erfüllt. In seinem möglicherweise letzten Spiel hatte er dem Klub aus London den ersten, so heiß ersehnten und lange verfolgten Champions-League-Sieg beschert. Und so einfach in Richtung China – wie spekuliert wird – wollen die Klubverantwortlichen den Stürmer, dessen Vertrag Ende dieses Monats ausläuft, nicht ziehen lassen. Chelseas Vorstandsvorsitzender Bruce Buck kündigte an, Vertragsgespräche mit Drogba „lieber früher als später“ aufzunehmen. Noch in der kommenden Woche, erklärte Buck weiter, werde man sich mit dem Berater von Drogba zusammensetzen.

Der Triumph im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern hat eine Milliarde Euro von Klubeigner Roman Abramowitsch gekostet – und die ganze Willenskraft von Didier Drogba. „Ich bin seit acht Jahren hier. Wir waren immer so dicht dran und doch so weit davon entfernt“, sagte Drogba weit nach Mitternacht vor den verbliebenen Journalisten. „Jetzt haben wir diesen Pokal. Er geht an die Stamford Bridge.“

Mit 34 Jahren hat Didier Drogba es doch noch geschafft – und mit ihm die alten Gefährten Frank Lampard und John Terry. „Frank, JT oder Carlo Cudicini – sie haben uns gezeigt, wie man ein Chelsea-Spieler wird“, sagte Drogba rückblickend. Dreimal hatte Drogbas Generation seit seiner Ankunft in London 2004 im Halbfinale gestanden, München war ihr zweites Finale. 2008 waren sie an einem Elfmeter des diesmal zum Zuschauen verdammten Terry gescheitert, diesmal scheiterten die Bayern.

„Moskau war eine sehr schwierige Erfahrung, aber heute haben wir es geschafft, sie zu verändern“, sagte Drogba. Wie schon in den Halbfinalspielen gegen den FC Barcelona war der einzige Stürmer in Chelseas Riegelsystem schier omnipräsent. Er musste es sein bei der bayrischen Dominanz. So klärte er zahlreiche der zahlreichen Bayern-Ecken am Fünfmeterraum, warf sich mit unzähmbarer Willenskraft in jedes noch so aussichtslose Luftduell. Selbst Thomas Müllers spätes Führungstor in der 83. Minute konnte Drogbas Mission nicht erschüttern. Fünf Minuten später wuchtete er acht Jahre enttäuschte Hoffnung in die Eckstoßflanke von Juan Mata – die erste und einzige des Spiels.

„Ich wollte, dass Chelsea lacht“, sagte Drogba hinterher schlicht, doch beinahe hätte er die Spieler und Fans in Blau zum Weinen gebracht. Weil aber Arjen Robben die Hauptrolle des Abends nach Drogbas übereifrigem Foul an Franck Ribery nicht übernehmen konnte, weil Petr Cech dessen Elfmeter hielt – daher liefen die Dinge weiterhin in die Richtung des Mannes mit der Nummer 11.

In den immer kürzer werdenden Pausen zwischen den Spielabschnitten lief der, statt sich massieren zu lassen, auf und ab, kaum behelligt von seinen Teamkollegen, sprach sich selbst sichtbar Mut zu, sah immer wieder ehrfurchtsvoll hinauf, am Dach der Arena vorbei in die Unendlichkeit.

Dann kam das Elfmeterschießen, in dem Olic und Schweinsteiger zu ihrem Unglück dafür sorgten, dass Drogba den Schlusspunkt setzen konnte. „Oh, mein Gott“, schien er noch zu sagen, bevor ihn seine Mitspieler umrissen und unter sich begruben.

„Ich war zuversichtlich, bevor ich ihn schoss“, sagte Drogba. „Aber ich hatte auch im Kopf, was beim Afrika-Cup passiert war.“ Drogba kennt die andere Seite, er hat zweimal dort gestanden, im Dunkel: Im Februar vergab er den Titel gegen Außenseiter Sambia vom Punkt, 2006 verschoss er seinen Elfmeter im Endspiel gegen Ägypten.

Nicht lange nach seinem wohl letzten erfolgreichen Torschuss für Chelsea schritt Didier Drogba also zu den Bayern in den Mittelkreis, er umarmte Schweinsteiger und Ribery, sprach ihnen etwas Trost zu. Am längsten hielt er Arjen Robben im Arm, den Untröstlichen, der bitterlich an seiner Schulter weinte.