Teamgeist schlägt Egotrip

– Die Dallas Mavericks haben die selbstgewissen Heat-Stars mit einer tollen Mannschaftsleistung besiegt

Berlin/Miami (dapd). Wie sie da so durcheinander lärmten auf der eilends aufgebauten Bühne mitten im Basketball-Herzen von Miami, wirkten die Spieler der Dallas Mavericks wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen, in allen erdenklichen Größen und Kragenweiten. Einige hatten sich schon eines der blütenweißen Sieger-Shirts übergeworfen, „Dallas 2011 NBA Finals Champions“ stand auf der Brust, auf dem Kopf trugen sie passende Schirmmützen. Die Mavericks hatten ihr Tagwerk verrichtet. Der Schweiß der Arbeit glänzte im Scheinwerferlicht auf ihrer Haut.

In den Sekunden bevor sie die wuchtige Goldtrophäe in Empfang nahmen, die die NBA jedes Jahr bei Tiffany’s bestellt, hätten sie auch als Feierabend-Gesellschaft einer x-beliebigen US-amerikanischen Fabrik durchgehen können. Blauer Kragen, Dosenbier, vielleicht später noch ein Streetball-Match.

Die Mavericks sind Gegenentwurf zu Miamis Glitzer-Duo

In den vergangenen Tagen sind die Basketball-Malocher um Vorarbeiter Nowitzki zu einem populären Gegenentwurf des Glitzer-Duos Dwyane Wade und LeBron James geworden, die ihrerseits stets mit zu großen Brillen, viel zu großen Kopfhörern und zu engen Designer-Hemden herumstromern – und sich eher schlecht als recht benehmen. Weil Wade und James mehr für sich selbst statt miteinander spielten, hat Dallas das vierte, fünfte und sechste Spiel der Finalserie gewonnen. Für jeden einzelnen Spieler ist es der erste Siegerring. Für das 1980 gegründete Franchise ebenso.

„Nichts im Leben wird dir geschenkt, man muss für alles hart arbeiten“, sagte Dirk Nowitzki im Interview nach dem Spiel, den Pokal lässig im Arm, und es klang wie ein Seitenhieb gegen James und Wade, die schon während des zweiten Spiels aufreizend vor der Bank der Mavericks gejubelt hatten. Viel zu früh, wie man heute weiß.

Selbst Haudrauf Cardinal traf einen Dreier

In der Serie zwischen Dallas und Miami, die nach drei Spielen bereits zu Gunsten der Heat entschieden schien, hat am Ende der Teamgeist über den Egotrip der Einzelkönner triumphiert. Nowitzki mag die Serie fast im Alleingang ausgeglichen haben, in den letzten beiden Spielen waren es andere, die die entscheidenden Körbe warfen. Jason Kidd zum Beispiel, dieser knorrige 38-Jährige, den man vor Sonntagabend kaum je einmal lächeln sah, versenkte zwei eminent wichtige Dreier.

Man kann die Reihe durchgehen: Jason Terry (27 Punkte), Jay-Jay Barea (15 Punkte und unzählige Powerdribblings), Shawn Marion (12 Punkte, 8 Rebounds), ja selbst der ungestüme Defensiv-Haudrauf Brian Cardinal versenkte an diesem Abend einen Dreipunktversuch. Die Mavericks spielten sich miteinander in einen Rausch und zogen schließlich auch den ausgepowerten Nowitzki mit, der nach drei Punkten zur Halbzeit das Spiel mit 21 Zählern beendete.

Was er mitnehme aus diesen Endspielen, wurde Teambesitzer Mark Cuban gefragt. „Dass die Chemie wichtig ist. Dass es ein Mannschaftssport ist“, sagte er. „Dass man Spieler braucht, die sich vertrauen und dem Coach vertrauen. Das ist ein Prozess, das passiert nicht über Nacht.“ Nach und nach hätten seine Spieler das Konzept von Trainer Rick Carlisle akzeptiert, das die Gemeinschaft über den Einzelnen stellt. „Sie haben gelernt, dass, wenn sie dem System vertrauen und es ausführen, gute Dinge passieren. Keiner war egoistisch. Wenn der Ball weitergepasst werden musste, wurde er weitergepasst. Wenn jemand einen offenen Wurf nehmen musste, nahm er einen offenen Wurf.“

Die Stars der Heat verlieren sich in Phrasen

Auf dem Spielfeld trieben sich die Mavs-Akteure gegenseitig an. „Der Große hatte ein paar Probleme mit seinem Wurf“, sagte Jason Terry über Nowitzkis Schwächephase. „Um ihn wieder an das Wesentliche zu erinnern, habe ich ihm zugeflüstert: ’05/06′. Das ist alles. Mehr musst du ihm nicht sagen.“ 2005/06, das war jene so großartige Saison, die ein so jähes Ende nahm mit der 2:4-Finalniederlage – gegen die Miami Heat. „Jet hat mich wirklich aufgebaut“, sagte Nowitzki. „Wir sind zusammen durch das alles durchgegangen.“

Derweil saßen Dwyane Wade und LeBron James im feinen Zwirn vor den Medienvertretern und verloren sich in Phrasen. James bemühte sich um ein Rechenspielchen: „Ich habe zwei Spiele mehr gewonnen als 2007, vielleicht schaffe ich es, nächstes Jahr zwei Spiele mehr als dieses Jahr zu gewinnen.“ Vor vier Jahren hatte er mit den Cleveland Cavaliers im Finale 0:4 gegen die San Antonio Spurs verloren. Wade sagte betont kämpferisch: „Wir werden diese Niederlage als Motivation benutzen und versuchen wiederzukommen und es zu schaffen.“

Eine Gratulation rang sich Wade dann auch noch ab: „Sie haben ein Championship-Team zusammengestellt, egal wie man es betrachtet.“ Doch selbst damit lag er falsch, denn im Baukasten-Verfahren zusammengestellt wurden im letzten Jahr allenfalls die Miami Heat. Der bunte, chaotische Haufen aus Texas dagegen ist langsam und stetig zusammengewachsen. Bis sich die großen und kleinen Jungs auf der grell beleuchteten Bühne von Miami dann ganz nahe waren.