Jeder Tag zählt

– Ein Jahr vor dem EM-Start hat Veranstalter Polen noch viele Aufgaben vor sich – Probleme beim Stadionbau und mit Fan-Gewalt

Berlin (dapd). Die guten Vorsätze gibt es seit über vier Jahren. „Wir werden bereit sein“, hatte der polnische Verbandspräsident Michal Listkiewicz im April 2007 gesagt, unmittelbar nachdem UEFA-Präsident Michel Platini einen Zettel hochgehalten hatte, auf dem die Ausrichter der Fußball-Europameisterschaft 2012 geschrieben waren: „Ukraine and Poland“.

„Wir schaffen das“, sagte am Dienstag auch Tomasz Zahorski, ein Vertreter des Managements im Büro „PL 2012“, das die EM 2012 vorbereitet. Auf einer Pressekonferenz in Berlin versicherte Zahorsky, der Stand der Planungen und Baumaßnahmen sei nicht so bedrohlich, wie öffentlich dargestellt: „Ich bin überzeugt, dass ein Jahr vor dem Turnier die Situation von Polen wirklich gut ist – auch im Vergleich zu anderen Turnieren in der Vergangenheit.“ Doch daran zweifeln immer mehr Beobachter. Von den vier polnischen EM-Stadien ist zwölf Monate vor dem Eröffnungsspiel nur das Stadion Miejski in Posen fertiggestellt – die anderen Arenen konnten die Organisatoren nur per Computer-Animation im fertigen Zustand an die Wand werfen.

„Wir lassen uns nicht erpressen“

In Danzig musste das für diesen Donnerstag geplante Eröffnungsspiel der EM-Arena zwischen Polen und Frankreich abgesagt werden. Es wird nun in Warschau stattfinden, allerdings nicht im neuen Nationalstadion, das ebenfalls noch nicht bezugsfertig ist. Zahorsky gab sich betont kämpferisch: „Wir lassen uns nicht vom Termindruck erpressen. Wir wollen sichere Stadien bauen und müssen auch die öffentlichen Finanzen im Auge behalten.“

Ob das Länderspiel Polen-Deutschland am 6. September im neuen Warschauer Nationalstadion stattfinden kann, ist ebenfalls fraglich, nachdem fehlerhafte Treppenstufen entdeckt wurden. „In Warschau haben wir noch einige Probleme“, sagte UEFA-Cheforganisator Martin Kallen der dapd Nachrichtenagentur. „Wie lange die Fertigstellung da verzögert wird, ist noch unklar“.

Laut Zeitplan der UEFA sollten ein Jahr vor Beginn der Endrunde eigentlich alle Stadien bereits fertiggestellt sein. Problematisch ist vor allem, dass nun deutlich weniger Zeit für Sicherheitstests und weitere Vorbereitungen in den Stadien bleibt. „Die Luft wird ein bisschen dünner, das Ganze zu testen und operativ auf seine Qualität hin zu untersuchen“, sagte Kallen.

Veranstalter bestreiten „Plan B“

Einen „Plan B“ gibt es nach übereinstimmenden Angaben von polnischen Organisatoren und UEFA nicht. „Die EM-Stadien werden schon fertig, es geht nur um das wann genau“, sagte Kallen. „Es gibt keine Notlösung, keine Alternative mehr so kurz vor dem Turnier“, bestätigte Zahorsky.

Bei der Veranstaltung in einem Berliner Hotel ging es den Beteiligten vor allem darum, gute Miene zu den bösen Verzögerungen zu machen, die neben den Stadien auch die Infrastruktur von Deutschlands Nachbarland betreffen, wo zur EURO 2012 rund eine Million Fußball-Touristen erwartet werden. „Rund 80 Prozent der über 200 Investitionen werden nach Plan realisiert“, sagte Zahorsky. Doch die Lage ist ernst. Vergangene Woche hatte sogar Polens Premierminister Donald Tusk, ein begeisterter Fußball-Fan und Freizeit-Kicker, Druck auf unzuverlässige Baufirmen ausgeübt.

„Gewisse Teilabschnitte werden nicht fertig werden“, gab UEFA-Organisator Martin Kallen zu. Dennoch würden auch die gebauten Abschnitte bereits „große Fortschritte“ bringen. Konkret zur stockenden Autobahn A2 zwischen Berlin und Warschau befragt, sagte der polnische Planer Tomasz Zahorski: „Das ist keine Investition, von der der Erfolg der EM abhängt. Im Dezember 2011 wissen wir, wer wo spielt. Dann können wir, wenn nötig, alternative Verkehrspläne ausarbeiten.“

Problem Hooligans

Ein weiteres Problem ist die Gewaltbereitschaft eines Teils der polnischen Fußball-Zuschauer – ganz entgegen dem für die EM ausgerufenen Slogan „freundliches Polen“. Erst Anfang Mai hatten nach dem polnischen Pokalfinale zwischen Lech Posen und Legia Warschau Hooligans beider Vereine den Rasen des Stadions in Bydgoszcz gestürmt. Im März randalierten polnische Fans im litauischen Kaunas. „Wir stehen unter dem Eindruck der beiden Vorfälle“, sagte Piotr Golos, Öffentlichkeitsbeauftragter des polnischen Fußballverbandes. Sie seien allerdings in älteren, teils maroden Stadien passiert. „In modernen Stadien verhalten sich die Menschen anders“, so Golos weiter.

Die jüngsten Ausschreitungen hätten eine „übermenschliche Mobilisierung aller Behörden“ in Polen zur Folge gehabt. Vergangene Woche verabschiedete die polnische Regierung ein Gesetz, in dem unter anderem Stadionverbote und Sammelverfahren sowie Geldstrafen für bewaffnete und vermummte Fußball-Fans verankert sind. Wie effektiv die längst überfälligen Maßnahmen sein werden, bleibt abzuwarten.

Die Verzögerungen beim Stadionbau bleiben dagegen das größte Problem. Von der UEFA gibt es verhaltenen Optimismus: „Wir glauben, dass wir das Turnier durchführen können“, sagte OK-Chef Martin Kallen. „Aber es gibt jeden Tag noch sehr viel zu tun. Wir können uns nicht auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen.“