Hungrig und inspiriert zum Sieg

– Frankreichs Equipe zeigt sich gegen Deutschland in EM-Form

Bremen (dapd). Die erste Halbzeit war noch nicht vorbei, da stimmten die französischen Fans hoch oben im Gästeblock im Bremer Weserstadion bereits zum zweiten Mal an diesem Abend die „Marseillaise“ an. In der a-capella-Version des Hymnenklassikers sangen sie von jenem berühmten Tag des Ruhms, der nun wieder gekommen sei.

Auch nach dem Schlusspfiff konnten die Gäste noch stolz auf sich sein. Auf das Ergebnis (2:1) einerseits, für den 17. der Weltrangliste beim Zweiten Deutschland ein hübscher Sieg der Kategorie „Achtungserfolg“. Mehr noch aber auf die Art und Weise, wie sich die Mannschaft von Laurent Blanc am Mittwochabend präsentiert hatte: Hungrig, lauffreudig und offensiv inspiriert.

„Das Ergebnis hat uns gar nicht interessiert“, sagte Blanc gleich nach dem Spiel, „wir wollten an uns arbeiten und besser werden.“ Genau das versucht Blanc mit seinem Team seit Amtsübernahme nach der WM 2010 – dem absoluten Tiefpunkt der sportlichen Entwicklung und des Verhältnisses zwischen Fans und Nationalelf.

Diese folgte am Mittwoch perfekt der ausgegebenen Chronologie. Vor dem Spiel hatte Blanc nämlich gesagt, es gelte, die ersten 20 Minuten zu überstehen. Dies schafften die Blauen, indem sie die deutsche Behelfsabwehr beim Spielaufbau ständig unter Druck setzten und dadurch Fehler provozierten. Sobald die 20 Minuten überstanden waren, ließ Rechtsverteidiger Mathieu Debuchy sein Gegenüber Dennis Aogo ins Leere laufen, flankte scharf in die Mitte, wo Olivier Giroud zur Führung einschob. Man schrieb die 21. Minute.

Für Debuchy, dem Mann des Abends vom OSC Lille, der auch Frankreichs zweites Tor einleitete, war es dabei erst das dritte Länderspiel – wie auch für Benzema-Ersatz Giroud aus Montpellier. „Wir haben ein perfektes Match gespielt“, befand Debuchy, der dem heillos überforderten Aogo zeigte, was man auf dieser Position auch offensiv so alles anstellen kann – auch wenn ihm das gegen Philipp Lahm sicher nicht in dem Maße gelungen wäre.

Besonders bei der Zusammenstellung des Mittelfelds aber hatte Blanc die richtigen Entscheidungen getroffen. Die offensive Dreierkette bestückte er neben dem unglaublich wendigen 1,67-Meter-Mann Mathieu Valbuena von Olympique Marseille mit seinen prominenten Legionären Samir Nasri und Franck Ribery. Diese drei wirbelten meist zusammen auf engem Raum, mal rechts, mal links, mal zentral. Einzig Ribery, nach Zusammenprall mit Marco Reus auch früh beeinträchtigt, fiel etwas ab. Er sucht im Nationalteam nach wie vor nach der Bayern-Form. Mit einem Pferdekuss schied er zur Halbzeit aus.

„Wir haben versucht, möglichst hoch zu stehen, um die deutsche Offensive nicht entfalten zu lassen – das hat geklappt“, sagte Blanc, der für seine Verhältnisse fast schon emotional wurde: „Ich habe das Spiel sehr genossen, es war wirklich toll.“ Der Auftritt wäre einer der besten unter seiner Regie gewesen.

Blancs Umbau und Neuausrichtung der sportlich wie moralisch desaströsen WM-Mannschaft scheint immer besser zu gelingen – sie ist nun seit 18 Spielen ungeschlagen. Blanc setzt neben einigen erfahrenen Leuten wie Eric Abidal (32) und Philippe Mexes (29) auf den Hunger der Jungen. Patrice Evra, einer der Rädelsführer der Rebellion von Südafrika, saß derweil 90 Minuten auf der Bank.

Noch gibt es – natürlich – auch Steigerungsbedarf, das zeigte sich im zweiten Teil der ersten Hälfte, als Deutschland mit schnellen Kombinationen die Viererkette ein paar Mal überwand. Auch ihre Anfälligkeit für Standardsituationen haben die Franzosen noch nicht abgelegt. Man muss sie also nicht gleich zum „Mitfavoriten“ für die EM machen wie Joachim Löw schon vor dem Spiel. Nur unterschätzen sollte man die neu inspirierten Blau-Weiß-Roten in keinem Fall.