Zwischen den Kulturen

– Erdal Keser sichtet deutsch-türkische Nachwuchsspieler für den türkischen Verband

Berlin (dapd). Der Mann aus Hagen hat klare Vorstellungen. „Wir suchen derzeit vor allem Abwehrspieler und defensive Mittelfeldspieler“, sagt Erdal Keser. „Spielmacher haben wir in der Türkei mehr als genug.“ Keser, 50 Jahre alt, in Deutschland aufgewachsen, ehemaliger Bundesligaspieler für Borussia Dortmund, leitet das Europa-Büro des türkischen Fußballverbands in Köln. Keser ist die Schnittstelle zwischen den Kulturen. Wer in Europa jung ist, ambitioniert Fußball spielt und türkische Wurzeln hat, der wird früher oder später mit ihm Bekanntschaft machen. Eher früher.

Natürlich habe er auch schon bei den WM-Stars der deutschen U17 angeklopft, sagt Keser. Die haben im Juli sogar die Ballkünstler aus Brasilien ausgezaubert, sind in Mexiko auf begeisternde Art Dritter geworden. Die Protagonisten hießen unter anderem: Samed Yesil, Robin Yalcin, Okan Aydin, Levent Aycicek oder Emre Can. Insgesamt acht Kinder türkischer Eltern kombinierten sich durch die Abwehrreihen, erzielten Traumtor auf Traumtor. Eine goldene Generation.

„Lagebesprechung“ mit den Familien

Keser ist natürlich schon viel früher auf sie aufmerksam geworden als die deutsche Öffentlichkeit – und auch auf sie zugegangen. Ein Jahr vor dem Turnier etwa war das, sagt er. „Ich nehme dann den Kontakt zu dem Spieler selber auf oder zur Familie, wir treffen uns zu einer Art erster Lagebesprechung“, erklärt Keser mit ruhiger Stimme und leichtem Ruhrgebiets-Einschlag. In diesem Fall sei es dabei geblieben: „Sie haben gesagt, dass sie zurzeit glücklich sind. Ich habe ihnen dann noch viel Glück gewünscht, das war’s.“

Doch ganz so harmlos verläuft die Hatz nach den Talenten nicht immer. Im Sommer gerieten Keser und DFB-Sportdirektor Matthias Sammer öffentlich aneinander, nachdem Keser angekündigt hatte, dass einige der U17-Spieler schon für die Türkei zugesagt hätten. Namen nannte er keine. Kapitän Can und Yesil bekannten sich nach dem Turnier dazu, ihren Weg beim DFB gehen zu wollen.

Für die Spieler ist es auch eine strategische Entscheidung. Der Weg in die türkische Auswahl ist tendenziell der leichtere. Und verpokert hat man sich schnell. Serdar Tasci etwa spielt in Joachim Löws Planungen keine Rolle mehr, kann aber, selbst wenn er wollte, nicht mehr zum türkischen Verband wechseln, weil er bereits im deutschen Trikot Pflichtspiel-Einsätze absolviert hat.

Die hohe Konkurrenz auf der deutschen Innenverteidigerposition mag auch in den Überlegungen von Ömer Toprak eine Rolle gespielt haben, der sich als bislang letzter Deutsch-Türke für das Heimatland seiner Eltern entschieden hat und am Freitag sein Debüt geben könnte. Nuri Sahin, die Altintop-Brüder, Mehmet Ekici, Gökhan Töre, Tunay Torun, Hakan Balta – die Reihe der in Deutschland ausgebildeten Nationalspieler, die mit Stern und Halbmond auf der Brust auflaufen, ist lang und wird länger.

Die Eltern bevorzugen meist die Türkei

Dass die Mehrzahl der 25 ihm unterstellten Europa-Scouts in Deutschland nach Talenten sucht, verhehlt Keser nicht, schließlich leben hier 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. „Benelux, Österreich, Schweiz“, dies seien die Länder, die danach folgten, sagt Keser.

Die Eltern, die meist noch starke Bindungen in ihre alte Heimat haben, würden die türkische Lösung in der Regel bevorzugen. Doch das sei oft nicht entscheidend. „Wissen Sie, das sind ja alles mündige Jugendliche mittlerweile“, sagt Keser. „Da sagen die Eltern schon ab 14, 15, dass ich das mit ihrem Sohn selber abmachen soll.“

Größere Eingewöhnungsschwierigkeiten hätten die in Deutschland geborenen und aufgewachsenen türkischen Nationalspieler nicht, sagt Keser: „Wenn sie kein Türkisch sprechen, was wir auch schon hatten, dann wird eben Englisch oder Deutsch gesprochen.“

Und wenn Keser weiterhin erfolgreich arbeitet, könnte Deutsch schon bald die inoffizielle Amtssprache der türkischen Nationalelf werden.