Groß frisst klein

– Witali Klitschko entledigt sich in Tomasz Adamek eines weiteren Herausforderers

Breslau (dapd). Hinterher war es fast noch am beschwerlichsten. Als sein Bruder Wladimir gerade behände über die Ringseile sprang, ging der Ältere der Klitschko-Brüder der Fron des Siegers nach: Noch ein Interview musste gegeben, für weitere Fotos posiert werden. Vielleicht wirkte das Bohei danach für die Außenstehenden auch deshalb so anstrengend, weil vorher alles so leicht dahergekommen war. Das Resultat: Witali Klitschko ist weiterhin Schwergewichtsweltmeister nach Version des World Boxing Council (WBC). Auch Tomasz Adamek, der tapfere, aber schlussendlich chancenlose Herausforderer aus Polen, konnte die Dominanz der Gebrüder aus Kiew nicht ansatzweise gefährden.

In der zehnten Runde eines sehr einseitigen Kampfes hatte der Ringrichter den Liebling der im brandneuen Breslauer EM-Stadion anwesenden Massen mit einem energischen Armwischen aus dem Gefecht genommen. Genug war genug.

„Ich war überrascht über sein starkes Kinn“, sagte Klitschko, und das war anerkennend gemeint. In der Tat war die wichtigste und für den Polen beste Nachricht des Abends : Tomasz Adamek ging es nach knapp dreißig mitunter recht schmerzvollen Minuten gut, rein gesundheitlich betrachtet. „Ich bin ein Krieger, ich wollte bis zum Ende kämpfen“, sagte der stolze Pole nach dem Fight. „Ich muss meinen Stolz herunterschlucken.“ Er fühle sich gut, abgesehen von den Schwellungen und Fleischwunden: „Ich werde leben und gesund sein.“

Weggewischt wie eine lästige Fliege

Welch Kontrast bot dennoch der gepeinigte Herausforderer zu dem frisch geduscht und unbeleckt auftretenden Klitschko. „Guten Morgen zusammen“, flötete der alte und neue Champion am frühestmöglichen Sonntag der Presse entgegen. Witali Klitschko trat auf in der selbstbewusst-fröhlichen Art eines Kämpfers, der zuvor einen weiteren vermeintlichen Konkurrenten weggewischt hatte wie eine lästige Fliege. Klitschko hatte weite Strecken des Kampfes so bestritten, wie es einem jeder Boxtrainer von der ersten Stunde an auszureden versucht: Die Handschuhe unter Hüfthöhe pendelnd, Angriffe des Gegners lieber mit Reflexen statt mit deckenden Händen abwehrend.

Es war dies genug des Aufwands, weil der 34-jährige Ex-Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht, zwölf Kilo leichter, zwölf Zentimeter weniger Reichweite, schlicht nicht die körperlichen Voraussetzungen mitbrachte, um den Koloss von Kiew zu gefährden. „Es reicht eben nicht, zu viel zu essen“, sagte Klitschko, und das war wohl väterlich, vielleicht sogar gut gemeint. „Tomasz ist der beste Boxer der Welt, nur nicht im Schwergewicht. Es war ein Fehler von ihm, ins Schwergewicht zu wechseln.“

Dass jedoch das Falsche das Richtige sein kann, wenn man haushoch überlegen ist, bestätigte der Coach des Champions: „Es war Witalis bester Kampf seit seinem Comeback“, sagte Klitschkos Trainer Fritz Sdunek, der die gute Beinarbeit und Schnelligkeit seines Schützlings herausstellte.

Die Großen verspeisen die Kleinen

Nur einmal witterten die 44.000 Weiß-Roten rings um den Ring die Sensation, als nämlich Klitschko in der achten Runde plötzlich zu Boden ging. „Ich bin Tomasz auf den Fuß getreten, deshalb habe ich die Balance verloren“, erklärte der 40 Jahre alte Weltmeister. Ringrichter Massimo Barrovecchio aus Italien zählte ihn folgerichtig nicht an. Die polnischen Fans aber setzten zu einem letzten Ausbruch der Euphorie an. Und auch wenn Trainer Sdunek hinterher beteuerte, er sei für einen Moment geschockt gewesen, und auch wenn das Stadion in diesem Moment der Unachtsamkeit etwas witterte, was nie in der Luft lag, entwickelte sich der Kampf doch nach dem altbekannten Gesetz, wonach die Großen die Kleinen verspeisen. Kurz nach Klitschkos Tauchgang gellten Pfiffe durch die Arena, weil Adamek wehrlos in den Seilen hing und Barrovecchio den rechten Zeitpunkt für einen Abbruch zu verpassen drohte.

„Keiner weiß, was im Ring passiert“, sagte Klitschko zwar. „In jeder Runde kann einer den Fight mit einem Schlag beenden.“ Am Samstagabend jedoch gab es nur einen, der Entscheidendes zu leisten imstande war. Und das war nicht Tomasz Adamek.

Und so hatte am Ende Lukas Podolski Recht behalten. Der kölnisch-polnische Fußballprofi und erklärte Adamek-Fan hatte sich im offiziellen Begleitheft des Kampfes mit einem seiner eigenen, unvergessenen Bonmots zitieren lassen, das da lautete: „Manchmal gewinnt der Bessere.“