Effizienz im Londoner Regen

– Didier Drogba und der FC Chelsea hebeln das System Barcelona aus

Berlin/London (dapd). Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Die vielen strahlenden Gesichter, herzlichen Umarmungen und in die Luft gereckten Jubelfäuste am späten Mittwoch an der Londoner Stamford Bridge waren nur allzu verständlich. Denn: Der FC Chelsea hat den FC Barcelona in der Champions League geschlagen. Das hat, auch wenn es nur das Halbfinal-Hinspiel war, für sich genommen fast historischen Wert. Der FC Barcelona verliert nämlich wirklich nicht allzu häufig. Es war dies im 57. Pflichtspiel der Saison die erst dritte Niederlage für die Mannschaft von Pep Guardiola, die eine schier beängstigende Aura der Effizienz umschwebt.

13 von 16 möglichen Titeln haben sich die katalanischen Nimmersatts zuletzt einverleibt. Doch weil an diesem wunderbar verregneten Fußballabend der FC Chelsea eine ganz andere Art von Effizienz zur Schau stellte und in Person von Didier Drogba aus der einzig wahren Chance einen 1:0-Sieg formte, ist nun die Titelverteidigung in Europa für Barca zumindest ein bisschen in Gefahr.

Torwart Petr Cech konnte die Zutaten der kleinen Sensation fix benennen: „mentale Stärke, etwas Glück – und auch ein paar Paraden des Torhüters.“ Wobei er die wichtigste Ingredienz völlig unterschlug: Einen Stürmer vom Format Drogba. Der bullige Angreifer füllte im 9-0-1-System von Roberto Di Matteo die Rolle des Alleinunterhalters im Angriff in Perfektion aus, ruderte zu Dutzenden Kopfbällen hoch in den Regenschleier, wetzte allen langen Bällen hinterher, und hatte er den Ball einmal am Fuß, war er meist nur mit dem Mittel zu stoppen, das Guardiola seinen Spieler eigentlich verboten hat: Dem Foul. Bei allen Gelegenheiten verschleppte Drogba zudem das mörderische Barca-Tempo, wie ein in die Jahre gekommener Boxer, der immer wieder klammert.

„Drogba war vorne ganz alleine, wir haben alle großartig gearbeitet“, sagte John Terry. „Wir wussten, dass wir unsere Chance bekommen würden, und Didier war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, sagte Di Matteo. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte schob der Mann von der Elfenbeinküste den einzigen nennenswerten Gegenstoß der Londoner eiskalt ein.

Barcelona auf der anderen Seite scheiterte trotz guter bis sehr guter Möglichkeiten am Grundkonzept des Fußballs, dem Toreschießen. Wie schon im Hinspiel beim AC Mailand wollte der ersehnte Auswärtstreffer nicht fallen, auch nicht in der dritten Minute der Nachspielzeit, als Pedros Flachschuss nur den Pfosten küsste. Betrachter mit Sinn für geschichtliche Quervergleiche argumentierten alsbald, dies sei die ausgleichende Gerechtigkeit für den späten und äußerst glücklichen Ausgleichstreffer durch Andres Iniesta an gleicher Stelle vor drei Jahren gewesen. Wegen dieses Treffers war der FC Chelsea damals im Halbfinale gescheitert.

Diesmal musste Guardiola dem FC Chelsea gratulieren, zum Teilerfolg. „Wir hatten mehr Ballbesitz, aber das bedeutet nichts, damit gewinnst du keine Spiele. Sie waren uns heute in der Luft überlegen und waren physisch stärker.“ Manchmal reichen für einen Sieg also: 28 Prozent Ballbesitz, ein Torschuss und 100 Prozent britischer Kampfgeist.

Die Arithmetik fürs Rückspiel im Camp Nou fiel den Beteiligten nicht ganz so leicht. „Fifty-fifty“, wog Cech die Chancen ab, korrigierte diese Prognose nach wenigen Sekunden aber auf „60:40 für Barcelona, weil sie zu Hause spielen“. Dort haben die Mannen von Guardiola in den vergangenen beiden Champions-League-Spielen immerhin zehn Tore zustande gebracht. Chelsea braucht also kommenden Dienstag gleich das nächste mittelgroße Fußballwunder für die Endspielteilnahme.